An Rhein und Ruhr. NRW bietet ein kostenloses Lernportal an. Über die Hälfte der Schulen setzt im Distanz-Unterricht aber auf kommerzielle Angebote.

„Das lange Warten hat ein Ende“, verkündete Staatssekretär Mathias Richter im November 2019. Nach fünfjähriger Entwicklungszeit gab das NRW-Schulministerium feierlich den Start der landeseigenen Schulplattform Logineo bekannt. Ein „echtes Update für das digitale Arbeiten in unseren Schulen“, versprach Richter. Doch als im Frühjahr 2020 das Coronavirus ausbrach und mehr und mehr Schulen nach Programmen für ihren Digital-Unterricht suchten, blieb das Interesse an Logineo gering. Dabei sei der Wunsch nach einer einheitlichen Lösung groß, beteuern Schulleiter.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Lediglich 2.226 der über 5.000 Schulen in NRW nutzten nach Angaben des Schulministeriums bis zum 4. Januar das Lernmanagementsystem von Logineo. Mehr als die Hälfte setzt weiterhin auf kommerzielle Portale. Der Messenger-Dienst von Logineo, über den Lehrer und Schüler in Einzel- und Gruppenchats digital miteinander kommunizieren können, wurde im August 2020 hinzugefügt. Das Chat-Programm ist aktuell bei weniger als einem Drittel der Schulen (1.441) im Einsatz. Doch wieso ist das Interesse an den Angeboten des Landes so überschaubar?

„Ein Hauptgrund, warum wir uns gegen Logineo entschieden haben, war das fehlende Video-Tool“, erklärt Astrid Weidler, Schulleiterin am Otto-Hahn-Gymnasium in Dinslaken. Die Schule habe sich zu Beginn der Pandemie verschiedene Lernportale angeguckt. Weil Videokonferenzen im Digital-Unterricht aber unverzichtbar seien, habe sich das Otto-Hahn-Gymnasium früh gegen das Angebot des Schulministeriums entschieden. „Logineo ist nicht zuverlässig und es fehlen zentrale Elemente“, so Weidler. „Noch vernichtender kann ein Urteil eigentlich nicht ausfallen.“

Schulleiterin: „Bei Logineo war das Vertrauen nicht da“

Sehr gerne würde die Schulleiterin auf Logineo umsteigen. „Dann wären wir auch datenschutzrechtlich abgesichert“, sagt Weidler. „Aber das Programm ist im Gegensatz zu anderen Portalen nicht benutzerfreundlich genug.“ Außerdem sei da dieser Sicherheitsgedanke gewesen – auf etwas zu setzen, das sich bereits über mehrere Jahre bewährt habe. „Bei Logineo war das Vertrauen nicht da“, erklärt die Schulleiterin. Bis alle Zweifel beseitigt seien und das Lernportal technisch mit der Konkurrenz gleichgezogen habe, sei es deshalb noch „ein weiter Weg“, prognostiziert Weidler.

Auch Alexandra Haußmann von der Hulda-Pankok-Gesamtschule in Düsseldorf fände eine landeseinheitliche Lösung grundsätzlich richtig. „Das wäre auch für Kinder deutlich einfacher, die auf eine andere Schule wechseln“, so die Schulleiterin. Als sich die Schule jedoch im März 2020 für eine Lernplattform entscheiden musste, fiel die Wahl auf „itslearning“. „Was uns seinerzeit fehlte, waren ein Video-Tool und ein Messenger-Dienst“, sagt Haußmann. „Das sind beides wichtige Aspekte.“

Stephan Proksch von der Gesamtschule Stettiner Straße in Düsseldorf verweist auf ein weiteres Argument: „Wir nutzen itslearning, weil es vom Schulträger so vorgesehen war.“ Zu Beginn der Corona-Pandemie habe die Stadt Düsseldorf eine Rundmail verschickt. Die Aufforderung: Wer noch keine Lernplattform hat, solle sich nicht selber umgucken. „Deshalb sind wir, als Logineo rauskam, auch nicht auf diesen Zug aufgesprungen“, so Proksch.

Video-Tool: Schulministerium will Verfahren beschleunigen

Bis zum 1. April habe die Stadt Düsseldorf nach eigenen Angaben allen städtischen Schulen die Nutzung der Lernplattform istlearning ermöglicht. Doch wieso gab die Stadt bis Ende September 2020 rund 75.000 Euro für Lizenzen aus, anstatt auf Logineo zu verweisen? Das Problem: Zwar gab es ab November 2019 bereits das Hauptsystem Logineo NRW, das in erster Linie für die interne Kommunikation und Terminabsprachen genutzt wird. Das Lernmanagementsystem, das Unterricht auf Distanz ermöglicht, sei aber erst im Juni 2020 eingerichtet worden. Ein Abwägen zwischen beiden Systemen sei deshalb zu Pandemie-Beginn gar nicht möglich gewesen, so Stadtsprecher Falk Velten.

Trotz aller Kritik wirbt das NRW-Schulministerium weiterhin für seine digitalen Angebote. Es sei „angebracht und wünschenswert, wenn Logineo NRW in allen Schulen Nordrhein-Westfalens zum Einsatz käme“, hieß es in einer schriftlichen Antwort an die NRZ. Der Messenger-Dienst solle um ein Videokonferenz-Tool erweitert werden. Ein Datum nannte das Ministerium aber nicht. „Es finden Gespräche statt, wie das Verfahren beschleunigt werden kann.“

+++ Update: Gebauer verkündet Start des Video-Tools +++

NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hat am Donnerstag (21.01.) die neue Videokonferenztechnik von Logineo angekündigt. Das Tool könne ab sofort von Schulen genutzt werden. Lehrer und Schüler hätten damit die Möglichkeit, in direktem Austausch Unterrichtsinhalte zu vermitteln und zu diskutieren. Auch Bildschirmpräsentationen könnten über die neue Technik geteilt werden.