An Rhein und Ruhr. In Dortmund entsteht “FunDomino“, in Düsseldorf “Düsselland“. Schaustellerpräsident Ritter hofft, dass im Herbst wieder Volksfeste stattfinden.
Hämmern und Maschinenlärm an den Dortmunder Westfalenhallen: Der zeitweilige Freizeitpark "FunDomino" wächst dort auf mehr als 60.000 qm in die Höhe - Riesenrad, Wilde Maus, Wellenflug, alles dabei. Ein weiterer Freizeitpark auf Zeit entsteht mit "Düsselland" auf dem Düsseldorfer Messegelände, über 20 Fahrgeschäfte plus Show-Programm und Buden sind in der Landeshauptstadt angekündigt. Während der Sommerferien wollen die von der Corona-Krise schwer getroffenen Schausteller auf diese Weise Kirmes-Ersatz bieten.
"FunDomino" soll am 25. Juni öffnen, "Düsselland" einen Tag später. Beide Parks sind abgezäunt, mit Blick auf den Infektionsschutz ist die Besucherzahl begrenzt. Die Ticketkonzepte sind etwas unterschiedlich: In Dortmund kostet zum Beispiel der reguläre Eintritt für einen Erwachsenen 34 Euro, alle Fahrgeschäfte sind einen Tag lang frei. In Düsseldorf sind je nach Wochentag acht bis zehn Euro für zwei Stunden fällig, dazu kosten die Fahrgeschäfte bei Benutzung jeweils zwei bis fünf Euro.
"Es geht schlicht um Lebensunterhalt"
Schaustellerpräsident Albert Ritter aus Essen drückt die Daumen: "Die Kollegen stehen mit dem Rücken zur Wand", sagte Ritter an diesem Dienstag (16. Juni 2020) im Gespräch mit der Redaktion. Mit dem Wegfall von Schützen-, Stadt- und Volksfesten aller Art hat die Corona-Pandemie die Einnahmen der gut 900 Schausteller in Nordrhein-Westfalen praktisch auf Null gedrückt. "Zuletzt haben wir auf den Weihnachtsmärkten Umsatz gemacht", sagt der Schaustellerpräsident. Die Lage sei dramatisch.
Albert Ritter begrüßt, dass Schausteller auf dem Bauernmarkt in Duisburg Würstchen & Co. verkaufen dürfen. Auch in anderen Kommunen stehen Buden - zur "Innenstadt-Belebung", wie es etwa in Essen heißt. Beim Regionalverband Ruhr hat die SPD angeregt, dass Schausteller zum Beispiel an Halden Ausflügler mit Snacks und Getränken versorgen. Größere Einnahmen seien bei solchen Verkäufen nicht zu erwarten: "Für uns geht es hier schlicht um Lebensunterhalt, nicht mehr", stellt Ritter klar.
Hoffnung auf Kirmes in Moers, Dinslaken und Bocholt
Nach den Absagen u. a. in Oberhausen, Crange und Düsseldorf gibt Ritter die traditionellen Volksfeste im Herbst ausdrücklich noch nicht verloren. Beispielhaft nennt der Schaustellerpräsident die Kirmessen in Moers, Dinslaken oder Bocholt. Wenn sich die Infektionszahlen weiter günstig entwickeln, glaubt Ritter, dass diese Veranstaltungen stattfinden können. Wohlgemerkt: mit entsprechenden Schutzkonzepten.
Gedanken hat man sich beim Schaustellerverband längst gemacht: "Wir haben da etwas für den Tag X in der Schublade", sagt Ritter. Im Prinzip müsse man sich eine Kirmes ja nicht anders als eine Fußgängerpromenade vorstellen: "Es gibt einen Hauptweg, von dem biegt man ab, eben nicht in Läden, sondern zu Buden und Fahrgeschäften", so Ritter. Man könne Besucherströme lenken, Abstände definieren und Desinfektionsspender aufstellen, sagt der Schaustellerpräsident. Und die neue Corona-App könne eine wichtige Rolle bei der Nachverfolgung spielen: "Wir begrüßen die App sehr."
Gespräche mit der Landesregierung
An diesem Montag (14. Juni 2020) hat Ritter in Düsseldorf ein Gespräch mit der Landesregierung geführt, bei dem es auch um mögliche Hygieneregeln bei einem etwaigen Kirmes-Neustart ging. In 14 Tagen wird wieder geredet, der Schaustellerpräsident zeigt sich hoffnungsfroh. Im Gespräch mit der Redaktion lässt er aber auch durchblicken, dass man grundsätzlich auch bereit sei, das Verbot von Volksfesten gerichtlich überprüfen zu lassen. "Es kann nicht sein, dass nahezu alles andere wieder aufmacht - nur die Kirmesbuden nicht." Es gebe auch ein Grundrecht auf Gewerbefreiheit. "Und nicht zuletzt braucht die Gesellschaft ja auch wieder etwas Spaß, gerade die Kinder."
Für die Schausteller gehe es ums wirtschaftliche Überleben. Der ein oder andere Kollege habe eine neue Arbeit angenommen, schlage sich zum Beispiel als Berufskraftfahrer durch, berichtete Ritter. Kredite allerdings laufen weiter, der Schaustellerpräsident befürchtet Insolvenzen. Die erste, staatliche Nothilfe sei aufgebraucht und weitere Unterstützung nötig. Das Konjunkturpaket der Bundesregierung gehe nicht auf die besonderen Belange des Gewerbes ein. Nachbesserungen unter anderem für Schausteller hatte jüngst auch der Präsident der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer, Burkhard Landers, gefordert.
Banken sollen Tilgungen aussetzen
Albert Ritter fordert zum Beispiel eine staatliche Empfehlung an Banken, Kredittilgungen für die Dauer der Krise auszusetzen. Er kritisiert, dass die bei der Bemessung von Hilfen wichtige Mitarbeiterzahl eines Betriebes auf einer Stichtagsfeststellung im Februar basiert - "da haben wir Schausteller keine Saisonkräfte". Und der Schaustellerpräsident fordert, dass für die Gewährung von Arbeitslosengeld keine Betriebsmittel veräußert werden: "Es darf nicht sein, dass man erst seinen Kirmeswagen verkaufen muss."