Essen. Autorin Anouk Ellen Susan kennt die Niederlande und Deutschland gut. Im Interview spricht sie darüber, was die Länder voneinander lernen können.

Anouk Ellen Susan ist Autorin und Moderatorin, die unter anderem zur beruflichen Zusammenarbeit zwischen den Niederlanden und Deutschland coacht. Ende August erscheint ihr Buch „Lekker anders - Freunde mit Eigenarten“ über das Verhältnis beider Länder. Im Interview mit der NRZ spricht sie über Gemeinsamkeiten und Unterschiede, über Stereotype und Eigenheiten sowie Sprache und Kommunikation auf beiden Seiten der Grenze.

Frau Susan, Sie sind Niederländerin, aufgewachsen in Köln, immer wieder zwischen den Niederlanden und Deutschland umgezogen – und in beiden Ländern zu Hause. Was sind die größten Unterschiede und Gemeinsamkeiten?

Die Niederlande und Deutschland sind sich sehr ähnlich und trotzdem anders. Darum nenne ich es auch „lekker anders“ - anders auf eine angenehme Art. Es gibt unter anderem Unterschiede in der Kommunikation. In den Niederlanden ist man schnell beim Du. In Deutschland siezt man sich, das hat mit einem Fokus auf Respekt zu tun. Wenn jemand in Deutschland einen Professor- und Doktortitel hat, dann möchte man auch so angesprochen werden. In den Niederlanden wird der Titel gerne mal weggelassen, da ist der Dozent etwa einfach Jan oder Jaap.

Woher kommt dieser Unterschied?

Gerade die Berufswelt ist in Deutschland noch sehr hierarchisch. Wird in den Niederlanden im Berufsumfeld geduzt, heißt das aber auch nicht automatisch, dass man gut befreundet ist. Niederländer wollen eher nett gefunden werden. Das hat seinen Ursprung in der niederländischen Geschichte. Einen schnellen Konsens auf Augenhöhe finden zu können, war wichtig.

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Wie stehen Sie dazu, schließlich kennen Sie beide Umgangsformen aus Ihrem Berufsalltag?

Ich mag das Du sehr gerne, weil es direkter ist. In meinen Büchern duze ich übrigens. Erst hatte mein Verlag gesagt, das geht nicht. Nun ist es das erste Buch in der Reihe, in dem geduzt wird. Wenn es um schwierige Verhandlungen geht, finde ich das Sie hilfreich, um eine Grenze zu ziehen und Abstand zu wahren.

Die Niederlande gelten seit Jahrzehnten als äußerst liberal, offen und innovativ. Hält dieses Image heute noch Stand?

Ich finde schon. Das ganze Thema E-Mobilität ist in den Niederlanden viel weiter. Vielleicht ist es auch der Gedanke, mit dem Niederländer aufwachsen: Du kannst alles. Das hilft dabei, innovativ zu denken, Sachen einfach anzugehen, ohne zu wissen, ob es am Ende klappt.

Erkennen Sie diese Eigenschaften an sich wieder?

Ich denke, dass ich da selbst etwas niederländischer geprägt bin. Ich bin ein Macher-Typ, habe nicht immer ein Auge für Details. Dafür bin ich pünktlich, was man ja Deutschen nachsagt.

Sie sprechen beide Sprachen fließend, die sich sehr ähnlich sind. Da lauern sicherlich viele „falsche Freunde.“

Ich spreche Niederländisch, Deutsch und Englisch fließend durcheinander, dafür keine der Sprachen perfekt. Aber damit kann ich gut leben. Meine Freunde haben immer etwas zu lachen, wenn ich niederländische Sprichwörter einfach ins Deutsche übertrage. Wenn ich sehr müde bin, weiß ich manchmal gar nicht, in welcher Sprache ich gerade gesprochen habe.

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Was vermissen Sie an den Niederlanden, wenn Sie mal nicht dort leben, arbeiten oder reisen?

Ich habe eine Zeit lang in Den Haag gelebt. In den letzten vier Monaten, in denen ich wegen der Pandemie nicht in den Niederlanden war, hat mir das Meer dort sehr gefehlt. Ich vermisse hier auch die niederländische „gezelligheid“. In den Niederlanden fühlt sich das öffentliche Leben etwas freier und schwereloser an. In Deutschland ist vieles sehr geordnet. Wenn ich in den Niederlanden alte Freunde treffe, ist das von einer anderen Intensität. Mein Mann sagt, wenn ich Niederländisch spreche, dann rede ich lauter.

Was würden Sie aus Deutschland am liebsten in die Niederlande „importieren“?

Das Mittagessen. Die niederländische Brootjes-Kultur ist so gar nicht meine. Ich kann damit nichts anfangen, das würde ich sofort ändern. Etwas mehr Varietät - mal ein Brootje zu essen, ist ja kein Problem. Aber nicht jeden Mittag.

Welche Veränderungen haben Sie in den vergangenen Jahren in den Niederlanden wie in Deutschland beobachtet?

Es hat in der jetzigen Corona-Krise gut getan, dass Themen wie Gleichberechtigung, Digitalisierung und Homeoffice in Deutschland diskutiert wurden, was in den Niederlanden schon länger der Fall ist. Ich denke, da hat Deutschland nachgezogen.

Wie sehen Sie den Umgang mit der Corona-Pandemie in beiden Ländern im Vergleich?

Das Gefühl, das ich habe und was ich auch aus meinem niederländischen Umfeld höre: Ich kenne mehr Niederländer als Deutsche, die an Corona erkrankt sind. Niederländer wirken auf mich ein wenig sorgloser im Umgang mit dem Virus. Diese Haltung ist vielleicht nicht immer förderlich.

Sie sprechen in ihrem Podcast „Lekker anders“ regelmäßig mit Menschen aus Deutschland und den Niederlanden über gesellschaftliche Themen, die beide Länder betreffen. Was können sie voneinander lernen?

Deutschland und die Niederlande gehören zu den Ländern, die am meisten miteinander handeln. Wir können von unseren Unterschieden profitieren. Wenn ich die Stereotype vergleiche: Niederländer sind Macher, in Deutschland schaut man akkurat und gründlich, bringt die Sache auf den Punkt. Diese Kombination ist fast unschlagbar. Und wir mögen uns. Als ich vor 26 Jahren zum Studieren in die Niederlande gegangen bin, war ich eine von zwei Studierenden aus Deutschland, ich wurde als Deutsche gesehen. Wenn ich mit meiner Mutter im Strandpavillion Deutsch gesprochen habe, wurden wir beobachtet, vor allem während der EM/WM. Diese Zeiten sind vorbei. Wir wissen uns mehr zu schätzen.