Goch. Die Ausstellung „German Urban Pop Art“ im Museum Goch zeigt noch bis zum 15. Juni über 300 Werke des Graffiti-Künstlers Thomas Baumgärtel.

Claudia Gronewald

Wohin man auch geht, wohin man blickt – sie ist immer schon da. Noch bevor man das Gebäude überhaupt betritt, beschäftigt sie derzeit gleich dreifach Auge und Kopf. Sie kommt als Wasserfahrzeug daher oder als Flugvehikel, ist Kopfschmuck oder Kleidungsstück. Politische Statements wechseln mit humoristischen Sichtweisen auf unsere Welt. Das Museum Goch ist gerade komplett Banane.

Noch bis zum 15. Juni beherbergt das Kunsthaus Werke des Bananensprayers Thomas Baumgärtel. Die Ausstellung „German Urban Pop Art“ blickt mit über 300 Werken auf die vergangenen zehn Jahre im Schaffen des in Köln lebenden Künstlers zurück. Nach 2008 ist dies die zweite Einzelausstellung Baumgärtels in Goch. Im Mittelpunkt der Schau stehen seine Bilder und Aktionen, mit denen er stets hochaktuell und (tages-)politisch Stellung bezieht. Und natürlich die gesprühte Banane als ideales Medium, um auf aktuelle politische Ereignisse einzugehen oder Kritik an gesellschaftlichen Fehlentwicklungen zu üben.

Staatschef Xi Jinping mit einem Apfel in der Hand

Da ist die riesige, eigens für die Gocher Ausstellung entwickelte „Wand für Menschenrechte“, auf der er plakativ Staaten wie zum Beispiel Syrien, Irak, Venezuela, Kongo, Türkei oder Nordkorea mit Korruption, Folter, Überwachung und Gewalt gegen die eigene Bevölkerung in Zusammenhang bringt. Da ist der chinesische Staatschef Xi Jinping mit einem Apfel in der Hand, zum Bild gehört der Schriftzug „Demokraten essen Bananen“. Da ist aber auch die englische Königin mit einem blauen Auge – die Deutung ob vom Brexit oder den Querelen in der Familie bleibt dem Betrachter überlassen.

„Die Gocher Ausstellung ist eine der umfangreichsten Präsentationen zu Thomas Baumgärtel“, sagt Steffen Fischer vom Museum Goch.
„Die Gocher Ausstellung ist eine der umfangreichsten Präsentationen zu Thomas Baumgärtel“, sagt Steffen Fischer vom Museum Goch. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Ein Rundgang durch die im ganzen Haus präsentierte Ausstellung ist geradezu interaktiv: Der Betrachter kommt wahlweise aus dem Kopfschütteln oder dem Amüsiertsein kaum heraus. Nach Werkgruppen sortiert lädt die Schau in den Kosmos des 60-Jährigen ein, identifiziert ihn als zutiefst überzeugten Demokraten und Kommentator des Zeitgeschehens.

Eine der umfangreichsten Präsentationen zu Baumgärtel

Das Museum Goch zeigt neben den politischen Arbeiten des gebürtigen Rheinbergers den gelben Bananen-Pointillismus. Nur gut zehn Zentimeter groß ist die Bananen-Schablone, die er dafür entwickelte – ähnlich dem Rasterpunkt bei Roy Lichtenstein – kleinstes Element des jeweiligen Bildmotivs, das Baumgärtel auf die Leinwand bringt.

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Im Raum „Die Alten Meister und die Banane“ schenkt er der klassischen Alpenlandschaft, dem Stillleben oder den Flügeln der Windmühle ein neues Leben – selbstverständlich mit der Banane. „Die Gocher Ausstellung ist eine der umfangreichsten Präsentationen zu Thomas Baumgärtel“, sagt Museumsmitarbeiter Steffen Fischer. Sie trage dem bisherigen Lebenswerk des enorm produktiven Künstlers Rechnung.

Künstler erhielt zahlreiche Strafanzeigen

Diese Produktivität und seine politische Haltung hatten für Baumgärtel immer auch durchaus unangenehme Begleiterscheinungen: Eine ganze Galerie im Treppenhaus des Museums widmet sich den zahlreichen Strafanzeigen und Vorladungen, die ihm seine gesprühten öffentlichen Stellungnahmen immer wieder einbrachten – und auf die er ebenfalls mit der gelben Südfrucht zu reagieren pflegte.

Im Eingangsbereich des Museums Goch jongliert Pippi Langstrumpf mit Bananen.
Im Eingangsbereich des Museums Goch jongliert Pippi Langstrumpf mit Bananen. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Angefangen hatte alles mit der Bananenschale am Kreuz eines katholischen Krankenhauses 1983. Seither ist die Banane sein perfektes Werkzeug der Kritik. Sei es am ADAC, der 2014 mit dem „Gelben Engel“ schummelte oder bei den Betrugsskandalen etwa bei VW und BMW. Baumgärtel beschäftigte sich mit Donald Trump, dem er eine Banane in den Mund schiebt, schon bevor dieser US-Präsident wurde.

Banane markiert Kunstorte auf der ganzen Welt

Es sei Thomas Baumgärtel wie keinem anderen gelungen, schreibt Museumsleiter Dr. Stephan Mann im die Ausstellung begleitenden Booklet, mit seiner Spraybanane ein Symbol zu schaffen, das inzwischen als „Exzellenzbanane“ Kunstorte auf der ganzen Welt markiere. 2012 erweitert er sein Bananenspektrum um die sogenannten Stielbilder. Auf den ersten Blick impressionistisch sind die aus unzähligen Bananen-Stielen gesprühten Bilder bei näherer Betrachtung die Illusion von Porträt oder Landschaftsidyll.

Neben den Sprühbildern in bester Tradition der Streetart zeigt das Museum Objekte und Skulpturen des Künstlers. Ein mehrstündiges Video dokumentiert seine Arbeit in New York oder am betonierten Auto von Wolf Vostell. „Auf diese Weise lernt man den Typ hinter dem Werk ein wenig kennen“, findet Steffen Fischer. Nicht nur jüngeren Besuchern dürfte der Bananenkiosk im Eingangsbereich gefallen, wo Snoopy auf einem Bananenboot unterwegs ist oder Pippi Langstrumpf im Handstand Bananen mit den Füßen jongliert.

>>> Besuch der Ausstellung

Ein Besuch der Ausstellung ist aktuell wieder ohne Schnelltest, aber nur nach vorheriger Anmeldung über 02823/970817 oder museum@goch.de möglich. Weitere Infos auf www.museum-goch.de/

Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher, bebilderter Katalog im Wienand Verlag, der wie auch alle Artikel des Bananenkiosks online erhältlich ist. Der Katalog kostet 58 Euro, eine Sonderedition mit einem Bananenwerk Baumgärtels kostet 299 Euro.