Am Niederrhein. Jens Harnack liebt Radfahren. Damit auch andere aufs klimafreundliche Verkehrsmittel umsteigen, koordiniert er im Kreis Wesel das Stadtradeln.

Seit Jens Harnack vor 28 Jahren sein Auto abgegeben hat, erledigt er alles mit seinem Fahrrad. Es regnet? Nicht schlimm. Schnell eine Regenjacke überziehen und schon kann es losgehen. Die Strecke ist zu weit? Alles eine Frage des Trainings. Und Elektrofahrräder sind ja sowieso immer mehr im Kommen. Keine Motivation? Dann ist vielleicht das aktuell wieder stattfindende Stadtradeln genau das Richtige. Die bundesweite Kampagne betreut Jens Harnack bereits seit 2009 in Rheinberg, mittlerweile ist er zusammen mit einigen anderen für die Gesamtkoordination im Kreis Wesel zuständig.

Die wichtigste Frage vorab. Wie viele Kilometer sind Sie zuletzt geradelt?

Gestern waren es gut 50, vorgestern 80 und davor 50 Kilometer. Allein der Weg zur Arbeit sind hin und zurück schon 50 Kilometer. Und wenn dann das Wetter noch schön ist, fahre ich auch schon mal einen kleinen Umweg zum Orsoyer Rheinbogen.

Sind Sie damit noch ein Alltagsradler?

Ich fahre schnell, weit und viel. Einige Touren durch die Alpen habe ich auch schon gemacht. Ich bin also eher ein Extremfahrer. Aber ich habe kein Auto und mache alles mit dem Rad. Deshalb kommen gut 80 Prozent meiner Kilometer schon durchs Alltagsradeln zusammen.

Und ums Alltagsradeln geht’s ja auch beim Stadtradeln.

Genau. Wir wollen die Menschen sichtbar machen, die zwei Kilometer zum Supermarkt mit dem Rad und nicht mit dem Auto fahren. Denn immer noch werden bundesweit 47 Prozent aller Wege unter fünf Kilometer mit dem Auto zurückgelegt. Und diese Strecken sind für die meisten zu 100 Prozent ersetzbar.

Der Pass Galibier gilt bei der Tour de France als eine der Königsetappen. Der Beauftragte des Klimaschutzmanagements der Stadt Rheinberg Jens Harnack hat ihn bereits mit dem Rad erklommen.
Der Pass Galibier gilt bei der Tour de France als eine der Königsetappen. Der Beauftragte des Klimaschutzmanagements der Stadt Rheinberg Jens Harnack hat ihn bereits mit dem Rad erklommen. © Jens Harnack

Wie ist die Idee zu dem Projekt entstanden?

Das hat mit einigen Bänkern in Nürnberg angefangen. Sie wollten zeigen, dass nicht nur Ökos Fahrrad fahren. Damals sind dann zwei Bänker in einem Wettbewerb gegeneinander angetreten, um herauszufinden, wer am meisten mit dem Rad unterwegs ist. 2008 ist daraus das Stadtradeln entstanden, 2009 war Rheinberg als eine der ersten Kommunen in NRW mit dabei.

Wie verlief der erste Wettbewerb?

Wir haben in Rheinberg mit lächerlichen 120.000 Kilometern bundesweit das beste Ergebnis erzielen können. Aber damals haben auch nur insgesamt rund 30 Kommunen mitgemacht. 2016 waren es dann fünf, 2020 sogar 13 Kommunen im Kreis Wesel. Letztes Jahr haben wir dann auch einen richtigen Wumms entwickelt und waren der beste Kreis in Deutschland.

Wie erklären Sie sich das gesteigerte Interesse?

Radfahren hat sich mehr und mehr weg von einem Nischenthema und hin zu einer ernstzunehmenden Lösung für Mobilitäts- und Verkehrsprobleme entwickelt. Denn allein die Parkplätze für Autos machen eine Wahnsinnsfläche aus, auf der man stattdessen Grün- oder Wohnfläche gestalten könnte. Städte wie Kopenhagen zeigen schon jetzt, wie es geht und schaffen mehr Raum für Radfahrer.

Hat Corona auch zu einem Umdenken geführt?

Die Situation auf den Straßen bekomme ich ja hautnah mit, weil ich selbst jeden Tag auf dem Fahrrad bin. Und tatsächlich sind nach dem ersten Lockdown vor allem mehr Kinder mit dem Fahrrad zur Schule gefahren. Aber auch andere Menschen waren radelnd unterwegs, die ich vorher noch nie auf einem Fahrrad gesehen habe. Es gab also auf jeden Fall einen Zugewinn.

Sprechen wir hier von einem kurz- oder langfristigen Trend?

Das ist eine gesellschaftspolitische Entwicklung der vergangenen Jahre. Viele haben beispielsweise auch durch die Dieselskandale gemerkt, dass die Autoindustrie nicht das Gelbe vom Ei ist. Indem wir durch das Stadtradeln die Fahrradfahrer sichtbar machen, bekommen sie eine Lobby. Und die Städte werden fahrradfreundlicher.

Was wünschen Sie sich für dieses Jahr?

Es wäre natürlich schön, wenn wir wieder unter die Top Ten kommen würden. Das ist ja auch immer eine gute Werbung für die Region. Aber um die Platzierung geht es letztendlich nicht, wir wollen möglichst viele Menschen aufs Fahrrad bekommen. Schön wäre es, wenn 12.500 Radfahrer insgesamt zwei Millionen Kilometer zurücklegen würden. Und das ist nicht so unwahrscheinlich.

>>> Ab aufs Rad!

Die bundesweite Städtekampagne Stadtradeln bietet den Kommunen im Gesamtzeitraum zwischen dem 1. Mai und dem 15. Oktober an, Bürgerinnen und Bürger für jeweils drei Wochen für das Nutzen eines Fahrrads als klimafreundliches Verkehrsmittels zu mobilisieren.

Die Kommunen im Kreis Wesel beteiligen sich vom 2. bis zum 22. Mai am Stadtradeln und treten damit in parallelen Wettstreit unter anderem mit den Kreisen Borken, Coesfeld, Bergstraße und Ennepe-Ruhr-Kreis sowie den Städten Bochum und Darmstadt.

Über Lokalderbys soll zwischen den Städten und Gemeinden im Kreis ein Wettstreit entstehen, der im Kreis Wesel für eine bessere Aufenthaltsqualität am Niederrhein, für bessere Gesundheit sowie für mehr aktiven Klimaschutz steht.

Weitere Infos zum Stadtradeln sowie die Teilnahmebedingungen gibt es auf der Internetseite www.stadtradeln.de