Rotterdam. In Rotterdam soll ein zwei Kilometer langer Park entstehen – auf einer früheren Hochbahn. Der Ökokorridor bringt die Natur mitten in die Stadt.

Die Pläne sind spektakulär, doch das ist nicht ungewöhnlich in dieser Stadt der Moderne. Rotterdam, bis in die 90er ein ziemlich hässlicher Welthafen mit angrenzender Bebauung, macht mal wieder mit seiner revolutionären Architektur von sich reden. Diesmal geht es aber nicht um Hochhäuser an der Maas oder Markthallen im Zentrum, sondern einmal mehr um grüne Visionen: Willkommen im Hofbogen-Park!

1,9 Kilometer lang, sechs Meter oberhalb der Straße und nur acht Meter breit: So soll er aussehen, der ökologische Korridor in der zweitgrößten City der Niederlande – gebaut auf der Trasse einer stillgelegten Hochbahn. Das monumentale Viadukt führt durch vier Rotterdamer Stadtteile und wird der längste sowie schmalste Dachpark in den Niederlanden sein.

Wie die High Line in New York

2023 soll das ambitionierte Projekt fertig sein. Nur die ältesten Bewohner der Metropole in Südholland werden sich noch daran erinnern, dass hier einmal eine Stadtbahn fuhr: die Hofpleinlijn. Sie brachte die Menschen von Rotterdam über Den Haag nach Scheveningen – oder eben umgekehrt. 1907 fuhr der erste dampfbetriebene Zug die etwa 27 Kilometer lange Strecke, nur ein Jahr später wurde die Bahn elektrifiziert, ehe 1951 zunächst die Weiterführung nach Scheveningen und mit dem Bau der U-Bahn von Den Haag nach Rotterdam die komplette Linie schließlich im Jahr 2010 eingestellt wurde.

 Noch sieht es auf der Trasse der früheren Hochbahn so aus.
 Noch sieht es auf der Trasse der früheren Hochbahn so aus. © de urbanisten

Nun also die Wiederbelebung, und zwar ganz Rotterdam-like mit einem ganz großen Wurf – inspiriert von der berühmten High Line in New York. Der Hofbogenpark soll ein Ort werden, an dem sich Menschen, Tiere und Pflanzen auf relativ kleinem Raum wohlfühlen. Eine grüne Lebensader inmitten der dicht besiedelten Stadt. „Es ist einfach schön, da oben herzugehen. Man hat einen wunderbaren Blick auf die Umgebung“, sagt Dirk van Peijpe. Er ist der Gründer Der „Urbanisten“, ein Rotterdamer Büro, in dem die Stadt der Zukunft geplant und im besten Fall auch realisiert wird.

Weil die Bögen zum nationalen Kulturerbe gehören, darf an der Architektur selbst nicht viel verändert werden. Über die Stationen Hofplein und Bergweg geht es knapp zwei Kilometer lang in Rotterdams nördliche Bezirke. Wenn es nach „De Urbanisten“ muss dort nicht Schluss sein. „Wenn es eine Möglichkeit gibt, den Hofbogenpark über die Autobahn 20 zu verlängern, dann würden wir das gerne machen“, nickt Dirk van Peijpe.

Was also genau ist geplant? Auf acht Meter Breite legen die urbanen Designer in Zusammenarbeit mit den Landschaftsarchitekten DS und De Dakdokters einen Park an, auf dem die Menschen spazieren gehen, sich hinsetzen und die Natur genießen können. Aussichtsplattformen oder Balkone laden zum Blick auf die Stadt, alle paar hundert Meter wartet ein anderes Freizeitangebot auf die junge Bevölkerung. Für Familien mit Nachwuchs sind Spielplätze da, für Studenten plätze zum Arbeiten am Laptop, Kinder können Schulgärten anlegen oder Urban Gardener Beete hegen. Die Natur kommt hier nämlich mitten in die Stadt zurück.

Der Zugang zum Hofbogenpark erfolgt über Treppen und Aufzüge. Einige der Zugangspunkte werden entlang der Linie in bestehende und neue Gebäude integriert. Unten befindet sich vielleicht ein Café oder ein Yogastudio, oben drüber kann aber ebenfalls gechillt werden.

Regenwasser wird gespeichert

Für die Tiere des Hofbogenparks – Igel, Kröten, Vögel oder Fledermäuse – gibt es in der neuen Umgebung genügend natürliche Schutzräume, in denen sie von den Menschen nicht gestört werden. Einheimische Pflanzen sollen zudem Bienen und Schmetterlingen anlocken.

Weil Wasser in den Niederlanden und gerade in einer Stadt wie Rotterdam ein besonderes Thema ist, wurde auch klug und weitsichtig gedacht. Regenwasser aus der unmittelbaren Umgebung wird im Hofbogenpark durch natürliche Prozesse gesammelt, aufbereitet und in unterirdischen Grundwasserleitern gespeichert. In Zeiten von Trockenheit und Hitzestress kann das gespeicherte Regenwasser zur Bewässerung, zum Spielen und für andere Zwecke wiederverwendet werden.

Nicht erst seit Corona dürfte klar sein, dass Stadtentwicklung mehr leisten muss als ein paar hübsche grüne Anstriche. Attraktives Leben in einer urbanen Umgebung bedeutet einen echten Aufbruch, bei dem die Ideen nicht radikal genug sein können. Im modernen Rotterdam hat man das längst erkannt.

Der Hofbogenpark ist nur ein Teil einer großen Investitionsmaßnahme, bei der die Stadt Rotterdam 233 Millionen Euro für sieben grüne Bauvorhaben in die Hand nimmt. Mehr zu den „Big 7“ lesen Sie hier: https://www.nrz.de/region/niederrhein/big-7-rotterdam-wird-noch-gruener-id231953205.html