Mülheim. Auf der Suche nach dem perfekten Wohnmobil: Unsere Volontärin hat sich auf der Mülheimer „Wohnmobilmeile“ beraten lassen. Eine Reportage.
Ich muss nur die Tür dieses nagelneuen Wohnmobils öffnen und sofort ist das kribbelige Gefühl von Vorfreude und Urlaubsstimmung in mir geweckt. Das geht zurück auf den Sommer 1993, in dem meine Eltern mich auf meine erste „Womo“-Tour mitnahmen. In diesem Urlaub sind wir durch den Odenwald geradelt, haben am Bodenseeufer Eis gegessen und waren im Atlantik schwimmen. Wir haben auf Campingplätzen Boule gespielt, handgemachten Camembert schnabuliert und Fotos vorm Eiffelturm gemacht. Nie waren wir länger als ein paar Tage am gleichen Ort. Und das hat es besonders gemacht. Die Schönheit eines Augenblicks liegt oft in seiner Vergänglichkeit, Wohnmobilfahrer wissen und schätzen das.
Heute bin ich 30 und sehne mich nach einem eigenen Wohnmobil. Nach mehreren Messebesuchen, Urlauben in Mietfahrzeugen und Diskussionen mit dem Liebsten darüber, wer welche Ziele in den nächsten Jahren ansteuern möchte, weiß ich ziemlich genau, was wir wollen: Zwei Erwachsene plus Hund – dafür muss mindestens Platz sein, weitere Schlafplätze wären perspektivisch nicht dumm. Zudem sollte das Gefährt (in beladenem Zustand) nicht mehr als 3,5 Tonnen auf die Waage bringen, damit ich es mit meinem ‚normalen‘ Klasse-B-Führerschein auch fahren darf.
Ausflug auf die „Wohnmobilmeile“ in Mülheim
Ein gängiger Tipp unter Reisemobil-Fans ist die „Wohnmobilmeile“ in Mülheim. An der B1 reiht sich Händler an Händler und alle paar Meter stechen bekannte Herstellerlogos ins Auge. Meinen Termin habe ich bei der Firma RS Reisemobile. Das Unternehmen wirbt damit, der größte Wohnmobilhändler Europas zu sein. Um die 200 Fahrzeuge sind hier in ordentlichen Reihen auf dem Gelände geparkt, warten auf potenzielle Käufer. Zielgruppe: Erlebnisreisende, Weltentdecker, Abenteuersucher.
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Auf dem Firmengelände begrüßt mich Wohnmobilverkäufer Roland Rimkus. Kurz sprechen wir über die Gretchenfrage, die die Gemeinde der Campingfreunde in zwei Lager teilt: Wohnwagen oder Wohnmobil? „Mit einem Wohnmobil reisen Sie“, erläutert Rimkus. „Wenn Sie was erleben wollen, brauchen Sie zwei Dinge: Ein Wohnmobil und eine gute Kamera.“ Ein Wohnwagen hingegen ist stationärer, meist wird einmal aufgebaut und der gesamte Urlaub an einem Ort verbracht. Aber dafür stehen einfach zu viele Ziele auf unserem Zettel: die deutschen Küsten, Kopenhagen, der Inari-See in Finnland, die schottischen Highlands, die kornische Riviera – und das sind nur die Orte, die wir im kommenden Jahr ansteuern wollen.
Mit drei Fragen zum Wunschmobil
Es muss also ein Wohnmobil sein. Die typischen Käufer sind wir nicht, wie Rimkus erklärt: Die seien Mitte, Ende 50 und kaufen das Mobil für die bevorstehende Rente. Allerdings habe es hier in den letzten Jahren Bewegung gegeben. Auch jüngere Menschen suchen immer häufiger Reisemobile – am liebsten als Kastenwagen, damit es sowohl als Alltagsauto, als auch als mobile Wohnung auf Festivals funktioniert. Teuer sollten sie in diesem Fall auch nicht sein – was sich allerdings fast schon ausschließt.
Um für seine Kunden das passende Gefährt zu finden, stellt Rimkus zu Beginn jeder Beratung drei Fragen: Wie hoch ist das Budget? Doppel- oder Einzelbetten? Teil- oder vollintegriert? Wer sich darin noch nicht festlegen kann oder möchte, für den sei die Suche „wie eine Möbelschau, wie bei Ikea.“ So auch für mich. Obwohl klar ist, dass ein Neuwagen nicht im Bereich des finanziell Möglichen liegt, schaue ich mir einige an. Und verliebe mich spontan, habe das was Roland Rimkus den „Wohlgefühl“-Effekt nennt – ausgerechnet im Inneren eines über siebzigtausend-Euro-teuren Vollintegrierten.
Diese Fahrzeuge, meist mit ansprechender Bus-Optik und riesiger Panoramascheibe, sind immer etwas teurer als vergleichbar ausgestattete Teilintegrierte. Das liegt daran, dass hier der gesamte Aufbau neu konstruiert ist, während bei Teilintegrierten die Fahrerkabine des Basisfahrzeugs verwendet wird.
Zuhause unterwegs: Ein Zimmer, Lenkrad, Bad
Platz gäbe es für vier Personen und auch das Interieur mit dem warmen Holzton, den hellen Polstern, Queensbett und dem neuesten Must-Have: einer Face-to-Face-Sitzgruppe hinter den Fahrersitzen, gefällt. Dafür ist das Fahrzeug schwerer und länger als eigentlich gewünscht und der Preis liegt nun mal vierzigtausend Euro über unserer Schmerzgrenze.
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Es wird also ein Gebrauchter werden, eigentlich von vornherein klar. Doch leider – oder aus Sicht der Verkäufer: glücklicherweise – sind die Fahrzeuge preisstabil. Ein Wohnmobil, das nur wenige Saisons gefahren ist, liegt fast auf Neupreisniveau. Die Branche erlebe derzeit jedes Jahr eine Preissteigerung, sagt Rimkus. Kein Wunder, wenn man auf die Zulassungszahlen blickt: Im Reisejahr 2016/17 (jeweils von August bis Juli) wurden laut Caravaning Industrie Verband in Deutschland 38.909 Reisemobile neu zugelassen und seitdem steigt diese Kennziffer stetig. 2019/20 waren es 63.638. Corona befeuert diese Situation zusätzlich. Allein im Juli 2020 gab es 10.943 Neuzulassungen – fast doppelt so viele, wie im Vorjahr (5.484).
Ein Gebrauchter in unserer Preisklasse ist zwar keine uralte Klapperkiste, aber schlicht unmodern. Damit können wir entweder leben oder modernisieren. Die Kosten dafür müssten wir dann allerdings aufrechnen. Und so tut sich plötzlich eine Möglichkeit auf, die wir eigentlich längst ausgeschlossen hatten: einen richtig alten Gebrauchten kaufen und ihn von innen komplett renovieren. Für zehn- bis zwanzigtausend Euro gibt es zwar keine Gewährleistung, aber eine Basis, die man nach eigenem Geschmack und finanziellen Möglichkeiten ausgestalten kann.