Am Niederrhein. Was wecken Sie ein in diesem Jahr? Freundschaft, Familiensinn? Oder wirklich Obst? Bastian Rütten denkt nach über das, was wir so haltbar machen.

Um diese Jahreszeit wäre es für meine Großeltern undenkbar gewesen, sich auch nur in irgendeiner Art und Weise mit Urlaub zu beschäftigen. Ganz im Gegenteil! Den größten Teil der Zeit verbrachten Sie in diesen Wochen gemeinsam und sehr umtriebig im heimischen Nutzgarten, in der Küche und im Vorratskeller. Im Schrebergarten ging es ans Ernten: Kirschen, Bohnen, Pflaumen, Mirabellen und Äpfel.

In der Küche wurde geschält, entkernt, gewaschen und gereinigt was das Zeug hielt. Danach wurde alles sorgfältig in die Einmachgläser gefüllt. Dichtung rein, Deckel drauf und ab in den Einmachkessel.

Zur Not lebt man aus der Konserve

Bastian Rütten, unser Gastauto denkt darüber nach, was wir von diesem Sommer 2020 alles so einwecken sollten.
Bastian Rütten, unser Gastauto denkt darüber nach, was wir von diesem Sommer 2020 alles so einwecken sollten. © Gerhard Seybert/ derpressefotograf.de

Im feuchtkalten Vorratskeller warten die sortenrein gelagerten Köstlichkeiten dann auf unsere hungrigen Bäuche… allerdings erst im Winter. So mag es wohl am Niederrhein Land auf und Land ab in vielen Haushalten gewesen sein.

Auch wenn das Einkochen wieder etwas in Mode ist, ist seine beste Zeit, in der es auch um existenzielle Fragen ging, wohl vorbei. Schade! Natürlich: Nötig ist das sicher nicht mehr.

Die Obst- und Gemüseabteilungen in den Supermärkten sind zwölf Monate im Überfluss gefüllt, und zur Not lebt man aus der Konserve. Aber ganz ehrlich: Ich mochte diesen Gang in den Keller, an das sprichwörtlich Eingemachte.

Die Redensart spricht ja ganz konkret von einer letzten Reserve. Wer „ans Eingemachte“ geht, der verbraucht seine letzten Vorräte. Vor einigen Monaten wurde eine solche Vorratshaltung seit ewigen Zeiten wieder auf subtile Art und Weise deutlich: Beim Klopapier. Umso mehr möchte ich mir in diesen Wochen der Erntezeit und des vollen Sommers Gedanken darüber machen, was ich so alles von diesem Sommer einmachen möchte.

Ich denke dabei weniger an frisches und biologisches Obst und Gemüse, sondern an alle Dinge, die meinen Sommer 2020 in all seiner Besonderheit reif, satt und nahrhaft gemacht haben.

Unser Gastautor Bastian Rütten

Mal ebkes kurz nachdenken – das wird unser Gastautor Bastian Rütten an jedem zweiten Freitag im Monat auf dieser Seite. Nachdenken über ganz Lebenswelt-Alltägliches, das man so leicht aus den Augen verliert.

Mal nostalgisch, mal so ein bisschen spirituell, mitunter gar philosophisch.

Bastian Rütten ist Theologe und Religionspädagoge, Autor und Pastoraler Mitarbeiter im Marienwallfahrtsort Kevelaer.

Da sind die Freundschaften und Begegnungen, die einem einmal mehr viel Wert waren, weil man im Verzicht ihren Wert wieder neu erkannt hat. Da sind die Abende mit der Familie, als man plötzlich auf die heimischen vier Wände verwiesen war und ganz neu das Miteinander einüben musste. Da sind viele Momente des gemeinsamen Überlegens und Grübelns, darüber, wie diese besondere Krise wohl zu meistern sein wird.

Ein gutes Gefühl der Vorfreude

Ich bin nicht sicher, wie es mit unserer Pandemie weiter geht und was uns Herbst und Winter bringen werden. Um so mehr bin ich mir sicher: Ich möchte Eingemachtes in der Hinterhand haben. Das gibt unglaubliche Sicherheit, ja!

Aber eben auch ein gutes Gefühl der Vorfreude. Damals, als durch das Ziehen des roten Gummirings das Vakuum entwich und man mit dem Finger den ersten Tropfen des süßen Einmachsaftes naschte…

So, und nicht anders, schmecken Leben, Sommer und Lebenslust. Solche Momente wünsche ich mir für mich und unsere Gesellschaft und für jeden, der an rauen Herbst- und Wintertagen seines Lebens kraft- und energielos daher läuft. Lasst uns die letzten vollen Sommertage nutzen und uns ums Eingemachte kümmern. Die Ernte, so viel ist sicher, ist groß!