Am Niederrhein. Landgeflüster – ein bisschen Tratsch, niederrheinische Weisheit und Humoriges – Susanne Wingels aus Bedburg Hau, wird regelmäßig für uns flüstern

Vielleicht ist Ihnen die Dame ja schon einmal über den Weg gelaufen – in irgendeiner Form. Susanne Wingels ist eine, zugegeben, zugezogene, aber mit ganzem Herzen und aufrecht bekennende Niederrheinerin. Viele Bücher und Freizeitführer über unsere Region hat sie schon veröffentlicht – und ab heute ist Sie mit ihrer Kolumne „Landgeflüster“ bei „Wir am Niederrhein“ zu lesen. Immer dienstags, im Wechsel mit einem ebenfalls profunden Niederrheiner, dem Sprachforscher Georg Cornelissen.

Landgeflüster nennt sich Ihre und unsere neue Kolumne. Was dürfen wir denn da erwarten?

Der Titel ist erst entstanden, als ich die ersten Beiträge schon geschrieben hatte – und es einfach Landgeflüster WAR: Geschichten oder auch Gedanken, bei denen man sich fragt, ob ich das wirklich so erlebt oder gehört habe, die aber alle einen wahren Kern in sich tragen. Ich schwör’s!

Sie schreiben ja nicht erst seit gestern – wobei Sie ja eigentlich einen ganz „normalen Beruf“ haben, Sie sind Industriekauffrau…

Das ist der Beruf, den ich gelernt habe und in dem ich arbeite. Wobei ich mich nie spezialisiert habe. Ich war praktisch überall Mädchen für alles, Urlaubsvertretung und vor allem Sekretärin… Irgendwann hatte ich das Glück, einen Verlag zu finden (inzwischen sogar zwei), der sich für das interessierte, was ich zu sagen (schreiben) hatte, und so konnte ich ganz nebenbei auch noch Autorin werden – was ich als Kind schon wollte.

Susanne Wingels, Autorin aus Bedburg-Hau. Und unserer „Landflüsterin“.
Susanne Wingels, Autorin aus Bedburg-Hau. Und unserer „Landflüsterin“. © wasch

Wenn man nicht weiß, wie man die Zeit am Niederrhein ‘rumkriegen kann, muss man nur ebkes in Ihre Freizeitführer gucken – wo ist es denn am schönsten?

Überall! Ganz ehrlich! Ich habe als Kind schon meine Umgebung geliebt und mit elf erste dokumentarische Fotos von Kalkar gemacht: Die Ley, den Mühlenstumpf, später mal mit meinem sozialkritischen ersten Freund den Brüter.

Die Sieben Quellen

Bei Radtouren mit meinen Eltern habe ich den Reichswald, die Sieben Quellen, den Marienbaumer Hochwald und Hoch-Elten geliebt. Beim Entdecken für meine Bücher war ich sehr begeisterungsfähig. Ich habe laufend meinen Radius erweitert und immer neue und sehr verschiedene Stellen am Niederrhein lieben gelernt. Ein Gebiet, das mich besonders fasziniert, ist der Elmpter Schwalmbruch, bei dem man auf einer Sechs-Kilometer-Wanderung eine Wacholderheide, ein Gagelmoor, Erlen-Bruchwald und die Schwalmaue zu sehen bekommt und sich das Ganze auch noch von einem Aussichtsturm aus von oben anschauen kann.

Das Leben ist (k)ein Ponyhof

Als Mensch aus dem Nordkreis Kleve haben mich beim Entdecken der Familien-Ausflugsziele die für mich neuen Kombinationen weiter im Süden fasziniert: Tierpark+Freizeitpark, Maislabyrinth+Bootsverleih und Maislabyrinth+Ponyhof zum Beispiel. Das ist wie eine Weltkugel um mich herum, die ständig größer wird. Für mich ist es überall da am Niederrhein am schönsten, wo viel Natur ist. Die darf dann auch ganz unterschiedlich aussehen.

Bücherauswahl Susanne Wingels

Susanne Wingels arbeitet auch als Übersetzerin – ihr größtes Projekt, schmunzelt sie, sei dabei ein 500-seitiges Handbuch für eine Gasturbine. „Auch über Milzbrand und andere veterinärmedizinische Zusammenhänge oder Verpackungsdeklaration bei Lebensmitteln weiß ich jetzt bestens Bescheid.“

Bücher schreibt sie seit 2013. Erschienen sind u.a.:

2014: Niederrhein mit
Kindern 1
, Pagina Verlag, Goch
2016: Niederrhein mit
Kindern 2, Pagina Verlag, Goch
2018: Niederrhein – 1000 Freizeittipps, Wartberg-Verlag
2018: Dunkle Geschichten vom Niederrhein, Wartberg-Verlag
2020: Niederrhein – Schlösser, Burgen, Herrenhäuser und Rittergüter, Wartberg-Verlag
Aktuell: Überarbeiten der „Niederrhein mit Kindern“-Bücher

Und sie haben dann auch so seltsame Gestalten entdeckt wie die Hexe von Moyland – die hat es wirklich gegeben?

Das ist eine schwierige Frage, der ich unbedingt noch nachgehen und diverse Archive aufsuchen muss. Tatsache ist, dass es Hexenverbrennungen am Niederrhein und die Kroatenüberfälle 1635 gegeben hat. Das Kroatenkreuz in Kevelaer und die Chronik der Stadt Kalkar geben Aufschluss darüber. Das Dorf Liedberg soll in unmittelbarer Nähe des heutigen Museumsschlosses gelegen haben, von kroatischen Söldnern 1635 aber zerstört worden sein. Dort hat, so die Sage, eine Frau namens Elga gelebt – die als Hexe auf dem Scheiterhaufen endete. Ich würde zu gerne versuchen, das Dorf Liedberg auf einer alten Karte zu finden.

Infos über und von Susanne Wingels gibt es hier

Und was ist mit dem Glücksritter Balderich?

Den hat es gegeben, definitiv: Balderich von Drenthe, mein Lieblings-Bösewicht! Tollkühn und machthungrig und dann noch so passend mit Adela von Hamaland verheiratet, dass die beiden vermutlich ihre eigenen Erben umbringen ließen. Nur deshalb wurde die Verwaltung von Kleve in die Hände des Grafen Rutger gelegt, der zum Stammvater der Klever Grafen wurde und die Schwanenburg maßgeblich gestaltet hat.

Nahe des heutige Museums Schloss Moyland befand sich vor langer Zeit einmal das Dörfchen Liedberg - dort lebte eine Frau namens Elga, die auf dem Scheiterhaufen endete - so erzählt die Legende…
Nahe des heutige Museums Schloss Moyland befand sich vor langer Zeit einmal das Dörfchen Liedberg - dort lebte eine Frau namens Elga, die auf dem Scheiterhaufen endete - so erzählt die Legende… © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Balderich selbst wurde übrigens in der Dorfkirche in Zyfflich beerdigt, die er auch gestiftet hatte. Sein Grab wurde Anfang des 20. Jahrhunderts beim Bau einer Toilettenanlage zerstört. Das finde ich ein sehr bezeichnendes Ende.

Sie können der Geschichte der beiden überall am Niederrhein begegnen, ganz besonders in Hochelten, Zyfflich und auf dem Duivelsberg, wo die alte Burgmotte der Burg Mergelp steht.

Glauben Sie, dass sich die Menschen in zehn Jahren auch noch Geschichten erzählen werden?

Menschen werden immer Geschichten erzählen. Das liegt in unserer Natur, und wir haben heute eher mehr Zeit dafür als früher. Die Medien mögen sich ändern. Aber auch Filme und Computerspiele erzählen Geschichten. Sie sind nur anders aufbereitet.

Auch das Bedürfnis zu reden fällt nicht einfach weg. Am Ende kommunizieren Menschen doch immer noch miteinander und tauschen sich aus. Und da sind garantiert auch in zehn Jahren noch gute Geschichten dabei.

Fein, dass Sie uns nun alle vierzehn Tage etwas zuflüstern werden.

Das finde ich mindestens genauso fein wie Sie!

Ein erstes Landgeflüster nun von Susanne Wingels:

Mehr als Schall und Rauch

Nicht selten sind Namen am Niederrhein so „prominent“, dass sogar Bushaltestellen nach ihnen benannt werden. Da finden sich Haltepunkte wie „Minor“, „Verholen“ oder „Offenberg“, und jeder weiß Bescheid. Weil diese Familie einfach immer dort gelebt hat.

Ich selbst bin gebürtig aus Kalkar. Im Kalkarer Krankenhaus geboren und dort aufgewachsen, bis ich mit 21 mein Elternhaus verlassen habe. Meine Eltern jedoch sind erst zwei Jahre vor meiner Geburt aus dem Ruhrgebiet zugezogen, so dass ich mich nur ganz knapp und nicht in Jedermanns Augen als Einheimische qualifiziere. Dabei bin ich – was rechnerisch gut belegbar ist – sogar in Kalkar gezeugt.

Besuchte ich Freundinnen das erste Mal und saß dort im Kreise der Familie am Essenstisch, so gab es immer eine Oma, die mich eingehend musterte und dann fragte: „Und? Wo bist du von?“ Ich senkte bescheiden den Kopf, wohl wissend, dass sie mit meinem Namen und meinen Eltern und auch meiner Neubausiedlungs-Adresse nichts anzufangen wusste, und erntete für meine persönlichen Daten nichts als Enttäuschung.

Doch wie das Leben so spielt: Bin ich heute in Kalkar unterwegs, so glaube ich Klassenkameraden, Bekannte oder Weggefährten zu sehen und will sie gerade grüßen, da fällt mir auf: Die sind viel zu jung! Aber vielleicht sind das ja die (legitimen oder illegitimen) Kinder von Klassenkameraden, Bekannten oder Weggefährten…

Und dann klemme ich ganz fest den Mund zusammen, um nicht zu fragen: „Wo bist du von?“