Kranenburg-Nütterden. Bildhauer Dieter von Levetzow hat seine Urgroßtante in Bronze gegossen – und Goethe dazu, weil: die beiden waren – fast – ein Paar.

Natürlich. Ein Rittersitz aus dem 13. Jahrhundert. Ein unbeirrt fleißiger Mähroboter zieht seine Kreise auf dem Grün vor dem Anwesen, das versteckt an einem der vielen stillen Feldwege Nütterdens sein Geheimnis kaum preisgibt. Ganz viel Natur drumherum, der Charme gelebter Zeit im Gemäuer, ja, so wohnen Menschen, die ein „von“ im Namen tragen und dazu noch Künstler sind.

Das ist natürlich erst die Tonform. Jetzt wird alles in Gips gegossen, dann in Bronze. Und im November soll die Skulptur feierlich aufgestellt werden, in Trieblitz, Tschechien.
Das ist natürlich erst die Tonform. Jetzt wird alles in Gips gegossen, dann in Bronze. Und im November soll die Skulptur feierlich aufgestellt werden, in Trieblitz, Tschechien. © wasch

– Pardon, lieber Herr von Levetzow, das ist natürlich Klischee. Wenngleich, so ein bisschen atmosphärische Echtzeit ist es auch. Dieter von Levetzow, weitgereister und nicht minder weitgeschätzter Künstler und Bildhauer, einer aus dem mecklenburgischen Adelsgeschlecht derer von Levetzow – im November wird er 95 Jahre alt – lebt und arbeitet auf Haus Klarenbeck. Das ist Niederrhein wie es niederrheinischer kaum geht – weites Land, voller Geschichte und immer nach vorne guckend.

Haus Klarenbeck, ein altes Rittergut

Auf Klarenbeck lebte schon im 13./14. Jahrhundert der Klever Adel… wobei: als Dieter von Levetzow das heruntergekommene Gebäude vor ein paar Jahrzehnten kaufte, war es so marode, dass man sich schon fragen kann, wieso macht der das...?

„Hier ist gelebt und gestorben worden“, sagt der Hausherr dann. Punkt.

Dieter von Levetzow hat überall am Niederrhein seine Kunst installiert. Sein „Cupido“ etwa ziert das alte Kanonenrohr, das Prinz Moritz von Nassau-Siegen einst aufstellte und das Beuys zur großen Installation in Venedig als Straßenbahnhaltestelle abgoss. In Kranenburg steht auf hoher Säule der eher staksige Kranich, der sich um seinen Nachwuchs kümmert. Die Skulpturen auf der Rheinpromenade in Emmerich, in Rees…

Dieter von Levetzow

Wie kam Dieter von Levetzow an den Niederrhein? Es war gleich nach dem Krieg.

„Ein Kollege, der Maler Dieter Güllert, schwärmte leidenschaftlich von einer Gegend am Niederrhein. Eine Kleinstadt, auf die keine Bomben gefallen waren, wo man so viel Gemüse essen konnte wie man wollte“, erinnert sich Dieter von Levetzow.

Er folgte Güllert nach Paesmühle, nahe Straelen, „eine sehr, sehr idyllische Lage mitten im Wald mit einer kleinen Waldkapelle an einem Weiher gelegen.“ Ein Treibhaus wurde zum Atelier umfunktioniert. In den 70er Jahren dann kaufte er Haus Klarenbeck und begann mit der Renovierung.

Nun steht sein jüngstes Werk in seinem Atelier auf Klarenbeck auf einem hölzernen Podest, der Ton ist noch frisch – in wenigen Tagen wird das Gipsmodell gegossen und dann später, im August, wird alles Bronze sein.

Lebensgroß und sehr jung steht er da in Lebensgröße, der Herr Geheimrat von Goethe

Lebensgroß steht er nun also da, der Herr Goethe. Klar zu erkennen, jugendlich flott und sehr galant. „Der Handkuss“ heißt das Werk, eine Auftragsarbeit. Aus Tschechien. Und irgendwie auch ein Familienprojekt. Die junge Dame, deren Hand der verliebte Dichterfürst zärtlich hält, ist Ulrike von Levetzow.

Von Levetzow...

Der Künstler nickt. „Meine Urgroßtante“. Die letzte Verliebtheit von Johann Wolfgang von Goethe ist – Verwandtschaft? Dieter von Levetzow zuckt die Schultern. „Ja.“

Viele Skulpturen von Dieter von Levetzow finden sich am Niederrhein, hier der Poortekerl in Emmerich.
Viele Skulpturen von Dieter von Levetzow finden sich am Niederrhein, hier der Poortekerl in Emmerich. © Dirk SCHUSTER

Nun ranken sich – wie immer bei solchen Themen – schöne und nicht schöne Geschichten um die Geschichte. Wir folgen einer der schönen: Johann Wolfgang von Goethe verliebte sich im Jahr 1821 während eines längeren Kuraufenthaltes im mondänen Marienbad in die siebzehnjährige Ulrike.

Er war damals bereits ein, sagen wir höflich, stattlicher Mann im Alter von immerhin 72 Jahren – aber, nunja, verliebt. Drei Jahre später soll er ihr einen Heiratsantrag gemacht haben. Ulrike lehnte ab. Überliefert ist der vieldeutige Satz von ihr: „Keine Liebe war es nicht“.

Gut Trziblitz, hier lebte und starb Ulrike von Levetzow

Nunja, ihre letzte Ruhe fand Ulrike von Levetzow, die unverheiratet blieb, auf ihrem Gut Trziblitz in Tschechien. Auf ihrem Sarg sollen Herbstblumen aus Goethes Garten gelegen haben.. .

Hier geht es zur Webseite von Dieter von Levetzow

Und dort, in Tschechien, in Trieblitz, soll denn im November auch die Skulptur ihren Platz finden, die Dieter von Levetzow, der Urgroßneffe, in Kranenburg-Nütterden geschaffen hat. In einer Gießerei in Tschechien wird der Bronzeguss gemacht, „ich fahre dann hin, um letzte Korrekturen vorzunehmen“, sagt Dieter von Levetzow.

Und es klingt so, als freue er sich drauf...