An Rhein und Ruhr. In der Coronakrise wird die zusätzlich anfallende Haus- und Familienarbeit vor allem von Frauen übernommen. Ein Rückfall in traditionelle Rollen?

Zeit für sich hat Kristina S. nur noch beim wöchentlichen Großeinkauf. „Ansonsten bin ich sogar im Bad immer ansprechbar“, erzählt die zweifache Mutter. Neben dem Haushalt und der Betreuung ihrer Kinder arbeitet sie 20 Stunden pro Woche als Bildungsplanerin für eine Jugendorganisation in Essen, derzeit von zuhause aus. Ungestörtes Arbeiten ist dort nicht möglich, denn durch Corona hat sich der Familienalltag, wie bei vielen anderen, stark verändert.

Kristinas Mann ist Anwalt und ebenfalls im Home-Office. „Er braucht für seine Konferenzen absolute Ruhe, deswegen sitzt er aktuell in unserem gemeinsamen Büro.“ Offiziell arbeite er 42 Stunden die Woche, „Überstunden sind aber die Regel.“ Kristinas Halbtagsstelle findet daher im Wohnzimmer statt.

Coronakrise erzeugt deutlich mehr Arbeit im Haushalt

Mit hinzugekommen ist das Home-Schooling für die siebenjährige Tochter und den elfjährigen Sohn, außerdem Snacks, Abendessen, immer ansprechbar sein, die fehlenden Mitschülerinnen und Mitschüler ersetzen. Dann gilt es noch, die Hausaufgaben der Musikschule zu managen und Erledigungen für ihre Eltern zu machen. „Und wenn ich abends noch Energie fürs Fernsehgucken habe, bügele ich nebenbei“, erzählt sie.

„Ich war nach der Geburt beider Kinder jeweils drei Jahre zuhause, da habe ich dann natürlich die Hausarbeit übernommen“, erzählt sie. Dass sie seit einiger Zeit halbtags arbeitet, habe an der Aufteilung nicht viel verändert. Durch die vier Menschen, die nun pandemiebedingt ständig zuhause sind, wird auch der Aufwand im Haushalt höher, und mögliche Rückzugsorte und Ausgleiche schwinden.

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Und trotzdem: beschweren will sie sich nicht. „Ich mache das alles gerne. Es soll vor allem den Kindern gut gehen. Und wir bringen unsere Familie gut durch die Krise.“ Kristina S. ist mit ihrem hohen Arbeitsaufwand im Haushalt nicht allein.

Umfrage zeigt: Aufteilung war schon vorher ungleich

Eine repräsentative Umfrage der Bertelsmann Stiftung zeigt: Die Bewältigung der zusätzlichen Haus- und Familienarbeit, die mit den pandemiebedingten Einschränkungen einhergeht, lastet hauptsächlich auf den Schultern der Frauen. Viele Familien finden sich somit in als „traditionell“ geltenden Rollenbildern wieder. Etwa zwei Drittel der befragten Frauen erledigen die Lebensmitteleinkäufe, bei den Männern sind es weniger als ein Drittel. Das Kochen ist zu 62 Prozent in weiblicher Hand, nur 14 Prozent der Männer kochen regelmäßig. Trotz dieser Zahlen ist die Mehrheit der befragten Männer der Meinung, die Care-Arbeit sei gerecht verteilt. Beinahe die Hälfte der Frauen fühlt sich durch die Pandemie-Situation jedoch an ihre körperliche, psychische und emotionale Grenze gebracht.

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Die Umfrage zeigt außerdem, dass die Haus- und Familienarbeit auch schon vor der Corona-Pandemie ungleich verteilt gewesen ist. Somit könnte die aktuelle Situation weniger einen „Rückfall“ in traditionelle Männer- und Frauenrollen bedeuten, sondern vielmehr offenbaren, dass sich diese Rollenverteilung bisher kaum verändert hatte. Kitas, Schulen und Großeltern konnten die sichtbare Ungleichheit womöglich ein Stück weit abmildern, in der Krise aber fielen die als traditionell weiblich geltenden Aufgaben wie selbstverständlich zurück in Frauenhand.

Erkenntnis der Pandemie: „Meine Frau managt viel mehr als ich.“

Auch der Alltag von Familie Klawczynski aus Emmerichist nach eher traditionellen Rollenbildern organisiert. Vater Maciej arbeitet als Koordinator einer Logistikgruppe im Schichtdienst, Mutter Monia sattelte in der Corona-Krise vom Einzelhandel zur Alltagsbegleiterin um. Die Betreuung ihres siebenjährigen Sohnes Milow und die Aufgaben im Haushalt liegen meist bei ihr. Wenn sie arbeiten geht, übernehmen manchmal die Oma oder die Nachbarin.

„Wenn mein Mann Spätdienst hat, steht er jetzt trotzdem früh morgens auf und bereitet schon mal alles für Milows Online-Unterricht vor“, erzählt Monia. Insgesamt sei sie aber stressresistenter und würde alles gut gleichzeitig schaffen, ergänzt Vater Maciej. „Erst in der Corona-Krise habe ich verstanden: Meine Frau managt viel mehr als ich in meinen acht Stunden auf der Arbeit. Ohne meine Frau würde die ganze Sache hier kollabieren.“

Fehlender Ausgleich zehrt an den Nerven

Trotzdem stößt auch Mutter Monia ab und zu an ihre Grenzen, gerade beim Thema Home-Schooling. „Wenn Milow Aufgaben machen soll, sieht er mich anders als seine autoritäre Lehrerin – ich bin immer die Mama.“ Früher waren es nur die Hausaufgaben am Nachmittag, jetzt muss Milow durch den kompletten Schulalltag begleitet werden. „Ich sorge mich, ob ich dieser Aufgabe gerechtwerde.“

Fehlen tue der Familie vor allem der Ausgleich. „Wenn uns normalerweise der Alltag stresst, fahren wir gerne mal kurz weg, gehen in die Sauna oder genießen einen Kaffee an den Rhein-Terrassen, um wieder Energie zu tanken.“ Jetzt hilft nur Netflix, Spazierengehen, oder aktuell das Rodeln. Schön sei die Zeit aber trotzdem. „Die Familie rückt näher zusammen“, meint Vater Maciej. „Außerdem muss auch nicht immer alles perfekt sein.“