An Rhein und Ruhr. Vor 75 Jahren wurde die erste NRZ gedruckt. Wie das heute abläuft, kann man Abend für Abend im Hagener Druckhaus erleben.

Der 12. Juli 1946 ist für die NRZ ein ganz besonderes Datum. Heute vor genau 75 Jahren wurde im Druckhaus in Essen, errichtet auf den Trümmern eines ausgebombten Verlagshauses in der Sachsenstraße, die erste NRZ-Ausgabe gedruckt, die Sie hier nachlesen können. Vier Seiten erschienen dann am 13. Juli. Die Zeitung wurde den Boten und den Verkäufern aus den Händen gerissen. Die Menschen gierten nach Nachrichten.

Dietrich Oppenberg hatte von den Briten die Lizenz zur Herausgabe einer Zeitung bekommen. Er war ein Verfolgter des Nazi-Regimes, hatte in Gestapo-Haft gesessen und stand der SPD nahe. Man kann sich gut vorstellen, mit welcher Spannung Oppenberg und die gesamte Belegschaft an jenem Abend versammelt waren, um die erste Ausgabe druckfrisch aus der Rotation entgegenzunehmen.

Und anschließend gab es eine kleine Feier in den Essener Theaterstuben (siehe Foto). Für uns war dieses Jubiläum der Anlass für einen Besuch im modernen Druckhaus in Hagen, wo in der vergangenen Nacht die NRZ gedruckt wurde. Und auch heute wieder gedruckt wird. Und morgen. Und übermorgen. Was würden unsere Gründerväter staunen…

Vier Druckplatten für jede Seite – damit alles schön bunt wird

Haben Blattmacherinnen und Blattmacher Schluss und die Redaktionen leeren sich, fängt der Betrieb im Hagener Druckhaus gerade erst an. Andreas Bührig, Rotationsleiter des Druckhauses führt durch die großen Hallen mit gewaltigen, metallenen Gerätschaften.

Der Abend des 12. Juli 1946: Feier der NRZ-Erstausgabe: in den Essener Theaterstuben. Links neben dem Kerzenleuchter ist Dietrich Oppenberg zu sehen. Mit am Tisch: Oberbürgermeister, Oberstadtdirektor, die Essener Beigeordneten und Vertreter der britischen Pressekontrolle. Die damalige Erstausgabe vom 13. Juli, ganze vier Seiten stark, können Sie unter www.nrz.de/erstausgabe nachlesen.  Foto: NRZ-ArchIV
Der Abend des 12. Juli 1946: Feier der NRZ-Erstausgabe: in den Essener Theaterstuben. Links neben dem Kerzenleuchter ist Dietrich Oppenberg zu sehen. Mit am Tisch: Oberbürgermeister, Oberstadtdirektor, die Essener Beigeordneten und Vertreter der britischen Pressekontrolle. Die damalige Erstausgabe vom 13. Juli, ganze vier Seiten stark, können Sie unter www.nrz.de/erstausgabe nachlesen. Foto: NRZ-ArchIV © Unbekannt | Unbekannt

Ihren Zweck kann man im ruhigen Zustand nur erahnen. „Im vergangenen Jahr haben wir noch weitere Maschinen aus dem aufgelösten Essener Druckhaus übernommen“, erklärt er. Die Produktionsstätte im Hagener Gewerbegebiet musste noch vergrößert werden.

Doch bevor die Walzen in Bewegung kommen, führt der Weg in eine Art Schaltzentrale, eine Etage über dem Geschehen. Ein Büroraum mit vielen Computern, der Druckereileitstand genannt wird. „Die Zeitung wird uns digital übermittelt, das kann von Essen nach Hagen schon um die zehn Minuten dauern“, sagt Stefan Mertineit, der an diesem Abend alles koordiniert. Sind die Daten einmal da, beginnt sofort die Beschichtung der Druckplatten. „Wir sind mit den Mitarbeitern an der Belichtung in direktem Austausch, geht etwas schief, können wir direkt eingreifen“, erklärt er seine Arbeit.

Mattgraue Aluminiumplatten laufen über ein Fließband in eine Anlage ein. Durch einen hochauflösenden Laser werden die Seiten in den Druckfarben Cyan, Magenta, Gelb und Schwarz auf die Druckplatte übertragen. Gibt es von jeder Zeitungsseite vier Platten, werden sie über ein Fließband ins Erdgeschoss gefahren und in die Rotationsmaschine eingebaut. Damit die NRZ am Ende schwarz, grün und bunt erscheint, müssen die einzelnen Platten jeweils ganz in Farbe getaucht werden. Durch die spezielle Beschichtung bleibt nur an der vom Laser übertragenen Stelle Farbe hängen, am restlichen Aluminium perlt es ab. Dafür braucht es jedoch jeden Abend ein paar Ausgaben, bis die Farbe bleibt, wo sie sein soll. „Wer an seiner Zeitung schon mal schwarze oder bunte Schlieren entdeckt hat, kann sich sicher sein, eine der ersten Zeitungen erhalten zu haben“, erklärt Rotationsleiter Bührig.

Nacht für Nacht muss die Druckhaus-Crew flexibel agieren

Bis der wirkliche Andruck beginnt, bleiben noch ein paar Minuten, Zeit genug, in den Keller zu laufen. Hier lagern unzählige Rollen Papier, je eineinhalb Meter hoch. Hochgestapelt bis an die Hallendecke. Ca. 25.000 Zeitungen lassen sich mit einer dieser Rollen drucken. 75.000 Ausgaben der NRZ jede Nacht.

Sichtkontrolle: Ist der Druck gelungen, geht die Zeitung zigtausendfach raus in die Region.
Sichtkontrolle: Ist der Druck gelungen, geht die Zeitung zigtausendfach raus in die Region. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Was macht den Job im Druckhaus aus? „Es ist ein sehr intensiver und spannender Beruf. Jeden Tag müssen wir flexibel agieren“, erklärt Bührig. „Passiert etwas Außergewöhnliches in der Welt, hat das einen direkten Einfluss auf unseren Job, und wir sind ein Teil des Geschehens.“ Seine Begeisterung für den Beruf und sein Team sind sichtbar, doch die Digitalisierung birgt Unsicherheiten.

Ein bisschen Angst vor der Zukunft habe er schon, räumt Bührig ein. Zurück ins Erdgeschoss zu den Maschinen. In einem langgezogenen Kabinenraum stehen Männer an Tischen mit großen Bildschirmen. Manche haben sich Butterbrote und kleine Snacks mitgebracht, um sich durch die lange Nacht zu helfen. Es geht zu wie in einem Bienenstock. Auf den Monitoren lassen sich die Zeitungsseiten erkennen, parallel fangen die Maschinen an zu rotieren, werden laut und röhrend und transportieren die ersten Ausgaben des Abends durch ein Fließband in eine Tonne im Kontrollraum. Immer wieder laufen die Männer zu den Druckern, schauen nach Einstellungen oder ziehen einzelne Ausgaben heraus und kontrollieren sie wiederum an ihrem Platz.

Bührig fischt eine Zeitung aus der Tonne – die ersten Exemplare zeigen die von ihm beschriebenen Schlieren. Ansonsten sieht die erste Ausgabe des Abends, die Düsseldorfer NRZ, gut aus. Der Druck kann weitergehen. An der Decke fliegen verschnörkelte Bahnen mit Zeitungen über die Köpfe hinweg bis zur anderen Seite der Halle. Ein langer Wegweiser in die Versandstation bis an die frische Luft. Sie laufen in eine Zählmaschine, werden automatisch verschnürt und fließen dann über ein Band durch eine Luke nach draußen.

An verschiedenen Punkten stehen Mitarbeitende, korrigieren, greifen ein oder heben Zeitungsstapel. Ein Mitarbeiter reckt sich und stochert mit einem Stock in einem Auffangnetz in Zeitungen herum bis sie auf den Boden fliegen. „Manche Zeitungen werden in der Maschine aussortiert, weil sie nicht fehlerfrei sind. Da kann es leichter sein, händisch einzugreifen, bevor die Maschine harkt,“ erklärt Andreas Jaskolka.

Alle Mitarbeiter in einem Boot - nicht nur beim Drachenbootrennen

Er ist schon lange dabei, seit 30 Jahren ist er im Druckhaus tätig. „Ich erinnere mich noch an das Drachenbootrennen in Rheinberg“, erzählt der Mitarbeiter. „Da saßen alle von der NRZ in einem Boot“, erinnert er sich – drei Jahrzehnte Druckhaus und Zeitungsgeschichte. Die Printauflage sei sichtbar gesunken, erklärt er. „Die NRZ schlägt sich aber besser als die Konkurrenz“, meint er mit einem Augenzwinkern. Sein Arbeitsweg habe ihm aber früher deutlich besser gefallen. „In Essen konnte ich zum Druckhaus laufen, jetzt fahr ich jede Nacht mit dem Auto nach Hagen“.

Dann muss er zurück an die Arbeit. Die Zeitung ist nun gedruckt, gebündelt und nach den passenden Revieren vorsortiert. Aus der künstlichen Helligkeit der Hallen fließen die verschieden großen Zeitungsstapel in die Nacht hinaus.

Die ersten Sprinter stehen schon bereit, mit offener Luke direkt vor dem Ende des Fließbands. Männer unterhalten sich laut, auch auf dem Parkplatz ist es wuselig. Die Fahrer laden ein und bereiten die Fahrzeuge vor. Jetzt geht’s für die NRZ aus Hagen an den Niederrhein und ins Ruhrgebiet.