Wesel. 4675 Pfeifen sorgen für im Willibrordi-Dom in Wesel für eine enorme Klangvielfalt – die bald beim „Orgelherbst am Niederrhein“ zu hören ist.

Das Haus hat drei Stockwerke, ist aufgeteilt in drei Haupträume – und steht mitten im Willibrordi-Dom in Wesel. Denn das imposante Bauwerk dient nicht etwa zum Wohnen, sondern zum Musizieren. Das Orgelhaus, das weiß auch Kreiskantor Ansgar Schlei, „ist ein Eyecatcher“. Allein aufgrund seiner Größe. 56 Register auf drei Manualen und Pedal finden hier Platz, noch eindrucksvoller klingt – im wahrsten Sinne des Wortes – aber eine andere Zahl: 4675 große und kleine Pfeifen sorgen für eine enorme Klangvielfalt. Dabei hatte das 2001 fertiggestellte Instrument anfangs nicht nur Befürworterinnen und Befürworter.

Die Geschichte des Orgelbaus im Willibrordi-Dom reicht natürlich noch viel weiter zurück, bis ins Jahr 1418. Über die Jahrhunderte hat sich allerdings einiges getan, 1895 entstand ein Orgelwerk im Westen der Kirche. Mit 80 Registern auf drei Manualen und Pedal galt sie damals als größte Orgel Westdeutschlands. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Instrument durch einen Bombenangriff zerstört, anschließend bekam die neue Orgel ihren außergewöhnlichen Platz im Chor. Bis heute ein echtes Aushängeschild, findet Schlei: „So kommt die Musik von vorne, das ist ein ganz anderes Hören.“

Von Renaissance bis Moderne

In den 1990er Jahren musste die Orgel erneuert werden. Und dass die Pfeifen in ein bestehendes Gehäuse aus Sandstein mit Stahlträgern eingebaut wurden, sorgte für einige Kritik. Das klinge doch nicht gut, sei schlecht für die Pfeifen. Schlei selbst war damals noch nicht dabei, er kam erst 2006 nach Wesel. Ein bisschen froh sei er schon darüber, gibt er zu und lacht. „Als ich hier anfing, haben viele direkt gefragt: Wie finden Sie die Orgel?“, erinnert er sich. Da war natürlich Diplomatie gefragt. Mittlerweile aber kann er sagen: „Ein paar Sachen würde man heute anders machen, aber das schmälert nicht den Gesamteindruck.“

Drei Manuale zählt die Orgel im Willibrordi-Dom in Wesel.
Drei Manuale zählt die Orgel im Willibrordi-Dom in Wesel. © FUNKE Foto Services | Markus Weissenfels

Von Renaissance bis Moderne, so ziemlich jedes Werk lässt sich auf der Orgel spielen. Das ist auch wichtig, betont der Kreiskantor. Denn klar, Kompositionen von Bach gehen immer. „Das ist für viele scheinbar das Maß aller Dinge, gerade für jüngere Leute“, erklärt er. Und doch möchte er auch andere Stücke spielen, vielleicht mal neuere oder einfach unbekanntere. „Wir haben ja einen gewissen Bildungsauftrag.“ Deshalb finden in Nicht-Corona-Jahren rund 30 Konzerte im Willibrordi-Dom statt. Auch wenn schon mal andere Instrumente erklingen, so steht im Zentrum natürlich immer die „Königin“.

Waldflöte, Trompete & Co.

Zum Bildungsauftrag gehört ebenfalls, Laien in die Komplexität der Orgel einzuführen. An einigen Tagen kommt eine Schulklasse vorbei, an anderen eine Redakteurin. Und Letztere würde nun doch gerne wissen, wie denn eigentlich dieses Instrument mit 4675 Pfeifen klingt. Dazu öffnet Schlei die Tür zum Spieltisch. In der Mitte befinden sich die Tasten der Klaviaturen, links und rechts die Knaufe der Register. Um die anfangs erwähnte Klangvielfalt zu unterstreichen, muss er gerade mal eine einzige Taste drücken. Je nach Register – Prinzipal, Waldflöte, Trompete & Co. – ist etwas scheinbar gänzlich anderes zu hören.

Ganz schön imposant! 4675 große und kleine Pfeifen sorgen für eine enorme Klangvielfalt der Orgel im Willibrodi-Dom in Wesel.
Ganz schön imposant! 4675 große und kleine Pfeifen sorgen für eine enorme Klangvielfalt der Orgel im Willibrodi-Dom in Wesel. © FUNKE Foto Services | Markus Weissenfels

Und so sitzt Schlei dann während des Gottesdienstes oder eines Konzertes mittendrin im Orgelhaus, zieht nicht alle und doch viele Register, lässt Luft durch die großen und kleinen Pfeifen pusten. Allerdings hat sein Arbeitsplatz auch einen Nachteil: Wenn die Gemeinde nur leise singt, bekommt er kaum etwas davon mit. Wenn ein Orchester spielt, muss er bei jedem Einsatz nach vorne rennen. Deshalb soll bald mithilfe von Spenden ein mobiler Spieltisch angeschafft werden, mit dem er als Organist viel flexibler ist. Dann kann er auch mal das große, imposante Haus verlassen.

>>> Die Orgel – das Instrument des Jahres

Die Orgel ist das Instrument des Jahres. Deshalb hören wir uns in unserer Serie mal in den Kirchen am Niederrhein um, wie unterschiedlich die eine oder andere „Königin“ klingen kann.

Im Willibrordi-Dom ist die Orgel eigentlich jedes Jahr das Instrument des Jahres. So findet immer im Oktober der „Orgelherbst am Niederrhein“ statt, ein internationales Orgelfestival.

Die Konzerte an der Dom-Orgel finden immer samstags um 19.30 Uhr statt, am 9. Oktober geht’s los. Der Eintritt ist frei. Weitere Infos gibt’s auf www.weseler-dommusik.de