An Rhein und Ruhr. Viele Paare bleiben ungewollt kinderlos. Einige entscheiden sich für eine Kinderwunschbehandlung. Eine Betroffene erzählt von ihrem Weg zum Kind.
Marie schaut ihre Mama vom Wickeltisch aus mit ihren großen braunen Augen an. Sie gluckst, als Mirjam vorsichtig ihren Bauch kitzelt. „Ich bin super happy“, sagt die 41-Jährige und blickt dabei ihrem Kind liebevoll in die Augen. Dass sie jemals ein Kind bekommen würde, war für die Düsseldorferin und ihren Partner keine Selbstverständlichkeit. „Zwei Jahre lang haben wir es auf natürlichem Wege versucht, dann war uns klar: Hier kann was nicht stimmen“, berichtet sie.
Damit begann für Mirjam und ihren Lebensgefährten eine Odyssee auf dem Weg zum Wunschkind. Zahlreiche Untersuchungen an ihr und ihrem Partner offenbarten schlussendlich die Gründe: Zu langsame Spermien bei ihm und eine Autoimmunerkrankung bei ihr, Antiphospholipid-Syndrom genannt, bei der das Immunsystem fälschlicherweise Antikörper gegen körpereigene Bestandteile bildet. Das Paar suchte eine Kinderwunschklinik auf, ließ sich beraten und entschied sich im Endeffekt für den Weg der medizinischen Kinderwunschbehandlung. „Wir haben dann eine Insemination durchführen lassen, bei der die Samenzellen meines Freundes direkt in meine Gebärmutter übertragen wurden“, berichtet Mirjam von ihren ersten Erfahrungen. Nachdem dieses Verfahren erfolglos war, habe sie sich einer Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion, kurz ICSI, unterzogen. Dabei wird eine einzelne Samenzelle mit einer feinen Nadel direkt in eine Eizelle injiziert, die Mirjam zuvor entnommen wurde.
Düsseldorferin verlor das Kind nach der ersten medizinischen Kinderwunschbehandlung
Dann, die gute Nachricht: Mirjam war schwanger. Aber nur bis zur achten Woche. Sie verlor das Kind wieder. Für das Paar jedoch kein Grund aufzugeben. Zwei weitere Versuche benötigte es, bevor Mirjam dann endlich ihr Wunschkind bekam – Marie.
Auch, wenn die Partnerschaft weiterhin besteht, sagt sie: „Die Schuldzuweisungen, die man sich macht, wenn es auf natürlichem Weg nicht klappt, sind weiterhin da. Das alles war für unsere Beziehung nicht ohne.“ Die Belastung der Finanzierung der Kinderwunschbehandlung kam dabei noch hinzu: „Uns geht es zwar finanziell nicht schlecht, wir sind aber auch nicht so gut situiert, dass wir uns das alles so locker leisten können“, sagt sie.
Pro Versuch zahlt das Paar aus Düsseldorf 6000 Euro
Die Finanzierung ist in Deutschland klar geregelt. Das Alter spielt dabei eine wichtige Rolle. Gesetzliche Krankenkassen übernehmen mindestens 50 Prozent der Kosten für bis zu acht Inseminationen und drei künstliche Befruchtungen, wenn die Frau zwischen 25 und 40 Jahre und der Mann nicht älter als 50 Jahre alt ist. Und: Das Paar muss verheiratet sein. Mirjam und ihr Lebensgefährte sind es nicht. Pro Versuch zahlten sie also die vollen 6000 Euro der Behandlung selbst: „Das ist ein Markt, auf dem mit Emotionen sehr viel Geld gemacht wird.“
Viele, die einen Kinderwunsch hegen, beantragen deshalb auch eine Förderung beim Land, die die 41-Jährige und ihr Partner jedoch ebenfalls nicht in Anspruch nehmen konnten, denn: Die Landeshilfe kann nicht nachträglich beantragt werden. Erst seit 2019 unterstützt das Land finanziell medizinische Kinderwunschbehandlungen von Paaren – Mirjam und ihr Partner waren aber bereits seit 2017 in Behandlung. Dabei hätten die beiden einen Anspruch auf die Förderung gehabt: Unterstützt werden Ehepaare und unverheiratete Paare mit Hauptwohnsitz in NRW bei den ersten vier Versuchen einer in NRW erfolgten künstlichen Befruchtung.
Düsseldorfer Arzt erklärt Gründe für ungewollte Kinderlosigkeit
Die Gründe für ungewollte Kinderlosigkeit sind vielfältig, sagt Prof. Jan-Steffen Krüssel, Leiter des Universitären Interdisziplinären Kinderwunschzentrums Düsseldorf gegenüber der deutschen Presseagentur. Bei Frauen seien es unter anderem Probleme mit der Funktionsfähigkeit der Eileiter oder Verwachsungen in der Gebärmutter. Bei Männern könne eine unzureichende Spermienkonzentration oder -qualität vorliegen. „Der Hauptgrund für einen unerfüllten Kinderwunsch ist jedoch das Alter der Frauen“, sagt Krüssel. Frauen, die sein Kinderwunschzentrum aufsuchten, seien im Schnitt 37,8 Jahre alt. Die Zahl aus Düsseldorf passt zur deutschlandweiten Statistik: Immer mehr Frauen hierzulande bekommen ihr erstes Kind im vierten Lebensjahrzehnt, wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. Im Jahr 2018 waren die Mütter von 48 Prozent der Erstgeborenen zwischen 30 und 39 Jahre alt.
NRW bewilligt 12.500 Anträge auf Kinderwunsch-Hilfe
Rund 12.500 Anträge auf finanzielle Unterstützung bei einer medizinischen Kinderwunschbehandlung wurden seit dem Start der Landeshilfen im Jahr 2019 positiv beschieden. Dies teilte NRW-Familienminister Joachim Stamp im Familienausschuss des Landtags mit. Das entspricht einer Quote von fast 93,3 Prozent. Von den restlichen 900 Anträgen sei ein Teil noch in Bearbeitung, weil etwa Dokumente fehlten.