Duisburg. Bis 11. August saniert die Bahn die über 90 Jahre alte Brücke zwischen Duisburg und Rheinhausen. Kunden müssen Umwege fahren oder den Bus nutzen.

Das hatten sich die Taubeneltern gewiss anders vorgestellt, hier im Gefach der Stahlbrücke von 1927, 20 Meter über dem Rhein, kommt normalerweise kein Mensch vorbei. Und die in Meterdistanz vorbeidonnernden Züge – die tun ja nichts – und vielleicht sind Tauben ja eh taub. Doch seit einer Woche guckt das strubbelige Taubenküken etwas verdutzt aus den Federn: Kein Zuglärm mehr, dafür aber marschieren ständig grellorange gekleidete Menschen vorbei.

Mit merkwürdigen Werkzeugen und reichlich Material: In den Sommerferien wird die Bahnbrücke zwischen Duisburg-Hochfeld und Rheinhausen saniert. Bahnkunden müssen Umwege fahren oder auf den Bus umsteigen, während hier insgesamt rund viereinhalb Kilometer Gleise saniert werden.

Stahl aus der Nachbarschaft, Schwellen aus Japan

Während die 7500 Tonnen schwere Fachwerkbrücke zwischen 1925 und 1927, quasi mit Stahl aus der Nachbarschaft aus der Rheinhauser Hütte zusammengenietet wurde, kommt das Material heute vom anderen Ende der Welt. Auch, wenn Bauleiter Richard Baum lieber Material gehabt hätte, das seinem Nachnamen eher gerecht wird: „Holzschwellen werden nicht mehr genommen. Wir bauen jetzt Kunststoffschwellen aus Japan ein.“

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Weil, so erklärt es Alireza Ale Ahmad, der den Bau für die DB Netz überwacht, Holzschwellen heute nicht mehr in Teer und Bitumen getränkt werden dürfen, der Schadstoffe wegen, halten sie nur noch rund 15 bis 20 Jahre. „Glasfaserverstärktes Polyurethan“ also statt Holz – mit einer Lebenserwartung von rund 50 Jahren. Die Japaner haben sie erfunden und patentiert – also kommen Schwellen aus dem Land der Morgenröte für die alte Brücke aus dem Hause Krupp.

Jede Kunststoffschwelle muss millimetergenau und individuell eingepasst werden.
Jede Kunststoffschwelle muss millimetergenau und individuell eingepasst werden. © Foto: Ralf Rottmann

Wobei die 1950 Schwellen hier Brückenbalken heißen. Schließlich ruhen sie nicht bequem im Schotterbettchen, sondern müssen sich durchbohren und festschrauben lassen an der stählernen Konstruktion. Genau da kommen die orangefarbenen Taubenerschrecker zum Einsatz. Keine Bahnschwelle gleicht der anderen auf dieser Brücke. Alle werden individuell auf den Millimeter zurecht gesägt und angepasst, damit sie in die Stahlwinkel der fast 95 Jahre alten Konstruktion passen. „Jede Brücke hat einen Stich“, sagt Richard Baum. Heißt: Auch, wenn sie gerade aussieht, ist sie gebogen, der Statik wegen. Hinzu kommt: Die Schienen müssen sich der Wärmeausdehnung gegeneinander verschieben lassen. Und statt alle 60 Zentimeter liegen die Schwellen hier auch mal 66 Zentimeter auseinander.

Erstaunlich viel Handarbeit also für die Gleisbautruppe, die mit rund 15 Mann in jeder der drei Schichten rund um die Uhr mit Bohrer und Staubsauger (damit die Kunststoffschnipsel nicht in die Umwelt gelangen), mit Schrauben und Muttern Schwelle um Schwelle fixieren und nur ab und zu den Blick durch die Holzbalken gleiten lassen in die graugrünen Rheinfluten rund 20 Meter unterhalb der Brücke.

Wiesenkräuter im Gleisbett – das ist kein gutes Zeichen

Bis zu 300 Züge rollen sonst täglich über die Brücke – nach Xanten, Moers, Krefeld. Derzeit müssen Bahnkunden mit dem Bus vorliebnehmen. Zudem hat die Bahn eine Linie – die RB35 – von Krefeld über Moers nach Oberhausen umgeleitet. Dort fährt sie über die Haus-Knipp-Brücke. Die hat schon seit einiger Zeit Kunststoffschwellen.

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Jetzt wird seit einer Woche auch auf dieser Brücke, rund 11 Stromkilometer weiter rheinaufwärts,gewerkelt, bislang läuft alles nach Plan, auch auf den Vorflutbrücken auf Rheinhauser Seite: Hier liegt ein klassisches Schotterbett und man kann sehr schön das Vorher und Nachher beobachten. Neben dem südlichen Gleis sprießen gelb blühende Wiesenkräuter aus dem Gleisbett. Baum deutet auf schwarze Erde zwischen den Schottersteinen: Das Gleisbett ist zum Lotterbett geworden. Es bildet sich schon Humus. „Wenn Wasser eindringt und es friert und taut, ändert sich die Gleislage“, sagt Baum. Sprich: Der Zug kommt in Schieflage und das macht die Gleise kaputt.

Am 11. August soll alles fertig sein: Alle Kunststoffschwellen, die neuen Schienen und neue Kunstfaserabdeckplatten, die die Stahlbleche auf den Fußwegen ersetzten. Insgesamt, so die Bahner, wird die Brücke ein wenig leiser werden. Beruhigend, auch fürs Taubenküken.