An Rhein und Ruhr. Eine Studie befasst sich mit der Entwicklung der Bevölkerungszahl und deren Folgen. Was bedeutet das für Ruhrgebiet und Niederrhein?

Wer wird in 20 Jahren noch in Duisburg, dem Kreis Wesel oder Kleve leben? Aktuellen Berechnungen zufolge: mehr alte und weniger Erwerbstätige. Die Prognosen berechnen einen Bevölkerungsrückgang von bis zu zehn Prozent. Die Städte und Kommunen an Rhein und Ruhr müssen sich also etwas einfallen lassen, um der Entwicklung etwas entgegenzusetzen.

Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) wagt in einer aktuellen Berechnung der Bevölkerungszahlen einen Blick in die Zukunft, ins Jahr 2040. Deutschlandweit lassen sich klare Gewinner und Verlierer erkennen. Der Süden wächst, im Münchner Umland bis zu 15 Prozent, während der Osten schrumpft, bis zu minus 25 Prozent. Nur Leipzig bildet mit einem Zuwachs von 14 Prozent eine Ausnahme. Doch was sagen die Prognose über den Niederrhein und das Ruhrgebiet aus?

Regionen mit Zuwachs

Steffen Maretzke ist einer der Autoren der Studie und wagt einen Blick in die Region: „Im Allgemeinen gehen die Bevölkerungszahlen in Deutschland zurück, das gilt auch für den Niederrhein und das Ruhrgebiet.“ Doch Düsseldorf und Essen stellen hier Ausnahmen dar. „Düsseldorf ist die einzige Stadt in der Region, in der es einen Geburtenüberschuss gibt“, erklärt der Experte. Die Stadt habe in der Vergangenheit viele Leute anziehen können, die sich dort niedergelassen und eine Familie gegründet haben. Trotz einer leichten Abwanderungstendenz in andere Kommunen schafft es die Stadt durch Zuwanderung aus dem Ausland und Geburtenüberschuss insgesamt auf einen Bevölkerungsanstieg von 3,5 Prozent bis 2040.

Auch Essen schlägt sich vergleichsweise gut. Zwar wird hier bis 2040 ein Sterbeüberschuss von etwa 30.000 Menschen erwartet, dieser könne jedoch durch einen Zuwanderungsüberschuss von 38.000 Menschen wieder ausgeglichen werden, erklärt der Experte. Dieser Überschuss entsteht vor allem durch Zuzug aus dem Ausland, was auch Jacqueline Schröder, Pressesprecherin der Stadt Essen, anhand eigener Studien der Stadt bestätigt. „Diese Entwicklung ist seit dem Jahr 2011 zu beobachten mit dem Höhepunkt im Jahr 2015 und 2016 zur Zeit der hohen Zuwanderung von Schutzsuchenden.“ Die Studien der Stadt zeigten darüber hinaus noch weitere Gründe: „Die Lebenserwartung steigt, entsprechend sterben weniger Menschen. Zeitgleich hat sich die Fertilität in den letzten Jahren erhöht und es werden mehr Kinder geboren. Es kommt zu einem Sterbefallüberschuss, allerdings mit abnehmender Tendenz, der durch Zuwanderungsgewinn aufgefangen wird.“

Schwierige Prognosen

Schlechter sieht die Prognose für den Kreis Wesel aus. Hier hat das BBSR einen Bevölkerungsrückgang von 9,1 Prozent bis 2040 errechnet. Das Problem sei der drastische Sterbeüberschuss, der zur Schrumpfung der Gesellschaft führe. Steffen Maretzke gibt jedoch auch Grund zu Hoffnung: „Wesel scheint aktuell auf einem besseren Pfad zu sein als in der Vergangenheit. Der Sterbeüberschuss wird zwar nicht ausgeglichen, es gibt jedoch eine vergleichsweise geringe Abwanderung und sogar Zuzüge“.

Auch Duisburg schrumpft aufgrund von Sterbeüberschuss und Abwanderungen innerhalb Deutschlands. In Kombination mit einer Alterung der Gesellschaft „führt das zu einem Bevölkerungsrückgang von 10,5 Prozent und größeren Problemen“, so der Experte. Denn die Zahl der Bürgerinnen und Bürger im erwerbsfähigen Alter wird bis 2040 um 50.000 Menschen abnehmen, während sich die Zahl der über 65-Jährigen um etwa 11.000 erhöht.

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Der Kreis Kleve scheint hingegen auf einem guten Weg zu sein, so Steffen Maretzke. Zwar verliert er laut Prognose gut 3,7 Prozent seiner Bevölkerung, allerdings liege das vor allem am Sterbeüberschuss und nicht an Abwanderung. Für den Kreis könne sogar ein leichter Trend in Richtung Zuzug aus dem Inland beobachtet werden.

Welche Maßnahmen ergreifen die Städte und Kommunen?

Aber was können Städte und Kommunen tun, um beliebt zu werden oder es weiterhin zu bleiben? Einfach die Methoden der Spitzenreiter zu kopieren sei keine Lösung, betont Maretzke. „Nach Bayern schauen bringt erstmal nichts. Man muss sich immer an der vorhandenen Struktur vor Ort orientieren. Allerdings lässt sich von erfolgreichen Instrumenten lernen.“ Duisburg, Krefeld oder der Kreis Wesel bräuchten neue, innovative Konzepte und vor allem gut bezahlte Arbeitsplätze. „Hinter Abwanderung steht immer, dass die Menschen keine gute Perspektive in der Region sehen. Gerade im Ruhrgebiet muss der Strukturwandel vorangetrieben werden, um wettbewerbsfähig zu werden.“

Dinslaken bemühe sich beispielsweise um Familienfreundlichkeit, sagt Marcel Sturm, Pressesprecher der Stadt. Fast 100 Millionen Euro seien in den vergangenen 10 Jahren unter anderem in Schulsanierungen und den Kitaausbau geflossen. „Damit Dinslaken auch in Zukunft für Familien und Neubürgerinnen und -bürger attraktiv ist.“, so Sturm. Auch Wohnraum spiele in den Städten eine große Rolle. Duisburg setzt in seiner Stadtentwicklungsstrategie Duisburg2027 auf hochqualitative, bezahlbare und vielfältige Wohnungsangebote, gute ÖPNV-Anbindung und die Durchgrünung von Wohngebieten. Außerdem soll die Stadt als Wirtschafts- und Universitätsstandort ausgebaut und weiterentwickelt werden.

Fazit

Die Studie des BBSR zeigt, dass sich die schon heute vorhandenen Strukturprobleme vielerorts fortsetzen werden. Städte wie Düsseldorf und Essen können überzeugen, strukturschwache Gebiete wie Duisburg oder der Kreis Wesel setzen ihre negativen Trends fort. „Solche Gebiete profitieren auch weniger von der allgemeinen Zuwanderung aus dem Ausland. Ohne sie würden wir schlechter dastehen, sowohl hinsichtlich der Bevölkerungszahlen, als auch der Altersstruktur.“

Trotzdem lasse sich an den Stellschrauben drehen, sagt der Experte. Es müsse rechtzeitig in günstigen sowie altersgerechten Wohnraum investiert und für eine gute Infrastruktur mit Nahverkehr, Schulen und attraktiven Arbeitsplätzen gesorgt werden. 20 Jahre Zeit bleiben ja noch.