An Rhein und Ruhr. Zwei Schwestern vom Niederrhein erzählen, warum sie sich nicht impfen lassen wollen und wie sie mit einer spürbaren Ausgrenzung umgehen.

Gabriele B. hat in den vergangenen Wochen einige Sprüche und schiefe Blicke ertragen müssen: „Ihr seid schuld an der Pandemie. Ihr solltet bezahlen, wenn ihr krank werdet.“ Ihr? Gabriele B. fühlt sich ausgegrenzt. Sie ist nicht geimpft. Sie will sich auch nicht impfen lassen. Aus Angst. Mit 26 ist sie an Leukämie erkrankt, hat zehn Chemotherapien hinter sich, Thrombozytopenie und fragt sich: „Wie gefährlich ist eine Impfung für mich? Mit welchen Nebenwirkungen muss ich rechnen?“ Vor ein paar Wochen hatte sie ihre Hausärztin gefragt: „Sie konnte es mir nicht beantworten“, sagt die Mitte-Fünfzigerin.

Vor Jahren habe ihr behandelnder Arzt nach der Chemotherapie in der Uniklinik davon abgeraten, sich nochmals impfen zu lassen. „Nach einer Grippeschutzimpfung ging es mir richtig schlecht“, eine Misteltherapie musste sie abbrechen. Noch heute spüre sie, dass ihr Körper geschwächt ist. Sie sei keine Impfgegnerin. Auch mit der Querdenker-Szene habe sie nichts zu tun. Aber genau in diese Ecke werde sie verstärkt gerückt. „Es sind viele Menschen an Corona gestorben. Ich bin keine Corona-Leugnerin. Ich verstehe jeden, der sich impfen lässt. Nur, ich kann mich nicht gegen mein gegen mein Bauchgefühl impfen lassen. Die Angst ist größer vor den Nebenwirkungen als dass ich an Corona erkranken würde“, sagt die Verwaltungsangestellte.

Auch interessant

Eine Angst, die auch durch ein Erlebnis in der Familie gewachsen ist, so sei ihre Mutter, die an rheumatoide Arthritis litt, vor Jahren nach einer Impfung gegen die Grippe und Lungenentzündung ins Koma. Auch ihre Schwester will sich nach diesen Erfahrungen nicht impfen lassen. Auch sie ist durch Thrombosenerkrankungen vorbelastet. Auch sie spürt den Druck von Teilen der Gesellschaft, der auf Menschen wie sie größer wird. Und dies nicht nur durch eine Diskussion in den Medien. „Wie, ihr seid nicht geimpft?“ Oder: „Bei uns kommt kein Ungeimpfter ins Haus“ – auch so ein Spruch, den beide in ihrem Umfeld öfter hörten. „Das Umfeld wünscht uns Corona so heftig, dass wir mit dem A....nicht mehr hochkommen sollten. Und wir seien asozial egoistisch und verantwortungslos den Geimpften gegenüber“, musste Gabriele B. und Viola S. schon einstecken. Von vermeintlich guten Bekannten, die sie seit Jahren kennen. Die Anfeindungen sind auch der Grund, warum wir die Namen anonymisieren.

„Keine Lohnfortzahlung ist heftig“

Es tue schon weh, so etwas zu hören, „ohne unsere Gründe zu hinterfragen“, sagt Viola S. Ihre Schwester nickt. „Ich weiß, dass es mir schlecht gehen kann, wenn ich an Corona erkranke. Aber das ist meine Entscheidung. Das Risiko trage ich. Ich habe es jetzt anderthalb Jahre geschafft, durch die Pandemie zu kommen, habe alle Regeln eingehalten, trage die Maske, obwohl meine Schleimhäute trocken sind und ich kaum Luft bekomme“, sagt sie.

Auch interessant

In den Lockdown-Monaten hat sie viel im Homeoffice arbeiten können, ist in der Freizeit viel in den Wäldern spaziert, „und wir sind auch ohne Shoppen und neue Klamotten gut durch die Zeit gekommen“, blicken die Schwestern zurück. „Wenn wir bald als Ungeimpfte nicht mehr in ein Restaurant dürfen, dann essen wir eben zu Hause“, sagen beide und schauen in den heimischen Garten in Wesel. Man müsse doch in der Diskussion beide Seiten sehen.

Viola S. bereitet sich darauf vor, sich in diesem Winter noch einschränken zu müssen und hofft, dass die Pandemie im Frühjahr vorbei ist, dann ein normaler Alltag ohne Impfausweis möglich ist. Im Kollegenkreis der Schwestern und auch in der Firma ihres Mannes seien gut 90 Prozent der Belegschaft geimpft, erzählt Gabriele B. „Aber die meisten von denen auch nicht, weil sie Sorge um ihre Gesundheit haben, sondern unkompliziert in den Urlaub wollten. Sie wollten ihre Freiheit zurück. Welche Freiheiten denn? Aufs Fliegen hätte man doch ein Jahr noch einmal verzichten können“, sagt Gabriele B. Sie findet es „unfair“, dass Arbeitnehmer ab spätestens November auf die Lohnfortzahlung verzichten müssen, sollten sie „unverschuldet“ in Quarantäne müssen. „Zwei Wochen kein Geld? Das ist heftig. Zumal die Arbeitnehmer doch auch seit Jahren Steuern zahlen. Für die Gemeinschaft“, findet sie.

Die Entscheidung sich impfen zu lassen, sollten alle „freiwillig, ohne Druck und Absicherung der Ärzte und Pharmaindustrie sein“ treffen können. Gabriele B. und Viola S. sind zuversichtlich, durch den bevorstehenden Winter zu kommen. Ohne Impfung.