Düsseldorf. Es ist ein Tabuthema, über das nur wenige Betroffene sprechen. Aber auch Männer werden Opfer häuslicher Gewalt. In Düsseldorf gibt es Schutz.

Da sitzt dieser Hüne von einem Mann, 1,90 groß, Stiernacken, Mitte 30, vor Manfred Höges, und erzählt ihm, wie seine kleine, zierliche Frau ihn schlug, und wie schwer es war, die Polizei davon zu überzeugen, dass er Hilfe braucht. Männer als Opfer häuslicher Gewalt? Noch immer ein Tabu-Thema. Wer sich zu Manfred Höges in die Männerberatung des SKM in Düsseldorf traut, der hat eine hohe Hürde überwunden. Dieses Tabu soll jetzt aufgebrochen werden. Seit dem Mitte Juni gibt es in Düsseldorf ein Haus, in dem Männer Zuflucht vor Gewalt suchen können.

„Viele Männer kommen nicht hierher, weil sie sich schämen“, berichtet Höges. Der 51-Jährige ist ausgebildeter Männer- und Gewaltberater. Die meisten Männer mit Gewalterfahrung, die ihn aufsuchen, sind Täter, die ihre Frauen oder Kinder geschlagen haben, manchmal zwangsverpflichtet zur Beratung durch ein Jugendamt oder ein Gericht.

Der Leidensdruck ist immens

Aktuell berät Höges zwei Männer, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. Er weiß: Bevor jemand in seine Beratungsstelle an der Sternstraße in Düsseldorf kommt und sich als Opfer offenbart, ist der Leidensdruck immens geworden. „Das ist im Freundes- und Familienkreis noch immer sehr stigmatisiert.“

Dabei ist partnerschaftliche Gewalt gegen Männer in hetero- wie in homosexuellen Beziehungen nicht selten. 18,7 Prozent der Opfer von Beziehungsgewalt waren im Jahr 2018 Männer, das geht aus der Kriminalitätsstatistik des Bundeskriminalamtes hervor. Vermutlich sind es erheblich mehr.

Demütigungen, Herabsetzungen, Schläge

Häufig erleiden die betroffenen Männer psychische Gewalt durch ihre Partnerinnen, Demütigungen, Herabsetzungen auch vor anderen, Drohungen mit dem Entzug der Kinder. „Da leiden Männer sehr drunter. Aber die physische Gewalt ist auch nicht ohne. Ich hatte Männer hier, die von ihren Frauen ein Bügeleisen auf den Kopf bekommen haben“, erzählt Höges.

Wer den Mut hat, Hilfe zu suchen, wird oft verlacht. Wie der Hüne, der Höges aufsuchte. „Als die Polizisten an der Wohnung eintrafen, haben sie ihn gefragt, warum er das nicht selbst regelt.“ Weil sich der Mann entschieden hatte, nicht gewalttätig auf Gewalt zu reagieren, so wie viele Männer. Weil den männlichen Opfern häufig nicht geglaubt wird, meistens die Frau im Haus bleiben darf, wachsen Frust und Verbitterung. „Diejenigen, die zu mir kommen, sind oft am Rande einer Depression“, sagt Höges.

Höges: Irgendwann fließen dann die Tränen

„Für Leute wie mich, die noch mit den traditionellen Rollenbildern aufgewachsen sind, ist das schwieriger“, sagt Höges. Die jüngeren Männer seien oftmals offener, ließen Gefühle zu. Die Älteren, die zur Sternstraße kommen, krampften sich meist im Sessel fest, um nicht die Beherrschung zu verlieren. „Irgendwann fließen dann aber die Tränen.“

„Unsere Gesellschaft muss lernen, dass auch Männer Opfer von Beziehungsgewalt werden“, sagt Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach (CDU). Sie bräuchten entsprechend Schutz. „Deshalb ist es mir ein Anliegen, diesen Männern auch zu helfen. Die Männer, die sich helfen lassen, sind stark“, so die christdemokratische Politikerin.

Eine Studie soll das Dunkelfeld beleuchten

Wie groß das Problem der Gewalt in Beziehungen tatsächlich ist, soll nun mit einer Studie beleuchtet werden, die von der Landesregierung in Auftrag gegeben wurde. 60.000 Menschen erhielten im August vergangenen Jahres einen Fragebogen, etwa 24.000 haben ihn ausgefüllt. Ergebnisse sollen bis in den Spätherbst vorliegen.

In Düsseldorf können Männer jetzt Zuflucht in einer Männerschutzwohnung suchen, in der es aktuell zwei Plätze gibt. Weitere zwei Plätze in Düsseldorf und vier in Köln sollen folgen. Für die insgesamt acht Plätze stellt das Land im Jahr rund 350.000 Euro zur Verfügung, beide Einrichtungen werden vom SKM betreut. „Betroffene wenden sich an uns“, so Höges. Im Gespräch wird geklärt, ob die Voraussetzungen für einen Einzug in die Wohnung passen, dann kann es schnell gehen. Die Wohnung ist komplett eingerichtet, die Männer können einziehen – gegebenenfalls mit den Kindern.

Männer sollen zur Ruhe kommen

„Die Männer sollen in der Wohnung zur Ruhe kommen und nachdenken können“, erklärt Höges das Konzept. Gleichzeitig werden sie beraten. „Sie sollen lernen, Grenzen ziehen zu können, und sich darüber im Klaren werden, dass nicht sie die Schuld an der Gewalt haben, deren Opfer sie geworden sind.“ Drei Monate soll der Aufenthalt maximal dauern.

Der Hüne, der von seiner kleinen Frau geschlagen wurde, war nur drei- oder viermal an der Sternstraße. Eigentlich zu kurz, aber er hatte es geschafft, sich von seiner Partnerin zu trennen. „Ich habe ihm wenigstens dabei helfen können, seine psychische Situation zu stabilisieren“, ist sich Höges sicher.

Hier finden Männer Hilfe:

  • Männer, die einen Platz in der Schutzwohnung suchen können sich melden unter: 0163/777311. Seit dem 22. April ist ein Hilfetelefon für Männer freigeschaltet worden. Das Angebot wurde von den Landesregierungen in NRW und Bayern geschaffen. Unter 0800/1239900 können sich Männer melden, die Opfer häuslicher oder sexualisierter Gewalt geworden sowie von Stalking oder Zwangsheirat betroffen sind. Unter www.maennerhilfetelefon.de gibt es zudem ein digitales Beratungsangebot. Gewaltberater Manfred Höges arbeitet mit 17 weiteren Beratern des Netzwerks „Echte Männer reden“ des SKM (Sozialdienst katholischer Männer) und der Caritas. Mehr Infos unter: www.echte-maenner-reden.de