An Rhein und Ruhr. Die Brailleschrift ermöglicht blinden Menschen das Lesen. Die Viersenerin Trixi Droßard erklärt wie es geht und welche Tools es sonst noch gibt.

Die meisten Leserinnen und Leser dieser Zeitung sehen die Nachrichten schwarz auf weiß. Buchstaben, die sich zu Wörtern und Sätzen zusammenfügen. Wenn Trixi Droßard liest, dann erfühlt sie Buchstaben, Worte und Zahlen oder lässt sich die Neuigkeiten und Geschichten vorlesen. Schon von Geburt an litt die Viersenerin an grauem Star, wurde als Baby operiert. Später kam grüner Star dazu, ihre Sehkraft lässt peu a peu nach, bis sie mit 14 dann erblindet. Unterstützung bekam sie seitens der Familie. „Meine Mutter ist auch blind, deswegen bin ich selbst nicht in ein tiefes Loch gefallen“, erklärt die heute 37-Jährige.

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In der ersten und zweiten Klasse lernte sie noch mit ihren sehenden Mitschülerinnen und Schülern lesen. „In der dritten und vierten Klasse saß ich dann schon ganz vorne vor der Tafel, um etwas erkennen zu können“ erzählt Droßard. Der Prozess gab ihr die Möglichkeit sich auf die Erblindung vorzubereiten. „Ich habe schon mit neun Jahren die Brailleschrift gelernt. Meine Mutter kaufte mir eine Fibel, mit der ich selbst üben konnte.“

Lesen ohne Augenlicht: Wer die Brailleschrift lesen will braucht Fingerspitzengefühl

Trixi Droßard lässt sich durch ihren Screenreader ihren Bildschirminhalt wiedergeben.
Trixi Droßard lässt sich durch ihren Screenreader ihren Bildschirminhalt wiedergeben. © Trixi Droßard

Um als blinder Mensch lesen zu können muss man sich auf sein Fingerspitzengefühl verlassen. Das Grundgerüst der Brailleschrift besteht aus sechs möglichen Punkten, in drei Zweierreihen angeordnet. Die Schriftzeichen sind aus kleinen, erhabenen Punkten zusammengesetzt, die von der Rückseite aus in das Papier gedrückt sind und so von Lesenden erfühlt werden können. Durch die Kombinationsmöglichkeiten lassen sich alle kleinen Buchstaben des lateinischen Alphabets samt Umlauten und Satzzeichen darstellen. Großbuchstaben und Zahlen werden durch ein extra „Großschreibzeichen“ bzw. „Zahlenzeichen“ davor als solche gekennzeichnet.

„Im Unterricht übt man anfangs sehr intensiv das Tasten, um die Finger für das spätere Lesen der Brailleschrift zu sensibilisieren“, erklärt Droßard, die als Lehrerin an der LVR-JohanniterschuleDuisburg Förderschwerpunkt Sehen unterrichtet. Viele der Kinder und Jugendlichen sind blind oder sehbehindert auf die Welt gekommen, „Die meisten können besser sehen als ich“, meint Droßard. „Manche auch besser lesen“, ergänzt sie lachend. Auch bei den Schülerinnen und Schülern gibt es Lesebegeisterte und Lesemuffel. „Manche lesen super gerne und andere vertauschen noch in der achten Klasse E und I“, zwei Buchstaben, die sich in den Braillepunkten spiegeln.

Screenreader übersetzen blinden Menschen digitale Inhalte

Doch Papier ist nicht alles. Schon seit einigen Jahrzehnten gibt es Screenreader, Bildschirmleseprogramme, die auf einem Computer oder einem Handy laufen und den Alltag erleichtern. Der Screenreader ersetzt für den blinden oder sehbehinderten Menschen die Augen und liest den Bildschirminhalt. Die Vermittlung der Informationen auf dem Bildschirm können dabei auf zwei verschiedene Arten geschehen, akustisch also vorgelesen, oder über die Brailleschrift. „Gehe ich mit der Tastatur über den Desktop kann ich die Namen der einzelnen Icons lesen oder mir ansagen lassen“, erklärt Droßard.

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Doch wie inklusiv ist der deutsche Alltag? „Ich liebe Erlebnispfade im Wald, wo die Information auch in Brailleschrift wiedergegeben werden. In Museen gibt es immer öfter Audioguides.“ Ansonsten könnte die Brailleschrift jedoch noch besser integriert werden: „An Bahnhöfen sollten zum Beispiel die Gleise beschriftet werden. Aber immerhin gibt es in den neuen ICEs eine tastbare Beschriftung der Sitze“, erklärt Trixi Droßard und folgt mit einem Appell an ihre Mitreisenden. „Die Punkte bitte nicht aus Langeweile abknibbeln!“

Westdeutsche Blindenhörbücherei mach Lesen leichter

Privat mag Droßard am liebsten Fantasyromane. „Ich lese sehr gerne, aber noch lieber höre ich Hörbücher“, gibt Droßard zu. „Die Punktschrift strengt mich an, nach zehn Seiten bekomme ich Kopfschmerzen.“ Abhilfe schafft da seit 1955 die Westdeutsche Blindenhörbücherei in Münster. Hier lesen professionelle Sprecherinnen und Sprecher Bücher für blinde, seh- und lesebehinderte Menschen ein und schaffen so Zugang zu Büchern abseits der gängigen Hörbuchproduktionen. „Früher wurden Kassetten und CDs zugeschickt, heute genügt ein Download“, erklärt Trixi Droßard. Eine Besonderheit: Auch Zeitungen und Zeitschriften werden hier als Vorlese Abo zu Verfügung gestellt.