Grieth. Auch in Kalkar waren die Helfer des RhineCleanup 2021 unterwegs. Thomas Verfürden erinnert sich noch gut an seine Kindheit - und den vielen Müll.

Eine dichte Wolkendecke zieht über Grieth. Der idyllische Kalkarer Ortsteil am linken unteren Niederrhein wirkt nahezu menschenleer. Lediglich auf dem schmalen Parkplatz zwischen Rheintor und Griether Fähre hat sich an diesem nasskalten Samstagmorgen eine Handvoll Helfer versammelt. Eine von ihnen: Birgit Mosler, Mitglied im Griether Förderverein. „Wir warten noch ein paar Minuten, dann geht´s los.“ Sie selbst könne in diesem Jahr nicht mit anpacken. „Ich muss mich um unser Hanselädchen kümmern“, erklärt Mosler. Trotzdem sei sie dankbar für jede Unterstützung.

Kurz darauf fährt Karin Max mit ihrem Rad durch das Rheintor. Im Gepäck: ein Karton mit Handschuhen und blauen Müllsäcken. „Greifzangen habe ich diesmal leider nicht für euch dabei“, sagt die Mitarbeiterin der Stadt Kalkar. Hans-Jürgen Raß und Thomas Verfürden nehmen den Karton vom Gepäckträger und stopfen sich einige Reservetüten in die Jackentaschen. Dann ziehen die beiden Männer los – flussabwärts den Rhein entlang.

2018 initiierte NRZ-Ombudsmann Joachim Umbach zusammen mit Ingo Lentz und Thomas de Groote das Projekt RhineCleanup (zu Deutsch etwa: Rhein-Säuberung). Das Ziel: Den Fluss von der Quelle in der Schweiz bis zur Mündung bei Rotterdam vom Müll befreien. Zehntausende ehrenamtliche Unterstützer beteiligen sich seitdem an der Aktion – darunter Helferinnen und Helfer aus Liechtenstein, Luxemburg, Frankreich, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz. Im Laufe der Jahre wurde das Projekt auf zahlreiche Neben- und Zuflüsse ausgeweitet. 2020 feierte die Ruhr ihre Premiere.

RhineCleanup: Mit vielen kleinen Schritten zum Erfolg

„Zum ersten Mal fallen RhineCleanup und der Kalkarer CleanDay in diesem Jahr auf ein und denselben Tag“, sagt Mosler. Im gesamten Stadtgebiet seien freiwillige Unterstützer unterwegs, die die Straßen und Grünflächen von Plastikflaschen und Verpackungen befreien. Das sei vermutlich auch der Grund, warum die Resonanz beim RhineCleanup in Grieth diesmal etwas geringer ausgefallen ist. „Die Griether gehen aber auch so schon mal den Rhein entlang und sammeln Müll ein“, so Mosler. Auch der Bauhof und die Landwirte entlang des Deichvorlands hätten nach dem Hochwasser vor einigen Wochen fleißig mit angepackt.

Thomas Verfürden (r.) und Hans-Jürgen Raß präsentieren beim RhineCleanup im Kalkarer Stadtteil Grieth ihre eingesammelten Abfälle.
Thomas Verfürden (r.) und Hans-Jürgen Raß präsentieren beim RhineCleanup im Kalkarer Stadtteil Grieth ihre eingesammelten Abfälle. © Dennis Freikamp

Rund einen Kilometer entfernt läuft Hans-Jürgen Raß mit aufmerksamem Blick die Sand- und Kiesbänke ab. „Ich bin zum zweiten Mal dabei. Es gab damals einen Aufruf in unserer Firma“, sagt der Sparkassen-Mitarbeiter aus Bedburg-Hau. „Ich fand die Idee gut. Außerdem würde ich sonst am Wochenende sowieso am Rhein spazieren gehen.“ Der 49-Jährige greift nach einem Stofffetzen, der sich in einem Gebüsch verfangen hat und öffnet seinen halbvollen Müllsack: eine Chipstüte, Plastikflaschen, ein Café-Becher, Trinkpäckchen – sogar einen verwitterten Auto-Lautsprecher hat Raß am Flussufer entdeckt.

Dass er allein nicht die Welt verändern könne, sei ihm völlig bewusst. „Aber vielleicht kann ich bei anderen das Bewusstsein dafür schärfen, wie viel Dreck am Rhein liegt.“ Raß bückt sich nach einem Feuerzeug. „Das sind alles kleine Schritte, aber wenn wir viele kleine Schritte machen, kommen wir vielleicht irgendwann ans Ziel.“ Man dürfe nur nicht erwarten, dass sich das Problem von heute auf morgen aus der Welt schaffen lasse. „Das dauert seine Zeit“, so der 49-Jährige. „Die Frage ist nur, wie viel Zeit wir noch haben.“

Helfer Thomas Verfürden: „Der Rhein war eine Müllkippe“

Thomas Verfürden beteiligt sich bereits zum dritten Mal am RhineCleanup. „Ich bin in Grieth geboren, bin noch nie aus Grieth weggewesen. Deshalb ist mir der Rhein ans Herz gewachsen.“ Mit Schulfreunden habe er als Kind regelmäßig am Fluss gespielt. „Damals konnte man vom Ufer aus noch nicht mal bis zum Boden sehen“, erzählt Verfürden. „Der Rhein war in den 70ern eine Müllkippe. Wer das nicht gesehen hat, kann sich das gar nicht vorstellen.“ Mittlerweile habe sich in und um den Fluss einiges getan. Auch deshalb, weil das Abwasser aus der Industrie nicht mehr ungefiltert in den Rhein fließe.

Verfürden und Raß laufen an diesem Samstag insgesamt drei Kilometer ab. Letzte Station ist der Aalschokker von Rudi Hell. In den Netzen des am Griether Rheinufer liegenden Fischerbootes würden sich regelmäßig große Mengen Plastikmüll und allerlei Unrat verfangen, erzählt Verfürden. Eine letzte Kontrollrunde das schmale Rheinufer entlang, dann geht es zurück zum Startpunkt gegenüber der Rheinfähre.

Die Bilanz des Tages: Vier halbvolle Mülltüten und ein vergammelter Anglersitz. „Wir haben diesmal nicht so viel gefunden wie in den vergangenen Jahren“, sagt Verfürden. „Ich tippe, das hat was mit dem Hochwasser zu tun.“ Die Fluten hätten wahrscheinlich einen Großteil des weggeworfenen Mülls mitgerissen und weiter Richtung Flussmündung getragen. Trotzdem sind die beiden zufrieden mit ihrem Einsatz. Spätestens im kommenden Jahr wollen sie wieder mit anpacken - und den Rhein von Plastik, Trinkpäckchen und allerlei weggeworfenem Müll befreien.