Am Niederrhein. Adnan Köse ist Autor, Regisseur und steht auf der Bühne. „Roter März“ – Bergarbeiter wagen den Aufstand in Dinslaken-Lohberg.

Im März 1920 kam es im gesamten Ruhrgebiet zu Aufständen, an denen rund 300.000 Arbeiter beteiligt waren. Viele von ihnen waren Bergleute, viele von ihnen hatten im 1. Weltkrieg gekämpft und waren davon noch ausgezehrt. Sie widersetzten sich am 13. März zunächst dem rechten Kapp-Putsch. Linke Arbeiterräte beschlossen dann, die Macht zu übernehmen, um für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen zu sorgen. Anfang April beendete die Reichswehr den Ruhrkampf. Über 1000 Menschen hatten ihr Leben gelassen.

Adnan Köse im Interview

Eines der Zentren der Aufstände war die Zechensiedlung Dinslaken-Lohberg. Hier siedelt der Autor und Regisseur Adnan G. Köse das Stück „Roter März“ an, in dessen Mittelpunkt ein katholischer Priester steht, der damals versuchte, die Wogen zu glätten. Corona verhinderte die Aufführung des Stücks zum 100. Jahrestag der Ruhraufstände. Donnerstagabend hat es nun zumindest virtuell in Dinslaken Premiere.

Regisseur und Autor Adnan G. Köse in der Rolle des Bergewerkdirektors in „Roter März“ Dinslaken
Regisseur und Autor Adnan G. Köse in der Rolle des Bergewerkdirektors in „Roter März“ Dinslaken © Karnofsky

Herr Köse, Sie sind selbst aus Lohberg. Was fließt davon in Ihr Stück „Roter März“ ein?

Die Emotionen, als Kind in einer Bergarbeitersiedlung aufzuwachsen, fließen in die Inszenierung ein. Ebenso viele Erinnerungen, was szenische Arrangements anbelangt, teils auch Zitate aus der eigenen Zeit in der Siedlung, die ich mit 20 Jahren verlassen habe, um zur Schauspielschule zu gehen.

Viele der tragischen Szenen erinnern auch an den Kampf meines türkischen Vaters um Anerkennung, auch wenn es im Stück – es spielt 1920 – keine türkischen Arbeiter gibt. Einige Wesenszüge von Leuten, die ich kannte, finden sich im Charakter des Reviersteigers Arthur und auch im Bergwerksdirektor wieder.

Wann und warum haben Sie sich entschlossen, „Roter März“ zu schreiben?

Es war immer mein Wunsch, eines Tages eine Hommage an diese Siedlung zu schreiben, und an das Bergwerk, das meine Familie ernährt hat – durch die harte Arbeit meines Vaters unter Tage.

Dann begegnete ich irgendwann zufällig dem pensionierten Arzt Hans Feldhaus. Er erzählte mir von Pfarrer Nienhaus, bei dem er als Kind Ministrant war, und meinte, der sei einen Spielfilm wert. Ich war sofort begeistert und entwickelte dazu eine Geschichte. Die wäre aber als Kinofilm viel zu teuer gewesen – also entschied ich mich für ein Theaterstück. Hans steuerte sehr viel zur Recherche bei, und so nahm ich ihn als Co-Autor mit ins Boot.

Donnerstagabend ist Premiere - online

Warum sind die Ruhraufstände heute noch wichtig?

Weil all das, was 1920 geschah, ein Spiegelbild für die moderne Gesellschaft ist. Damals war die Industrialisierung das Problem, heute ist es die Digitalisierung. Und wieder ist dieser Prozess begleitet von einer Krankheit, damals der Spanischen Grippe, heute von Corona. Damals direkte Revolution, heute nicht mehr so direkt und offen, alles läuft über das Internet und verdeckt ab. Politische Spannungen gab es damals wie heute, es gab viele Fragen, Lügen, Wahrheiten, Verschwörungen und Ängste.

Tickets zum Live-Stream „Roter März“

„Roter März“ von Adnan G. Köse und Co-Autor Hans Feldhoff hat am Donnerstag, 29. April, um 20 Uhr, online Premiere. Gespielt wird das Stück in der Kathrin-Türks-Halle in Dinslaken.
Tickets
für den Live-Stream gibt es unter https://roter-maerz.de/termine-und-karten

Ein Ticket kostet Euro 15 Euro plus Gebühren.
Wenn die Corona-Lage es erlaubt, soll „Roter März“ zu folgenden Terminen in der Kathrin-Türks-Halle als reines Bühnenstück aufgeführt werden: Donnerstag, 7. Oktober, 19.30 Uhr; Freitag, 8. Oktober, 19.30 Uhr.

Wirkt der „Rote März“ in Lohberg, damals ein Zentrum der Ruhr-Aufstände, bis heute nach?

Lohberg ist ein Kaleidoskop politischer Ereignisse. Man könnte sagen, alles, was sich bisher in Deutschland entwickelte, politisch und gesellschaftlich, gerade auch im Hinblick auf Migration, spiegelt sich seit 100 Jahren in dieser Siedlung wider.

Hauptfigur von „Roter März“ ist ein katholischer Pfarrer. Warum?

Pfarrer Albert Nienhaus stand 52 Jahre im Dienst der Katholischen Kirche in Lohberg. Er war ein Vorbild, nicht nur für die Siedlung. Gerade heute brauchen wir wieder solche starken Kirchenleute, die keine Angst haben zu kämpfen, und Halt allein in ihrem Glauben finden. Bewundernswert. Es ist wichtig, den Glauben an Gott wieder mehr ins Bewusstsein der Menschen zu rücken.

Hier gibt es alle Infos zu „Roter März, Ein historisches Ruhrgebietsdrama“

Mein türkischer Vater ist Muslim, meine verstorbene Mutter war römisch-katholisch. Beide sehr gläubig, dennoch haben sie einander toleriert und jeder lebte seinen Glauben, zwischen sonntäglichen Gottesdiensten und Moschee am Freitag. Es geht, wenn man will. Entscheidend ist Gott – denn wir sind alle Kinder der Schöpfung. Das ist die zentrale Aussage meines Stücks, erzählt durch die Kombination von Kirchengeschichte und Bergwerksgeschichte in Lohberg.

Das Stück hat zwei weitere wichtige Protagonisten: den Bergwerksdirektor – den Sie selbst spielen – und Roman, den Anführer der linken Aufständischen. Woran haben Sie sich beim Zeichnen dieser Figuren orientiert?

Historisch ist nur der Bergwerksdirektor. Alle Figuren außer ihm und dem Pfarrer sind Fiktion, aber darin spiegeln sich viele Charaktere wider, die mich in der Siedlung geprägt haben. Einige sind aber auch reine Phantasiefiguren.

Corona hat Ihre Planungen durcheinandergeworfen: Was mussten Sie an dem Stück ändern, damit es heute Abend zumindest zur virtuellen Premiere kommen kann?

Ursprünglich waren 200 Komparsen auf der Bühne geplant, um eindrucksvoll Ruhrrevolution und 1. Weltkrieg abzubilden, mit Massenszenen. Das ging wegen Corona nicht.

Regisseur und Autor Adnan G. Köse, aufgewachsen in Dinslaken.
Regisseur und Autor Adnan G. Köse, aufgewachsen in Dinslaken. © Köse

Dann kam mir die Idee zu einem Hybrid-Schauspiel, was es bisher noch nirgends gab: Etliche Szenen aus dem Stück wurden verfilmt, die werden auf der Leinwand eingespielt. Der Rest wurde für die Bühne inszeniert. Wenn es die Lage zulässt, wird das Stück aber noch im Original mit allen Komparsen auf die Bühne gebracht.

Die Aufführung findet in der Kathrin-Türks-Halle in Dinslaken statt, deren Renovierung fast abgeschlossen ist. Gibt es eine Verbindung zwischen Kathrin Türks und den Lohberger Bergarbeitern?

Ja. Kathrin Türks war die erste Intendantin im Ruhrgebiet, sie schuf das erste Arbeitertheater und war bei den Bergleuten sehr beliebt – damals gingen die Arbeiter wegen ihrer Arbeit ins Theater, auch an sie möchte ich mit meinem Stück erinnern.