An Rhein und Ruhr. Rheuma - und jetzt? Ärztliches Fachpersonal des St. Elisabeth-Hospitals in Meerbusch stand NRZ-Leserinnen und Lesern am Telefon Rede und Antwort.
Rheuma – das ist nicht eine einzige, klar definierbare Krankheit, sondern ein Oberbegriff, unter dem über 400 verschiedene Erkrankungen zusammengefasst sind. Und entsprechend schwierig und langwierig ist deshalb oft die Diagnose. Anlässlich des Weltrheumatags, der jedes Jahr am 12. Oktober den Blick auf diese hochkomplexe, chronische Krankheit richtet, an der Millionen von Deutschen leiden, haben drei Mediziner und eine Medizinerin des Rheinschen Rheumazentrums am St. Elisabeth-Hospital in Meerbusch-Lank am NRZ-Telefon Fragen von Leserinnen und Lesern beantwortet.
Hier eine Auswahl der zahlreichen Gespräche, die bei unserer Telefonaktion geführt wurden:
Frage: Ich bin 50 Jahre und treibe sehr viel Sport. Ich habe Arthrose und manchmal Schmerzen und Schwellungen an den Fingern und neuerdings auch an den Füßen, die in letzter Zeit schlimmer geworden sind. Wie kann man feststellen, ob das womöglich Rheuma ist?
Dr. Stefanie Freudenberg, Chefärztin der Klinik für Innere Medizin/Rheumatologie: Zuallererst: Es ist toll, dass Sie sportlich aktiv sind und sich viel und regelmäßig bewegen. Das ist bei Krankheiten aus diesem Bereich, ob es nun Arthrose oder Rheuma ist, gut und wichtig. Um Rheuma diagnostizieren zu können, müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden. Zum einen muss untersucht werden, ob und welche Art von Bewegungseinschränkungen und Gelenkschwellungen vorliegen. Röntgen- oder Ultraschallbilder geben da erste Erkenntnisse. Und dann ist ein Blutbild unverzichtbar, bei dem mehrere Werte einen Hinweis auf Rheuma geben können. Sie sollten dafür zuerst zu Ihrem Hausarzt gehen, der Sie bei entsprechenden Anhaltspunkten zu einem Rheumatologen überweist. Für uns Ärzte ist die Diagnose Rheuma oft wie ein Puzzle, das man sich aus vielen Teilen und Hinweisen zusammensetzen muss.
Frage: Bei mir wurde vor einigen Jahren rheumatoide Arthritis diagnostiziert. Mir wurde das Medikament MTX verschrieben, das ich mir einmal in der Woche gespritzt habe. Im Laufe der Zeit habe ich allerdings eine Art Antipathie dagegen entwickelt. Jetzt bin ich seit vier Monaten MTX-frei und fühle mich gut. Doch natürlich schwelt in mir die Angst, dass Gelenkschmerzen und Schwellungen wiederkommen. Kann ich auf Dauer auf MTX verzichten und wären homöopathische Mittel eine Alternative?
Dr. Freudenberg: Homöopathische und naturheilkundliche Mittel sind als ergänzende Medikamente bei Rheuma durchaus empfehlenswert. Als alleinige Alternative sind sie aber ungeeignet. Denn man muss bedenken: Rheuma ist eine chronische, entzündliche Erkrankung, das heißt, sie bleibt immer im Körper und muss in Schach gehalten werden. Da ist es schon gut, eine Basistherapie zu haben. Dabei kann es auch Phasen geben, in denen man keine Medikamente nehmen muss, aber die Krankheit kann sich eben auch jederzeit wieder zeigen. Und wenn Sie MTX nicht mehr nehmen möchten, könnten Sie mit Ihrem Arzt über die Einnahme von alternativen Medikamenten, wie beispielsweise Biologika sprechen.
Frage: Ich habe den Eindruck, dass meine rheumatischen Beschwerden im Frühjahr und Herbst – also dann, wenn die Natur erwacht und wieder vergeht – besonders stark sind. Wie lässt sich das erklären?
Dr. Freudenberg: Tatsächlich gibt es bei Rheuma keine Beweise für die Zusammenhänge zwischen Jahreszeiten und Beschwerden. Aber genauso wie Sie berichten recht viele Patienten über dieses Phänomen. Eine Erklärung dafür gibt es leider (noch) nicht, aber Sie sind wirklich nicht allein mit dieser Beobachtung.
Frage: Welche Ernährung ist gut bei rheumatischen Erkrankungen?
Dr. Tim Claßen, Chefarzt der Klinik für Orthopädische Chirurgie/Rheumatologie: Die Ernährung spielt eine große Rolle bei Rheuma. Am besten ist hier ein ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse und Obst sowie möglichst wenig Fleisch und tierischen Produkten. Es gibt aber mittlerweile viele passende Ernährungsbücher dazu, an denen man sich gut orientieren kann.
Frage: Ich nehme seit acht Jahren ein Cortisonpräparat für mein Gelenkrheuma. Jetzt habe ich von einem Biologikum gelesen, das gut helfen soll. Ist das besser als Cortison?
Dr. Claßen: Biologikum ist der Oberbegriff einer ganzen Wirkstoffgruppe, die sich ständig weiterentwickelt. Sie greifen stark ins Immunsystem ein und haben auch teils erhebliche Nebenwirkungen. Manchmal brauchen Patientinnen und Patienten fünf Präparate, bis sie ein passendes gefunden haben. Cortison hat auch Nebenwirkungen, die lassen sich aber in den Griff bekommen. Hier gibt es eine Grenze, wenn sie mit 5 Milligramm auskommen, ist das ein guter Kompromiss.
Frage: Als Rheumapatientin nehme ich das Medikament Metex. Ich möchte wissen, was ich zur weiteren therapeutischen Behandlung noch machen kann? Mehr Sport, andere Ernährung? Momentan habe ich wieder akute Probleme und mein Körper akzeptiert das Medikament nicht mehr.
Michael Metz, Oberarzt in der Klinik für Orthopädie und orthopädische Rheumatologie: Da müsste man die Medikation mal prüfen und schauen, ob es nicht alternative Medikamente für Sie gibt. Das hängt aber auch von Ihren Laborwerten und Ihrem allgemeinen Zustand ab. Insbesondere wenn Sie das Medikament nicht vertragen und wenn Sie Nebenwirkung von dem Medikament bekommen, sollten Sie schauen, ob es nicht andere therapeutische Maßnahmen für Sie gibt. Ob Sie Sport machen sollen, hängt ebenfalls davon ab, wie die Krankheitsaktivität bei Ihnen ist. Sport, Ergotherapie und gesunde Ernährung können sich auf jeden Fall unterstützend für die weitere Therapie auswirken.
Frage: Mein Lebensgefährte hat bald eine Lungenbiopsie vor sich. Sein Lungenfacharzt sagte ihm, dass er für die Biopsie eine Rheumaentgiftung machen soll. Er nimmt das Medikament Leflunomid. Als Alternative wurden ihm eine Art Aktivkohle-Medikamente vorgeschlagen. Ist das richtig?
Metz: Bei dieser Methode handelt es sich um das sogenannte Auswaschverfahren. Dabei wird das Medikament Leflunomid abgesetzt. Dass geschieht bei der Behandlung von Rheumapatienten, die eine Biopsie bekommen oder operiert werden, da Leflunomid Wundheilungs-Störungen verursachen kann. Es gibt dabei diverse Medikamente, die nach der Entgiftung in Frage kommen. Zum Beispiel Colestyramin, das eine Alternative zu Aktivkohle-Medikamenten ist.
Frage: Bei meinem 23-jährigen Sohn ist eine beidseitige rheumatische Entzündung der Kreuz-Darmbein-Gelenke diagnostiziert worden und er hat hier tiefe Rückenschmerzen. Er nimmt Diclofenac ein, aber es hilft nicht. Man hat ihm gesagt, das wäre das einzige, was man tun könnte. Stimmt das?
Prof. Dr. Stefan Vordenbäumen, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Rheumatologie: Vermutlich liegt bei Ihrem Sohn eine sogenannte axiale Spondyloarthritis oder eine Bechterew-Erkrankung vor. Wenn eine Therapie mit Diclofenac oder ähnlichen entzündungshemmenden Schmerzmitteln versagt, können moderne Medikamente eingesetzt werden, die gezielt und sehr effektiv die durch die Erkrankung verursachten Entzündungsprozesse blockieren können. Außerdem sollte begleitend immer eine physikalisch-therapeutische Behandlung durchgeführt werden, um Einsteifungen der Wirbelsäule vorzubeugen. Auch eine Beratung beispielsweise zu Lebensstil, Berufswahl und Ernährung sollte erfolgen.
Frage: Ich leide an mittelstarkem Rheuma und nehme zusätzlich zu meinen Schmerzmitteln seit einiger Zeit Kurkuma-Kapseln. Die helfen mir sehr gut und ich frage mich, darf ich das Schmerzmittel absetzen und schauen, wie es mir damit geht?
Vordenbäumen: Grundsätzlich ist eine Kombination aus Naturheilmitteln und Medikamenten üblich. Cortison sollten Sie nicht sofort absetzen, sondern schrittweise, zum Beispiel ein Milligramm pro Monat – und auch nicht ohne Absprache mit dem zuständigen Rheumatologen. Auch naturheilkundliche Mittel müssen dem Arzt mitgeteilt werden, da auch diese Nebenwirkungen haben können. Kurkuma selbst wirkt entzündungshemmend und das Risiko für Nebenwirkungen ist sehr gering. Sie sollten das auf jeden Fall weiter nehmen, wenn es Ihnen hilft.