Venlo. Normalerweise fahren am Karfreitag unzählige Menschen aus NRW nach Venlo zum Shoppen. An diesem Karfreitag sah das Venloer Stadtbild anders aus.

Karfreitag auf der A40 Richtung Venlo – normalerweise ein Garant für volle Spuren, gestaute Ausfahrten und leere Kofferräume, die mit holländischen Tulpen und Leckereien gefüllt werden wollen. Doch in diesem Jahr herrscht am Freitagmorgen gähnende Leere. So entspannt schafft man es sonst nicht über die Autobahn. Noch am Donnerstag warnte die Klever Bundespolizei nachdrücklich: Bitte bleiben Sie Zuhause. Offenbar hielten sich viele Grenzgängerinnen und -gänger an den Appell.

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Einmal angekommen in der Venloer Innenstadt fällt auf, was es sonst nicht gibt: Gegen zehn Uhr sind noch massig Parkplätze verfügbar. Auf dem Marktplatz, in den kleineren Straßen, sogar die Seitenstreifen bieten genügend Platz. Liegt es nur an Corona oder vielleicht auch den knackigen vier Grad? Nur vereinzelt stehen sie auf dem Marktplatz, Essener Kennzeichen, Weseler und Autos aus Kleve. In bester Lage, um den Einkaufswagen aus dem nahe gelegenen Supermarkt gemütlich zum Parkplatz zu schieben.

Pfandfreie Dosen, für einige Deutsche attraktiv an den Niederlanden.
Pfandfreie Dosen, für einige Deutsche attraktiv an den Niederlanden. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Die wenigen, die da sind, sieht man dabei, wie sie hunderte Liter Limo ohne Pfand, riesige Säcke mit Kaffeekapseln, -pads und -bohnen sowie dicke Blumensträuße für den Heimweg in ihren Kofferräumen verstauen.

Venloer Ladenbesitzer: „Ich vermisse die Deutschen“

Der Weg in die Venloer Innenstadt ist gut organisiert. Mit rot-weißen Hütchen sind die Gassen in zwei Laufbahnen unterteilt. Das Gewusel und Gerempel aus deutschen Innenstädten gibt es hier nicht. Im Laden von Ben van Aken duftet es herrlich nach frischem Kaffee und zarter Schokolade. „Ich vermisse die Deutschen. Nicht nur des Geldes wegen, mir fehlt das Leben in der Stadt, die netten Gespräche und die höfliche Art.“ Aktuell sei nichts los, meint der Geschäftsinhaber, während er einen Cappuccino zubereitet. Er muss es wissen, immerhin war sein Laden durchgehend geöffnet.

Ob es nicht auch schön sei für die Venloer, ihre Stadt mal mehr für sich zu haben? Da gingen die Meinungen auseinander, meint er. „Manche Holländer freuen sich über die Ruhe und kommen jetzt häufiger in die Stadt. Ich habe zurzeit viel mehr niederländische Kunden. Denen ist es sonst zu voll mit den Besuchern, vor allem beim Einkaufen.“ Aber es gebe auch das andere Lager. „Venlo braucht die Deutschen. Unser Zentrum ist nur deshalb so groß, weil die Leute immer herkommen. Diese Leere ist nicht schön.“ Zufrieden ist er aber mit der Arbeit der Stadt. Gemeinde, Ordnungsamt und Handelsvertreterinnen und -vertreter treffen sich einmal in der Woche, um die aktuelle Situation, Sorgen und Ängsten zu besprechen.

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„So kann immer schnell gehandelt und Regeln können angepasst werden.“ Die Tür öffnet sich und ein Mann mit Maske kommt herein, die beiden scheinen sich zu kennen. „Ich bin Engländer, wohne in Deutschland und bin heute mal wieder in Venlo“, erzählt er fröhlich. Einfach mal wieder einen Kaffee trinken.

Kassierin erzählt: Es sei zwar ruhiger beim Arbeiten, aber nicht schöner.

Die Stadt füllt sich nach und nach, besonders die Spur vom Parkplatz in das Zentrum wird vermehrt genutzt. In der ganzen Stadt gibt es nur eine einzige Warteschlange. Junge Frauen stehen vor dem Konsumgiganten Primark und warten auf ihren Einkauf mit Termin. Zurück zum Markt. Deutsche Gesprächsfetzen nehmen zu, vor dem beliebten Supermarkt „2 Brüder“ beteuert eine Frau am Telefon: „Der Anruf kostet mich nichts, ich habe ja Internet“ und nimmt ausgedehnte Einkaufswünsche entgegen.

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Um den Laden betreten zu dürfen, ist ein Einkaufswagen erforderlich. Per Rollband geht es in die erste Etage. Oben angekommen wartet dann direkt der Grund für die Begeisterung vieler der deutschen Gäste. Kaffee, soweit das Auge reicht, im Durchschnitt um die Hälfte günstiger als in NRW. Das Gedränge wird dichter, deutsche Stimmen lauter. Sind sie jetzt doch alle gekommen, um dem Corona-Alltag zu entfliehen? Einmal an Kaffee und Süßigkeiten vorbei, wird deutlich: Der Laden ist erstaunlich leer. „Normalweise ist es hier an Karfreitag brechend voll, aber aktuell nicht. Schon seit Oktober geht das so“, erklärt die Kassiererin. Es sei zwar ruhiger beim Arbeiten, aber nicht schöner.

Die drei Freundinnen Ina, Petra und Sabine aus Mönchengladbach  mit ihrer kleinen Ausbeute aus den 2 Brüdern.
Die drei Freundinnen Ina, Petra und Sabine aus Mönchengladbach mit ihrer kleinen Ausbeute aus den 2 Brüdern. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Drei, die dem Alltag entfliehen wollten, sind die Freundinnen Ina, Petra und Sabine aus Mönchengladbach. „Wir hatten gehofft, es sind heute nicht so viele Leute da.“, erzählt Ina. Die ganze Corona-Zeit sei sie eigentlich nur zuhause und beim Arzt gewesen. „Wir mussten einfach mal raus, etwas anderen sehen. Wir lieben Holland!“ Freundin Petra ergänzt: „Wäre es zu voll gewesen, wären wir zurückgefahren“. Nur 20 Minuten brauche die Truppe bis zur Grenze.

Venlo: Eine kleine Auszeit in und trotz der Pandemie

Die drei arbeiten in der Pflege, ein Job, der sie körperlich wie psychisch schlaucht. Eine kleine Auszeit, um wieder Energie zu tanken. Ein Paar schöne Stiefel konnte Petra schon ergattern, in einem der netten Läden in der Seitenstraße. „Ich musste meine Kontaktdaten angeben und durfte dann rein.“ Sabine blickt zufrieden auf ihren Einkaufswagen. Neben all den vollen Kofferräumen wirkt er fast schon bescheiden, gefüllt nur mit Dingen des täglichen Bedarfs. Ein Beutel Kaffee, ein Stück Käse, ganz ohne Paletten mit pfandfreien Dosen. „Komm, ich lad‘ euch zu einem Fischbrötchen ein“, schlägt sie den anderen vor. Danach wollen sie noch eine Runde bummeln gehen.

Am frühen Abend zieht auch Stadtsprecher Robert Bouten Resümee. „Es war unglaublich ruhig heute.“ Selbst das zentralste Parkhaus Venlos konnte am Mittag nur eine Auslastung von 40 Prozent verzeichnen. „Wir konnten das vorher nicht wissen, daher haben wir verschiedene Sicherheitsmaßnahmen getroffen.“ Verkehrskontrollen, Überwachung der Einkaufsstraßen sowie die Richtungs-Markierungen in den Gassen. „Natürlich ist es in der Pandemie gut, wenn es nicht zu voll wird in der Stadt. Aber für die Läden und Restaurants ist das ganz schrecklich.“ Und so sehnt sich Bouten nach fröhlichen Tagesausflügen nach dieser Pandemie. Für die deutschen Besucherinnen und Besucher – und für seine Stadt.