An Rhein und Ruhr. Eltern zeigen Verständnis für begrenzte Betreuungszeit. Dennoch steigen die Zahlen der zu betreuenden Kinder. Gewerkschaft kritisiert den Trend.
„Ich habe das Glück, dass ich momentan nur am Wochenende arbeite, da ist dann mein Mann zu Hause. Wochentags betreue ich unseren Sohn. Das ist an manchen Tagen anstrengend, aber was habe ich für eine Wahl? Die Gesundheit geht vor“, lautet die Aussage von Deborah Morris aus Duisburg zu der aktuellen Betreuungssituation in den Kindertagesstätten. Seit Dezember vergangenen Jahres sind die Kindergärten in NRW wieder in den Pandemiebetrieb gegangen: Die Betreuungszeit wurde um 10 Stunden reduziert, die Kinder sollen nur noch in festen Gruppen und täglich von denselben Erziehern betreut werden.
„Die Landesregierung appelliert auch weiter an alle Eltern, ihre Kinder, wenn immer möglich, selbst zu betreuen“, sagt Hennig Severin, stellvertretender Pressesprecher des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in NRW. Nach den bislang vorliegenden Rückmeldungen seien rund 35 Prozent der insgesamt 729.300 Kinder in NRW, die einen Kitaplatz haben, in der zweiten Januarwoche in die Betreuung gebracht worden.
Appell der Landesregierung: Kinder zu Hause betreuen
Einer von den knapp 730.000 Kindergartenkindern ist der Sohn von Jasmin Piller-Kaminski. Er besucht die evangelische Kindertagesstätte Fröbelstraße in Dinslaken. „Ich bin, durch die aktuelle Betreuungssituation, hin und her gerissen. Ich bin selbst Sozialpädagogin und kann die getroffenen Maßnahmen im Hinblick auf meine Kolleginnen und Kollegen nachvollziehen. Als Mutter ist es jedoch nicht einfach das Kind von der Kita fernzuhalten, denn ihm fehlt der Kontakt zu den Gleichaltrigen“, sagt Piller-Kaminski. In der Kita Fröbelstraße, die insgesamt 47 Kinder besuchen, betreut das Team um Kindergartenleiterin Alexandra Gabler momentan zwischen 15 und 19 Kindern pro Tag. „Wir denken aber, dass es in den kommenden Wochen wieder voller wird“, so Gabler.
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Die gleiche Tendenz kann auch Renate Ruschmeier, stellvertretende Leiterin der evangelischen Kindertagesstätte Arche in Xanten bestätigen. „In der ersten Januarwoche hatten wir nur fünf von 43 Kindern zu betreuen, nun sind die Ferien vorbei, der Druck der Eltern im Lockdown steigt und es werden jeden Tag mehr Kinder“, sagt Ruschmeier.
Vereinbarkeit von Homeoffice und Betreuung der Kinder hoch belastend
Auch in Düsseldorf melden die Eltern zurück, dass die Vereinbarkeit von Homeoffice und Betreuung der Kinder hoch belastend ist, teilt eine Sprecherin der Stadt auf Anfrage unserer Redaktion mit. Über 2000 Kinder werden derzeit in den Kitas im Stadtgebiet betreut. Im Normalbetrieb sind es knapp 6.300 Kinder. „Die Eltern klagen oft über unaushaltbare Situationen, weshalb immer mehr ihre Kinder wieder zu uns bringen“, sagt Annette Huth, Leiterin der städtischen Kita am Hackenbruch in Düsseldorf.
Der wachsenden Zahl an Eltern, die das Betreuungsangebot der Kindertagesstätten wahrnehmen, sieht die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) NRW kritisch entgegen. „Wir hätten uns eine klare Verordnung gewünscht, denn der Appell an die Eltern von Minister Stamp hat in vielen Einrichtungen nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Stattdessen sind viele Kitas voll und an einen adäquaten Infektionsschutz, sowohl unter den Kindern als natürlich auch gegenüber den Erzieherinnen und Erziehern, ist nicht zu denken“, sagt Joyce Abebrese, Referentin für Tarifpolitik, Jugendhilfe und Sozialarbeit und Erwachsenenbildung der GEW NRW.
Stundenreduzierung verfehle ihren Sinn
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Die Reduzierung der Stunden bewerte die GEW NRW wiederum als positiv. Allerdings verfehle diese Maßnahme mancherorts ihren eigentlichen Sinn, nämlich die strikte Trennung der Gruppen und der Erzieher für den Infektionsschutz. „In einigen Einrichtungen, in denen das Personal schon vor Corona knapp war, und das betrifft den Großteil der Kitas in NRW, werden die Kinder aus verschiedenen Gruppen trotzdem gemischt und auch die Fachkräfte müssen Personalvakanzen in den Einrichtungen ausgleichen“, so Abebrese.
Klarere Regelungen vonseiten des Familienministeriums würden die Kommunikation und die Erziehungspartnerschaft zwischen den Fachkräften und den Eltern entlasten und verbessern. Die GEW fordert einen Stufenplan, der Antworten auf die Betreuungszeiten nach Ende Januar und auch die Frage beantwortet, bei welchen Infektionszahlen Kitas gänzlich schließen. Ohne konkrete Pläne fühlten sich die Erzieher nämlich von der Politik oft allein gelassen.