Wuppertal. Die Wuppertaler Schwebebahn feiert am Montag ihren 120. Geburtstag. Sie machte die Stadt weltbekannt, doch zu Beginn war sie verpöhnt.
Erhaben gleitet sie dahin, unter sich glitzerndes Wasser und Gebüsch, an Häuserreihen vorbei und über so manche Dächer hinweg. Während die Straßen durch Autos blockiert sind, steht, nein schwebt, sie über den Dingen, zieht den Lauf der Wupper nach und das seit nun 120 Jahren. Die Wuppertaler Schwebebahn ist für die einen ein normales Transportmittel, für andere eine Touristenattraktion. Vor allem aber ist sie das Wahrzeichen einer Stadt. Dabei war die acht bis zwölf Meter hohe Konstruktion zu Beginn nicht allen geheuer, erzählt Detlef Peukert, Wuppertaler Urgestein und pensionierter Schwebebahnfahrlehrer. „Für mich bedeutet die Schwebebahn, über den Dingen zu stehen.“
Die meiste Zeit seines Lebens war Peukert Fahrlehrer. Erst bei der Bundeswehr, dann in Wuppertaler Bussen und die letzten zehn Jahre seiner Arbeitszeit hoch oben, in der Schwebebahn. „Ich beobachte immer gerne die Vögel. Manchmal fliegen sie ein Stück mit oder ich kann sie im Frühjahr beim Brüten begleiten“, erzählt der 73-Jährige. Seit ein paar Lücken in der Bebauung entlang der Wupper ermöglicht wurden, sieht man immer mehr Leute entlang des Flusses. Im Sommer gehen manche baden, auch das ein oder andere Liebespaar habe er schon von oben gesehen. „Die Leute wohnen in Betonhäusern und suchen die Natur“, meint Peukert mit dem Schalk im Nacken.
Nicht jeder kann eine Schwebebahn fahren
Über die Jahre hat er viele Fahrschüler begleitet. „Es kam immer wieder vor, dass sie aus dem Bahnhof fuhren und plötzlich wurde ihnen schlecht, so ohne Boden unter den Füßen.“ Nicht jeder sei für die Höhen und die Glasfront gemacht. „Die sind dann schnell wieder zurück in den Bus“, erzählt der Mann lachend. Die Schwebebahn fahren, das gehe ohnehin nicht von jetzt auf gleich. „Nur wer schon bei den Wuppertaler Stadtwerken Bus fährt, kann intern den Führerschein machen.“ Dabei sei die Fahrt in der Luft viel angenehmer, weil Störfaktoren wie Staus und rennende Fußgänger fehlten. Schwebebahnfahren ist vor allem eines: ein Privileg.
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Auch wenn seine offizielle Dienstzeit mittlerweile zehn Jahre zurückliegt, ohne Schwebebahn geht es für ihn nicht. Normalerweise fährt der Mann mit den klaren blauen Augen regelmäßig das Herzstück der Schwebebahnhistorie, den Kaiserwagen, in dem einst Kaiser Wilhelm II mit seiner Gemahlin fuhr. „Es ist ein ganz besonderes Gefühl. Die Technik ist anders, man fährt im Stehen und ohne Fahrerkabine“, schwärmt Peukert. Ob Polterabend, Klassentreffen oder Betriebsausflug, fast jeder Anlass kann im Kaiserwagen gefeiert werden. „Die Leute kommen dann nach vorn und stellen Fragen. Als Fahrer steht man einfach im Mittelpunkt und kann erzählen“, so Peukert.
Schwebebahn galt als Satanswerk: Kaiser rettete den Ruf
Besonders gern erzählt Peukert Geschichten von früher. Als Erfinder der Schwebebahn gilt der Kölner Fabrikant und Ingenieur Eugen Langen, der neue Transportwege für seine Zuckerfabrik erschließen wollte. Bereits in den 1880er Jahren setzte er in seinen Rübenzucker-Werken bereits kleine, hängende Wagen mit Elektroantrieb zum Transport ein. „Da hat er sich gedacht: Ich bau da jetzt 'nen Kasten rum und transportier Menschen!“, erzählt Peukert mit funkelnden Augen, die historische Geschichte liegt ihm spürbar am Herzen. Schon 1887 wurde das Projekt Schwebebahn diskutiert, doch erst 1894 nahmen die Stadtverordneten das „System Langen“ an und begannen 1898 mit dem Bau der Strecke. Im Dezember desselben Jahres dann die erste Testfahrt.
Doch für Eugen Langen kam all das zu spät. „Das Traurigste an der Geschichte ist, dass er schon 1895 an einer Fischvergiftung gestorben ist und die Umsetzung seiner Idee nicht mehr miterleben konnte.“ Die Wuppertaler zeigten sich anfangs skeptisch: „Satanswerk wurde die Bahn genannt, die Menschen hatten Angst vor der Konstruktion“, weiß Detlef Peukert zu erzählen. Zu groß, übernatürlich und scheinbar gefährlich. Doch die Rettung kam von ganz oben. Im Oktober 1900 fuhr Kaiser Wilhelm II samt Gefolge von Elberfeld bis Vohwinkel und legitimierte somit das ungewöhnliche Gefährt. „Wenn der Kaiser sich traut, dann trauen wir uns auch“, gibt Peukert die damalige Stimmung wieder.
Schwebebahn fährt aktuell nur am Wochenende
Und bis zum 120. Jubiläum trauten sich eine ganze Menge. Mehr als 1,5 Milliarden Menschen sollen bereits mit der Schwebebahn durch das Tal der Wupper geschwebt sein. Durch verschiedene technische Mängel der Räder kann die Bahn aktuell nur am Wochenende fahren, der Takt wurde von drei auf sechs Minuten erhöht.
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Und auch Peukerts Kaiserwagen wird gerade generalüberholt und kommt zur Ruhe. Ab kommendem Herbst soll der Wagen aber wieder auf die Reise gehen. „Ich hoffe, ich bin dann wieder dabei“, wünscht sich Detlef Peukert. Denn einfach nur Ruhestand, das ist nichts für ihn.
Schwebebahn aktuell:
- Die Schwebebahn fährt auf einer Strecke von 13,3 Kilometern, umfasst 20 Haltestellen und bietet Platz für maximal 200 Personen.
- Seit 2016 werden neue Schwebebahnen eingesetzt, die jedoch erhebliche Mängel aufweisen. Räder und Schienen nutzen sich im Augenblick stark ab und dürfen deshalb nur noch eine begrenzte Kilometerzahl ableisten. Deshalb ist die Schwebebahn nur am Wochenende unterwegs.
- Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 60 km/h, diese wird aktuell aber auf Grund der Mängel nicht erreicht. Durchschnittlich fährt die Bahn derzeit 28 km/h.
- Seit dem Jahr 1900 kam es lediglich zu einem Unfall mit Todesfolge. 1999 entgleiste ein Wagon und stürzte in die Wupper. Fünf Menschen kamen dabei ums Leben. Trotzdem gilt die Schwebebahn als eines der sichersten Verkehrsmittel der Welt.
- Untrennbar in die Geschichte der Schwebebahn eingegangen, ist auch ein Elefant: Im Juli 1950 durchbrach die Elefantendame Tuffi bei einer Werbefahrt für den Zirkus Althoff die Wand des Waggons, stürzte zehn Meter in die Tiefe und landete in der Wupper. Wie durch ein Wunder wurde Tuffi nur leicht verletzt.