Kreis Euskirchen. Zwei Wochen nach der Flutkatastrophe kämpfen die Menschen im Kreis Euskirchen noch immer mit den Folgen. 10.000 Haushalte sind hier betroffen.

Was ihnen geblieben ist, das steht im Gästezimmer, in dem es wie im ganzen Haus muffig riecht, ein schlammverkrusteter Herd, eine Espressomaschine, eine Buddha-Figur, es sind die Reste dessen, was ein Leben angehäuft hat. Und doch. Sie haben überlebt.

Zwei Wochen nach der Katastrophe ist für Heike Arndt und ihren Sohn Hagen noch immer nicht wirklich fassbar, was da in dieser fürchterlichen Nacht über sie hereingebrochen ist. „Man ist komplett im Hier und Jetzt“, sagt Heike Arndt.

Die Urftseestraße in Gemünd, einem Stadtteil von Schleiden im Kreis Euskirchen in der Eifel. Die Stadt mit ihren 13.000 Einwohnern ist eines der Epizentren der Flutkatastrophe. Zwei Wochen danach ist vieles aufgeräumt, die Spuren sind aber noch überall sichtbar.

Beim alten Feuerwehrturm türmen sich Schuttberge

Hinter der Bushaltestelle am Sturmiuspark liegt ein gutes Dutzend Autowracks, auf dem Pont-l’Abbé-Platz bei dem alten Feuerwehrturm türmen sich die Schuttberge mit zerfetzten Holzbalken, Steinen, zerknautschten Waschmaschinen, ein fauliger Geruch liegt in der Luft. Ein Bagger holt Unrat aus der Olef, einem Flüsschen, das vor zwei Wochen zu einem reißenden Fluss wurde.

Zerstörte Autos auf einem Platz in Schleiden.
Zerstörte Autos auf einem Platz in Schleiden. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Das Trinkwasser müssen sie hier immer noch abkochen, immerhin gibt es wieder Strom. Im Stadtteil Gemünd, dort wo Olef und Urft zusammenfließen, war es besonders schlimm. In der Urftseestraße im Viertel Malsbenden ist nahezu kein Haus verschont geblieben. Einige liegen komplett in Trümmern.

Das letzte Haus in der Straße ist das von Heike und Hagen Arndt. Es ist das Elternhaus von Frau Arndt, errichtet im Jahr 1976, und ob es überhaupt noch bewohnbar ist, müssen Gutachter in den kommenden Wochen klären. Die Urft fließt nur wenige Meter entfernt vom Grundstück. „Hochwasser war hier immer ein Thema, wir haben drei Pumpen im Keller“, erzählt Heike Arndt auf der Terrasse ihres Hauses, in dem das Erdgeschoss völlig zerstört und nahezu leergeräumt ist. Kein Estrich, keine Fliesen, keine Teppiche, es ist ein Rohbau.

Sie kennt brutale menschliche Schicksale

Sie ist 53, arbeitet in der Flüchtlingshilfe, sie kennt brutale menschliche Schicksale. Was ihr und ihren Nachbarn geschehen ist, treibt ihr dennoch immer wieder Tränen in die Augen. Mittwochnacht vor zwei Wochen hatten die Pumpen keine Chance. Es hatte seit Dienstag geregnet, kontinuierlich, das Wasser stieg über die Ufer, langsam erst, über den Radweg, dann auf das Grundstück, aber Heike Arndt war nicht sonderlich beunruhigt.

Die Schäden in Schleiden sind unübersehbar.
Die Schäden in Schleiden sind unübersehbar. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Das änderte sich in der Nacht, als sie ihren Kater Salem im Erdgeschoss laut miauen hörte. Da war das Erdgeschoß schon vollgelaufen, kniehoch. Heike Arndt rettete den Kater und ihre Hündin Latina ins Obergeschoss. Dann blieb nur banges Warten.„Um vier Uhr morgens hatte ich Angst, dass das komplette Haus wegknickt und habe einer Freundin in Freiburg geschrieben, und sie gebeten, sich um meine Mutter zu kümmern, falls Hagen und ich weg sein sollten.“ Die Nachricht erreichte die Freundin am Sonntag nach der Katastrophe. Das Mobilfunknetz funktionierte tagelang nicht. Am nächsten Tag verschwand das Wasser, es blieb der Gestank nach Öl, Benzin, Fäkalien, es blieben die Trümmer der Existenzen der Menschen. Es kam die Trauer.

26 Todesopfer im Kreis Euskirchen

„Wir haben mit Nachbarn zusammengestanden und uns darüber gefreut, dass wir wenigstens alle überlebt haben, und da sagte einer, nicht alle hätten überlebt, dass der Heinz tot ist.“ Heinz, ein Rentner. Die junge Abiturientin, die früher zusammen mit Hagen in die Schule gegangen war. Der junge Bekannte von Hagen, der im reißenden Strom von einem Schild tödlich getroffen worden war, und dessen Freundin seine Leiche vier Stunden festhielt. Die Eltern der Pizzeria-Betreiber, die in ihrem Auto starben. 26 Todesopfer gab es im Landkreis Euskirchen insgesamt zu beklagen.

So groß der Schock und die Verwüstungen waren, so überwältigend war die Hilfe in der Not. Fünf Tage halfen Menschen den Arndts dabei, ihr Haus leerzuräumen, bis zu acht Stunden jeden Tag, immer bis zu sechs Helfer, und es wären mehr gewesen, wenn Hagen nicht manche weggeschickt hätte. „Das war unbeschreiblich“, sagt Heike Arndt.

Der Familie droht der nächste Schicksalsschlag

Auch an diesem Dienstag fahren Helfer am Haus vorbei, verteilen Kaffee und Lebensmittel. Sie und ihr Sohn wohnen jetzt in Schleiden im Haus ihres Ex-Mannes, und ihnen droht der nächste Schicksalsschlag. Ihr Ex-Mann ist im Dezember pflegebedürftig geworden, um die Pflegekosten zu bezahlen, soll das Haus verkauft werden, in dem sie und ihr Sohn untergekommen sind. „Am Freitag war eine Gutachterin da und hat das Haus geschätzt. Auf der einen Seite ist die Menschlichkeit so groß. Auf der anderen Seite ist man nur eine Nummer“, sagt Frau Arndt.

Etwa 10.000 Haushalte sind allein im Kreis Euskirchen von der Katastrophe betroffen, schätzt Rolf Schneider, Geschäftsführer des Caritasverbandes für die Region Eifel. Der Verband ist selbst von der Katastrophe betroffen, die Zentrale muss in den nächsten Tagen evakuiert werden, weil sie schwer beschädigt ist. Seit dem vergangenen Freitag haben sie 280.000 Euro Nothilfe an Hilfsbedürftige verteilt, über ein einfaches Formblatt kann diese Hilfe beantragt werden. Über 110 Familien haben das bereits getan.

Frau Arndt bekommt jetzt 5000 Euro aus diesem Hilfstopf. Sie hat nicht alles verloren, es ist ihr Kleidung geblieben „und ich muss nicht von fremden Tellern essen“, sie braucht das Geld für Möbel, Elektrogeräte, eine Waschmaschine, einen Trockner. Und sie wünscht sich ein Waffeleisen. „Ich brauche jetzt eine Waffel, dick bedeckt mit Puderzucker“, sagt sie, und muss selbst ein wenig lachen.

Spendenaktion für Flutopfer

Hier können Sie spenden:

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  • Verwendungszweck: Funke hilft - CY00899