NRZ-Kolumnist Matthias Maruhn hat einen Weg gefunden, mit seiner Maske gedanklich auf eine weite Reise gehen zu können.
Ich habe sie vermutlich vor drei Tagen verloren, als ich die Zeitungen zum Altpapiercontainer gebracht habe. Ich hatte sie so ganz salopp am linken Ohr baumeln wie die jungen Ärzte in Grey’s Anatomy, dann habe ich ausrangierte Kartons brav zerkleinert und mit den Zeitungen durch den Schlund des Containers geschoben, beim Einsteigen in den Wagen wollte ich sie abnehmen und fasste ins Leere. Ich bin noch mal zurück, auch unter das Auto hab ich geschaut. Nix. Weg. Schade. Denn sie war schon speziell, sie war die Mutter meiner Masken. Meine Schwägerin Andrea hatte sie mir genäht, damals im März, als wir alle dachten, Ende April ist der Spuk vorbei. Ein großer Irrtum meinerseits und allerseits.
Das handgenähte Tuch hatte mich noch wenige Tage vor seinem mysteriösen Verschwinden auf eine prima Idee gebracht, die ein Mensch mit Krämerseele und mehr geschäftlichem Geschick als ich vielleicht sogar zu Geld machen könnte. Ein Zufall half dabei. Meine Frau war schon zu den Kindern hoch, um gemeinsam was zu kochen, ich wollte später mit dem Rad folgen. Kurz vor der Abfahrt rief meine Frau an: „Wir würden gerne was Griechisches machen“ - es war einer dieser heißen Tage jüngst - „bring doch aus der Schublade mit den Kräutern das durchsichtige Tütchen obenauf mit.“
Aufgeplatzte Kräutertüte sorgt für betörenden Geruch
Aha. Ich ahnte eine längere Suchaktion mit mindestens zwei Rückfrageanrufen, aber ich fand die Tüte auf Anhieb und packte sie zu dem anderen Krempel in meine Fahrradtasche.
Beim Zwischenhalt an der Trinkhalle dann passiert es. Ich greife die Maske aus der Tasche, setze sie auf und bin in Kreta. Unglaublich. Ich hocke hoch auf den Felsen, blicke weit über das Libysche Meer, am Strand gammeln ein paar entspannte Leute, einer spielt Gitarre und die anderen trinken Fix Hellas. Ach wie herrlich, und mit der warmen Luft stiehlt sich ein Duft in die Nase. Thymian, Salbei und über allem herrscht König Oregano.
„Geht’s Ihnen nicht gut?“ Der Kioskmann guckt besorgt. Doch, doch, sag ich und verstehe endlich. Das Tütchen war wohl unzureichend verschlossen, meine Fahrradtasche ist jetzt ein Kräutergarten und die Maske schickt mich auf diesen wunderbaren Kurztrip, in den olfaktorischen Rausch. Wie betörend in Zeiten, in denen das Reisen so beschwerlich ist.
Verschiedene Möglichkeiten
Da bieten sich doch Möglichkeiten: Einfach mal nach Spanien? Legen Sie die Maske kurz neben die Gambas al Ajillo. Die Knoblauchgarnelen schicken Sie für zehn Minuten an die Costa Fantasia. Maske mit Majo? Klar, die Niederlande. Schnell le masque durch eine Soupe des Poissons gezogen, bonjour. Oder Maske Napoli. Kapern nicht vergessen. Die Maske im Burger kurz angebraten für die Fahrt durch Trumpsilvanien. Appenzeller für die Schweiz, Almdudler für Tirol, Caipirinha für Brasilien. Maske Masala für Indien. Oder Sie wickeln fünf Minuten drei Cevapcici in das Tuch und der Balkan grüßt. Denken Sie sich was aus. Immer der Nase nach. Die Welt hat keine Grenzen mehr.
Wichtig noch am Schluss: Lagern sie Ihren Duft-Soff mit Sorgfalt an einem neutralen Ort. Ich habe meine Maske damals an die Heizung gehängt. Da baumeln aber auch die Hunde-Leinen. Nach Oregano hat sie am nächsten Morgen nicht mehr gerochen.