Geldern. Mattez Deckers organisiert das erste Streetart & Graffiti Festival „Paint on Walls“ in Geldern. Das Konzept: Kunst, Musik und Festivalfeeling.

Mattez Deckers schiebt das Sofa beiseite und entfernt die letzte Folie von der Wand. Damit gibt er den Blick frei auf pinke Farbtropfen, geometrische Muster und das großformatige Portrait einer Frau mit lila Haaren. „Das ist Uschi“, sagt der Künstler. Auf ungläubiges Nachfragen erklärt er: „Alle meine Figuren bekommen Namen.“ Und er hat schon viele Figuren gemalt – auf Häuserfassaden, Garagentore oder auch Zimmerwände. Der 38-Jährige ist Streetartist und plant nun das nächste, große Ding: das erste Streetart & Graffiti Festival „Paint on Walls“ in Geldern.

Mattez hat vorab in sein Atelier eingeladen. Wir sind direkt beim Du, Siezen passt einfach nicht in die Szene. „Kaffee oder Tee?“, fragt er. Kaffee bitte. „Dann setz dich doch schon mal die Kaminecke.“ Die Ecke besteht aus gemütlichen Ledersofas und einem riesigen Wandbehang mit Kaminbild. Während der Gastgeber Filterkaffee aufsetzt – „die Kaffeepads sind aus, deshalb jetzt ganz oldschool“ – gerät er direkt ins Plaudern. Mit 14 Jahren fing bei ihm alles an. Damals, als die deutsche Rap-Welle auch über ihn schwappte und ihn mitriss. „Das war eine ganz Subkultur mit Djing, Beatboxen und Graffiti“, erzählt er.

Selbstständiger Graffitikünstler

Zusammen mit einem Freund schnappte sich Mattez irgendwann selbst eine blaue Haarspraydose, um sein erstes Graffito an eine Brücke zu sprühen. Richtig rebellisch fühlte er sich dabei. „Das war höchst kriminell“, sagt er und lacht. Ganz so aufregend wäre es vielleicht nicht gewesen, wenn ihm jemand von der Wasserlöslichkeit der Farbe erzählt hätte… Später experimentierte er mit Spraydosen aus dem Maler- und Lackierbetrieb seines Vaters herum, probierte immer mehr raus. Bis er dann 2013 den Familienbetrieb übernahm und ihm keine Zeit mehr für sein Hobby, für seine Kreativität blieb.

Am 14. und 15. August findet zum ersten Mal das Streetart & Graffiti Festival „Paint on Walls
Am 14. und 15. August findet zum ersten Mal das Streetart & Graffiti Festival „Paint on Walls" in Geldern statt. © FUNKE Fotos Services | Rainer Hoheisel

Sechs Jahre hielt Mattez das Chef-Sein durch. „Bis ich Burnout hatte.“ Er stieg aus, versuchte erst einmal gesund zu werden. Und machte sich dann Gedanken, wie es nun weitergehen sollte. „Ich war lost“, gibt er offen zu. Auf der Suche nach einem Plan traf er zufällig einen alten Freund, dem er einst seine erste Spraydose in die Hand gedrückt hatte. Und der ihm nun, zehn Jahre später, erzählte: „Ich bin selbstständiger Graffitikünstler.“ Das kann ich doch auch, dachte sich Mattez. Also wagte er den Schritt und gründete gemeinsam mit sechs anderen Kunstschaffenden eine Ateliergemeinschaft.

Disney-Bilder auf der Wand

„Das war die beste Entscheidung meines Lebens“, sagt der 38-Jährige heute. In den vergangenen Monaten hat er schon zahlreiche Aufträge erhalten. Von Privatleuten, die sich Elsa & Co. auf einer Wand des Kinderzimmers wünschten. „Ich habe schon alle Disney-Charaktere durch.“ Aber auch von Großkunden, die einen 600 Meter langen „Fietstunnel“ verschönern lassen wollten. Ein Viertel seiner Kundschaft kommt übrigens aus dem Nachbarland. Eine Erklärung dafür hat er auch direkt parat: „Die Niederländer sind da weiter als wir.“

Mattez Deckers ist Streetartist aus Geldern.
Mattez Deckers ist Streetartist aus Geldern. © FUNKE Fotos Services | Rainer Hoheisel

Erst langsam, ganz langsam, setzt sich die Wertschätzung von Graffiti auch in Deutschland immer weiter durch. „Wir malen auch Bilder – nur dass wir keine Pinsel, sondern Spraydosen benutzen“, hält Mattez fest. Das ist mitunter auch ein Grund, weshalb ihm die Idee zu einem Streetart & Graffiti Festival kam. Denn während der alljährliche Straßenmalwettbewerb in Geldern längst zur Tradition geworden ist, hat es mit dem Einbeziehen von Streetartists bislang nie so richtig geklappt. Das aber soll sich nun mit „Paint on Walls“ ändern.

21 Streetartists an 21 Wänden

21 Streetartists aus verschiedenen Ländern haben das ganze Wochenende Zeit, 21 Wände mit ihren Kunstwerken zu besprühen. Interessierte können ihnen dabei zuschauen, können auf einem der Sitzsäcke Platz nehmen und nebenbei der „chilligen“ Musik eines DJ-Duos lauschen. Das „entspannte Beisammensein“ ist Mattez besonders wichtig zu betonen. „Es soll so gemütlich wie möglich werden.“ An mehreren Ständen gibt’s zudem Getränke und Speisen von lokalen Anbietern, an einem Bauzaun dürfen Kinder selbst mal mit Sprühdosen hantieren.

Klingt nach einem großen Ding, wahrhaftig. Noch sitzt Mattez zwar ganz entspannt auf dem Ledersofa und trinkt seinen Kaffee, doch eine gewisse Aufregung und Vorfreude ist ihm anzumerken. Kein Wunder, immerhin hat er fast zwei Jahre an dem Konzept gearbeitet. Aber was hat er denn nun selbst geplant? Nicht als Organisator, sondern als Künstler? Mattez schüttelt den Kopf. Ne, das wird an dieser Stelle nicht verraten. „Dafür muss man schon selbst kommen und gucken.“

>>> „Paint on Walls“ in Geldern

Das Streetart & Graffiti Festival „Paint on Walls“ findet am 14. und 15. August auf dem Parkplatz an der Hülser-Kloster-Straße in Geldern statt. Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen sind auf Instagram (@paintonwallsfestival) oder Facebook (@Paint On Walls Festival) zu finden.

Der Straßenmalwettbewerb in Geldern fällt coronabedingt in diesem Jahr ein weiteres Mal aus, zwei Straßenmaler machen aber auch bei „Paint on Walls“ mit. In Zukunft sollen beide Veranstaltungen eng zusammenwachsen.