An Rhein und Ruhr. Montagnacht wird Deutschland rot leuchten. Die Veranstaltungsbranche will mit der Aktion auf ihre Not aufmerksam machen. Eine Pleitewelle droht.
Sven Robusch steht in einem der langen Gänge in dem riesigen Lager in einem Essener Gewerbegebiet. Die fünfstöckigen Hochregale sind nahezu voll, eine schwarze Kiste reiht sich an die nächste. Sollte so nicht sein. „Eigentlich wäre unser Lager jetzt leer“, sagt er. Wären die Zeiten normal, wären die Lampen, Bildschirme, LED-Module jetzt auf Messen im Einsatz, aber die Zeiten sind für die Veranstaltungswirtschaft so unnormal, wie wohl für kaum eine andere Branche. Eine Pleitewelle droht. Deshalb werden in der Nacht von Montag auf Dienstag Tausende Gebäude in ganz Deutschland rot erleuchtet. Es ist ein Alarmsignal.
Robusch, 52, Chef der Blue Wheels Veranstaltungstechnik GmbH, ist schon seit dreißig Jahren im Geschäft. Ende der neunziger Jahre hat er mit seinem Partner Tom Koperek die Firma gegründet, unter deren Dach die GmbH heute firmiert. Aus einem Zwei-Mann-Betrieb ist in den Jahren eine Aktiengesellschaft mit 100 Beschäftigten geworden. Eine Erfolgsgeschichte, die mit dem Corona-Ausbruch brutal ausgebremst wurde.
Als erste rein in die Krise, als letzte raus
„Ich habe das kommen sehen, kannte die Berichte aus China. Wir haben früh reagiert und unsere Banker eingeladen“, erzählt Robusch. Als dann aber im Februar die ersten Messen abgesagt wurden, und es plötzlich Schlag auf Schlag ging, da seien sie doch „erst mal in Schockstarre verfallen“. Von Hundert auf Null. In wenigen Tagen.
So ist es der gesamten Veranstaltungswirtschaft ergangen. Bühnenbauer, Caterer, Messebauer, Künstler, die Soloselbstständigen, die sich von Auftrag zu Auftrag hangeln. Für alle war plötzlich nichts mehr zu tun. Sie waren die ersten, die von der Krise getroffen wurden. Und sie werden die letzten sein, für die so etwas wie ein Normalzustand einkehrt. Großveranstaltungen sind noch bis Ende Oktober verboten. Mindestens.
Eine Branche, größer als die Autoindustrie
130 Milliarden Euro Umsatz, rund eine Million Beschäftigte, mehr als in der Autoindustrie. Die Veranstaltungswirtschaft ist ein Gigant. Aber „wir sind die vergessene Branche“, sagt Robusch. Der Grund ist simpel: Anders als beispielsweise die Autobranche hat die Veranstaltungswirtschaft keine wirklich durchschlagskräftige Interessensvertretung, rund 25 Verbände sprechen für die einzelnen Gewerke.
Ein Dachverband ist die IGVW. Geschäftsführer Sacha Ritter beklagt die „Visionslosigkeit der Politik“, die der Branche keine wirkliche Perspektive biete. Was beispielsweise eine Großveranstaltung sei, definiere jedes Bundesland für sich selbst. In NRW gilt alles über 50 Besucher als groß. Kredite würden auch nicht wirklich helfen. Wenn Umsätze über Monate komplett wegbrechen, türmen Unternehmen nur Schuldenberge auf. „Ab August rechnen die ersten Verbände mit einer Pleitewelle“, warnt Ritter.
Ministerium: Branche besonders stark betroffen
„Die Veranstaltungsbranche ist von den Auswirkungen der Corona-Pandemie besonders stark betroffen“, schreibt ein Sprecher des NRW-Wirtschaftsministeriums auf Anfrage der NRZ. Er verweist darauf, dass seit Ende März in NRW 430.000 Kleinunternehmen, Freiberufler und Soloselbstständige mit insgesamt 4,5 Milliarden Euro unterstützt worden seien, zudem habe der Bund Anfang Juni eine Überbrückungshilfe von 25 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.
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Zudem sei NRW das erste Bundesland, das Veranstaltern und Unternehmen eine „konkrete Perspektive“ biete. So könnten etwa seit dem 30. Mai Messen und Kongresse mit Schutzkonzepten und beschränkter Besucherzahl wieder stattfinden.
Unternehmer Robusch sieht das weniger rosig. Die Schutzkonzepte führten dazu, dass Messen nicht wirtschaftlich erfolgreich veranstaltet werden könnten. „Dieses Jahr ist nichts mehr zu erwarten“, sagt er nüchtern. Seine Firma hat sich bislang mit eigenem Kapital durch die Krise geschleppt, die meisten seiner Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. Jetzt wird auch die Blue Wheels GmbH einen Kredit der KfW aufnehmen müssen.
Eine ganze Region leuchtet in Rot
In den ansonsten vollgepackten Hochregalen in dem Lager von Robuschs Unternehmen klaffen ein paar Lücken. Material, das für die „Night of Light“ gebraucht wird. Sein Partner Tom Koperek hat die Idee entwickelt. Gebäude und Landmarken werden in der Nacht von Montag auf Dienstag rot beleuchtet, um auf die dramatische Lage der Branche aufmerksam zu machen. Auf Zollverein beleuchtet Blue Wheels beispielsweise den berühmten Doppelbock, das Sanaa-Gebäude oder die Grandhall.
Die Idee ist zu einem Selbstläufer geworden. Die beiden Essener hatten auf ein paar Dutzend Mitstreiter gehofft. Jetzt beteiligen sich bundesweit rund 5000 Firmen an der Aktion. „Das ist völlig überwältigend und macht mich stolz“, sagt Robusch. Es zeigt aber eben auch, wie groß die Not ist.