Goch/Venlo. Henning Janßen lebt in Goch und arbeitet an der Fontys in Venlo. Der neue Direktor der Hochschule lernte Niederländisch aus einer Laune heraus
Henning Janßen aus Goch, frisch ernannter Direktor der Fontys Hogeschool Techniek en Logistiek in Venlo, ist ein Grenzgänger par excellence. Der 51-Jährige schätzt sein Tätigkeitsfeld und die Zusammenarbeit mit den Kollegen an seiner niederländischen Wirkungsstätte, genießt aber zugleich die Vorteile eines Lebens in seiner Heimat, am Niederrhein. Und so stellt er fest: „Die Bürokratie wurde von den Deutschen erfunden, aber die Niederländer haben sie perfektioniert“.
Von Kleve nach Nimwegen für Motorrad-Ersatzteile
Auslöser für seinen Wunsch, endlich „richtig“ Niederländisch zu lernen, war der Besuch in der Werkstatt seines Motorraddealers in Nimwegen. Der passionierte „Schrauber“, aus seiner Geburtsstadt Kleve angereist auf der Suche nach Ersatzteilen für seine Moto-Guzzi, musste sich vom Inhaber irgendwann den Satz anhören: „Henning, du lebst doch an der Grenze, fährst seit Jahren nach Nimwegen, wieso ist dein Niederländisch immer noch so saumäßig?“ Das hat ihn Henning Janßen gewurmt – und bewirkt, dass er sich nach dem Abitur an der Universität Münster im Fach Niederländische Philologie einschrieb.
Ein wichtiger Meilenstein auf seinem Weg zur Ernennung zum Direktor der Fontys Hogeschool Techniek en Logistiek in Venlo jetzt zum 1. März. Wenn auch nicht der einzige. Zwar ist der 51-Jährige, der neben Niederländisch auch Kommunikationswissenschaften und Wirtschaftspolitik studiert hat, bereits seit 2007 an der Fontys Hogeschool tätig, zunächst als Dozent, später als Studiengangleiter im Bereich Fresh Business Management und Marketing. Sein beruflicher Werdegang bis dahin jedoch könnte bunter kaum sein.
Karriere in den Niederlanden
Angefangen hatte alles nach dem Studium in einer „Medienwerkstatt“ seiner Heimatstadt Kleve, der Firma mediamixx, deren Geschäftsführer Frank Wöbbeking den damaligen Praktikanten und Nachwuchs-Marketeer gewähren ließ bei der Akquise niederländischer Unternehmen, die den deutschen Markt erobern wollten. Bald im Klaren darüber, dass gute Sprachkenntnisse und ein Händchen für den Umgang mit Menschen Türen öffnen, heuerte Henning Janßen danach bei bekannten niederländischen Musik- und Theaterproduktionsfirmen an. Für einige Jahre wurde das Showbusiness sein Metier, das Produkt in Deutschland zu vermarkten sein neuer Lebensinhalt.
Nach einem Zwischenspiel in Diensten eines international operierenden Agrarkonzerns, der eine Niederlassung in Boxmeer sowie ein Deutschlandbüro in Goch unterhielt, kam er 2007 an die Fontys Hogeschool in Venlo. Dort sollte ein Agrarstudiengang aufgebaut werden, „die suchten Leute, da habe ich mich einfach beworben“, erzählt Henning Janßen, der zu einer Zeit die Universität besucht hatte, als Marketing noch kein Studienfach, sondern nur ein Seminarangebot im Fachbereich Betriebswirtschaftslehre war.
Entwickelt und verstärkt
Nach einigen Jahren als Dozent an der Fontys International Business School (FIBS), als Studiengangleiter Marketing Management sowie als Mitglied des FIBS-Managementteams tritt Henning Janßen nun zum 1. März als Direktor der Fontys Hogeschool Techniek en Logistiek an, „ein regionaler Katalysator, der in Zusammenarbeit mit der Region und Unternehmern die Talente junger Menschen entdeckt, entwickelt und verstärkt“.
Die Hochschule habe sich ihm zufolge in den letzten zehn bis 15 Jahren gehörig verändert, in den Niederlanden mehr noch als in Deutschland. Die klassische Vorlesung habe ausgedient, die Zeit, in der Dozenten Studierenden in traditioneller Manier ihr Wissen weitergaben, gehöre der Vergangenheit an. „Heute zielt, zumindest bei uns an der Fontys, die Hochschulausbildung auf Talententwicklung“, betont Janßen.
Gründe fürs tägliche Grenzpendeln
Warum hat einer, der auf Niederländisch denkt und träumt und die Menschen dort ihrer „etwas anderen Mentalität und Kultur“ wegen so sehr schätzt, eigentlich nicht auch seinen Wohnsitz dort? Warum dieser tägliche Grenzpendelverkehr? Wohnen in den Niederlanden sei um ein Vielfaches teurer, erklärt Janßen. Außerdem fühlten seine Frau und er sich sehr stark in der Region Niederrhein verwurzelt. Auch habe ein Leben auf der deutschen Seite seine Vorteile, so etwa das Gesundheitssystem, das er für das bessere hält.
Klar gebe es sie, die lästigen Begleiterscheinungen des Grenzpendlertums. Nicht erst die Corona-Pandemie habe bürokratische Hindernisse zu Tage gefördert, die einem als Grenzpendler zu schaffen machen. Instanzen wie der Grenzinfopunkt und die Euregio spielten für viele Grenzpendler eine bedeutende Rolle, etwa wenn es darum gehe, in Erfahrung zu bringen, ob die Grenzen für den Reiseverkehr geöffnet seien oder nicht, ob und wann man einen Test vorlegen müsse, ob Grenzpendler kontrolliert würden oder nicht. „Wichtige Fragen waren für mich während meiner Tätigkeiten für niederländische Auftrag- und Arbeitgeber stets Sozialversicherung, Krankenkasse und Steuern.“
Bürokratie wurde von den Deutschen
Eine generelle Charakterisierung der Niederländer als weltoffen und unbürokratisch weiß Henning Janßen aus Erfahrung zu relativieren. „Auch dort ist Bürokratie eine reale Größe“, erklärt er. Da habe er im Umgang mit Behörden schon so manche Erfahrungen machen müssen, etwa durch Bemerkungen wie: „Sie folgen der vorgeschriebenen Prozedur nicht, mein Herr.“ Janßen: „Die Bürokratie wurde von den Deutschen erfunden, aber die Niederländer haben sie perfektioniert.“
Dennoch, irgendwann einmal wieder in Deutschland zu arbeiten, kommt für Henning Janßen nicht mehr in Frage. Das hat zweifelsohne mit der vergleichbaren Mentalität der Limburger und Niederrheiner zu tun. Einwohner der Provinz im Südosten der Niederlande grenzen sich nun mal gerne ab vom Westen des Landes. Es habe ihn unlängst mit Stolz erfüllt, erzählt Janßen, als ihn während einer Motorradtour durch den Nordwesten der Niederlande ein Tankstelleninhaber mit der Bemerkung begrüßte, der Kunde sei wohl nicht von hier, er stamme wohl aus Limburg…