An Rhein und Ruhr. Nach dem Aus für die Maskenpflicht, war Lüften das A und O an den Schulen am Niederrhein. Wie soll es weitergehen, wenn es nun kälter wird?
Skeptisch blicken Schulleiter, Lehrer und Eltern auf die kalte Jahreszeit. „Insbesondere die Fragen, wie das Lüften im Herbst funktionieren soll, ob Luftfilter flächendeckend eingesetztwerden und CO2-Messgeräte eine schnell einsetzbare Alternative sein können, müssten bundesweit einheitlich geklärt werden“, heißt es am Montag in einer gemeinsamen Pressemitteilung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, des Bundeselternrats und des Verbands Bildung und Erziehung.
„Dabei dürfen die Kosten für den Einsatz der Geräte kein K.o.-Kriterium sein. Wenn Unternehmen mit Milliarden gerettet werden, sollte uns die Zukunft dieses Landes, die Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern mindestens genauso viel wert sein“, erklären die drei Vorsitzenden. Die beiden größten Lehrergewerkschaften und der Elternverband richten sich damit an die Teilnehmer des Schulgipfels um Kanzlerin Merkel, der am Montagabend stattfand.
Erste Kommunen setzen auf Luftfilter
Bisher werden einheitliche Lösungsansätze vermisst. Auch landesweit gibt es – abgesehen von Mitteln für den Ausbau der Digitalisierung – bislang kein gemeinsames Vorgehen, um die Schulen fit gegen Corona zu machen. Viel Verantwortung liegt bei den Schulen und den Kommunen als Schulträger.
So ist etwa Neukirchen-Vluyn in Sachen Luftreiniger vorgeprescht und hat entsprechende Geräte geordert. Die Filterschränke sollen in den Herbstferien in allen Schulen und Kitas aufgestellt werden. Kostenpunkt: 300.000 Euro. Die Stadt erhofft sich einen niedrigeren Energieverbrauch, da die Klassenräume dank der Filter nicht so häufig gelüftet und in kalten Wintermonaten wieder aufgeheizt werden müssen.
Auch die Stadt Oberhausen prüft nach eigenen Angaben den Einsatz von Luftfiltern, will aber in Absprache mit dem Gesundheitsamt zunächst die Anschaffungskosten und Wirksamkeit der Geräte abwägen. Die vorgesehene Stoßlüftung von Klassenräumen im 45-Minuten-Rhythmus sei grundsätzlich auch im Herbst und Winter möglich.
In Moers will die Verwaltung vor dem Einbau von Luftfiltern zunächst die gewonnenen Erkenntnisse abwarten. Dringenden Handlungsbedarf gebe es derzeit nicht. „Jeder Klassenraum kann vernünftig stoß- beziehungsweise quergelüftet werden“, so die Stadt.
Weseler Gymnasium probiert CO2-Melder aus
Auf Stoßlüften wird man im Winter auch am Weseler Konrad-Duden-Gymnasium (KDG) setzen: Schulleiterin Karen Schneider hat einen CO2-Melder bereits im Unterricht mit ihren Fünftklässlern ausprobiert und festgestellt: Das klappt gut. Ohnehin sei es schwierig, Klassenräume angemessen zu heizen, sie seien im Winter tendenziell zu warm. „Wir haben Schüler, die den ganzen Winter im T-Shirt zur Schule kommen, weil die Räume so warm sind“, erläutert sie. Und selbst wenn bei kälteren Außentemperaturen stoßgelüftet werden muss und es kurzzeitig im Raum kühler wird, könnten die Schüler sich für diese Zeit ihre Jacken anziehen.
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Auf die kalte Jahreszeit blickt Schneider also pragmatisch bis optimistisch – auch, weil die Schüler des KDG aus Solidarität mit Risikogruppen nie aufgehört haben, Maske zu tragen und deshalb bislang immer nur Einzelfälle in Quarantäne mussten. Und selbst wenn es wieder zu digitalem Unterricht kommen sollte, sei die Schule gut aufgestellt: Während des Lockdowns habe der Unterricht komplett digital in Videokonferenzen stattgefunden, erzählt Schneider.
Lieferengpässe in Dinslaken: Keine CO2-Ampeln mehr zu bekommen
Ein paar Kilometer weiter, an der Ernst-Barlach-Gesamtschule in Dinslaken, herrscht eine ganz andere Stimmung: „Ich blicke mit großer Sorge in den Herbst und in den Winter“, sagt Schulleiter Ulrich Wangerin. Er habe sich bereits bemüht, sogenannte „CO2-Luftgüte-Ampeln“ für seine Schule zu beschaffen. Das Ergebnis: ernüchternd. Vor Januar 2021 seien die Geräte nicht lieferbar. „Wo wir auch hinschauen – wir haben ein Ressourcen-Problem“, klagt Wangerin.
Zudem fehlen an der Schule knapp zehn Lehrer im Präsenzunterricht, weil sie zu Risikogruppen gehören. Diese Ausfälle würden aber nicht kompensiert. Auf seine Nachfrage habe das Schulministerium ihm geraten, Unterricht zu streichen, was der Schulleiter nun auch tun wird.
Für ihn scheint der einzig sinnvolle Ansatz, den Unterricht zu teilen. So, dass in Woche eins der eine Teil der Schüler kommt, in Woche zwei der andere. Das Problem dabei sei, dass die doppelte Menge der Lehrkräfte gebraucht würde. „Wir müssten uns dann mit dem Schulministerium auf Kernfächer einigen und auf welche, auf die wir verzichten müssten“, meint Wangerin. „Unter diesen Bedingungen ist eine ganzheitliche Bildung nicht mehr möglich.“