Essen. Gerichte und Jugendämter schreiten immer häufiger ein. Das muss aber kein Zeichen für zunehmende Gewalt gegen Kinder sein, sagen Experten.

Im vergangenen Jahr haben die Familiengerichte in NRW Eltern deutlich häufiger das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen, denen ansonsten körperlicher oder seelischer Schaden gedroht hätte. Laut dem Landesamt für Statistik geschah dies im vergangenen Jahr in 2214 Fällen, das waren 9,3 Prozent mehr als im Jahr 2018 (2026 Fälle).

Nach Ansicht des Landesfamilienministeriums muss diese Steigerung nicht zwangsläufig bedeuten, dass die elterliche Gewalt oder Vernachlässigung zugenommen haben.

Ministerium: Mehr Sensibilität für den Kinderschutz

Der Anstieg der Sorgerechtsentzüge könne auch durch die „Zunahme der Sensibilität für den Kinderschutz und das Kindeswohl“ und die „höhere Interventionsbereitschaft der Familiengerichte in Kindeswohlfragen“ begründet sein, so ein Sprecher des Ministeriums auf Anfrage der NRZ.

Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) als Träger des Landesjugendamts registriert seit Jahren einen kontinuierlichen Anstieg der sogenannten Inobhutnahmen, der vorläufigen Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Notsituationen durch die Jugendämter.

Landesjugendamt: Mehr Personal im Sozialen Dienst

Im Jahr 2018 sei ein neuer Höchststand von rund 40.000 Fällen erreicht worden, so eine LVR-Sprecherin. Dazu könnten Personalzuwächse im Sozialen Dienst, eine erhöhte gesellschaftliche Wachsamkeit gegenüber Kindswohlgefährdungen sowie entsprechende Maßnahmen in Kitas und Schulen beigetragen haben.

Wie das Landesamt für Statistik weiter berichtet, haben die Familiengerichte in NRW im vergangenen Jahr in 2557 Fällen das Sorgerecht eingeschränkt, etwa mit dem Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts oder der Vermögenssorge. Der vollständige Entzug des Sorgerechts ist mit hohen rechtlichen Hürden versehen.