Am Niederrhein. Was finden Fremde besonders schön am Niederrhein? Antworten gibt ein bildschöner Band von Markus Schmidt. Der Profi-Fotograf kommt aus dem Osten.
Nennen wir es schlicht und einfach: typisch niederrheinische Reserviertheit.
Da kommt also ein junger Mann aus dem Osten ganz tief in den Westen, schaut sich neugierig um, fotografiert hier und auch da – und bringt seine Bilder später in einem hochglänzenden Buch heraus.
Wer darin blättert und guckt, darf mit ruhigem Gewissen, gar nicht mit böser Absicht, durchaus kritisch bis skeptisch einen ersten Blick riskieren. Schließlich sind Motive wie der kleine Leuchtturm an der Niers bei Wachtendonk oder der Skulpturenjunge auf der Stadtmauer an Rheinpromenade in Rees angenehm vertraut.
Trotzdem, die beinahe einhundert Seiten des Bildbandes langweiligen selten bis nie. Weil der Fotograf Markus Schmidt es geschafft hat, die ganz spezielle Stimmung dieser Landschaft in richtigen Momenten festzuhalten. Ganz großes Daumenkino, im immer noch handlichen Handtaschenformat (25 mal 22 Zentimeter), bei dem die „Verborgen Schönheit Niederrhein“ seitenweise hängen bleibt.
Motive vom Land bis zum Horizont – und weiter darüber hinaus
Der Untertitel des Blattwerkes mag etwas zu romantisch, beinahe kitschig klingen: „Bilder zum Schwelgen und Träumen“ deutet aber zumindest an, dass hier allzu viele Worte als überflüssig empfunden wurden. Frei nach Hüsch, will diese Gegend ja angeschaut werden. Und dann beginnt vielleicht nicht immer die große Liebe, wie es im Originalzitat weiter heißt, jedoch stellt sich ein Sinn fürs Detail ein.
Von wegen: eintönig. Objektiv betrachtet bietet diese Region ambitionierten Fotografen ein weites Feld: das Elmpter Schwalmbruch und die Krickenbecker Seen einerseits, die Altstadt von Kalkar oder Kempen andererseits. Bloß: „Unberührte Natur“, wie im Vorwort zu lesen ist, gibt es auch am Niederrhein, nicht wirklich; leider.
Stille hingegen schon, diese fing Markus Schmidt wohl wissend oft in den frühen Morgen- oder späteren Abendstunden ein, wenn das Licht zu seinem verbündeten Helfer wurde. Lieblich umhüllt es eine Weide voller grasender Schafe, sanft ummantelt es das Geleucht auf der Halde Rheinpreußen, irgendwie magisch lässt es die Sterne über den Rhein erstrahlen, beinahe mystisch ein Wäldchen von Birken erscheinen.
Wer vom Profi lernen möchte, der im thüringischen Jena ein Fotostudio betreibt und berufsbedingt öfter mal am Niederrhein unterwegs ist, der schaue sich die beiden Bilder an, die er offensichtlich nach einem Regenschauer im denkmalgeschützten Ortskern von Wachtendonk gemacht hat. Das dunkle, noch nasse und spiegelglatte Kopfsteinpflaster glänzt vor den backsteinernen Häuserwänden mit den farbenfrohen Fensterläden. Konturenschärfende Kontraste.
Wo beginnt der Niederrhein- und wo hört die Region auf?
Allein die Aufnahme von Schloss Moyland in Bedburg-Hau wirkt eher wie ein Sicherheitsschuss, die Heimat der weltgrößten Sammlung von Beuys-Werken lässt sich sicher etwas kreativer in Szene setzen. Ähnlich wie der Schwanenturm und die Burg in Kleve, ebenfalls ein sagenumwobenes Gemäuer, das einen Tick zu nüchtern erscheint.
Meckern auf hohem Niveau. Es ist interessant, dem auswärtigen Fotografen auf niederrheinischer Flur zu folgen. Da und dort erweiterte er den eigenen, fest gefahrenen und satt gesehenen Sichthorizont um neue oder andere Blickwinkel.
Mit kleingeistigen Definitionen, wo denn, bitte schön, der Niederrhein genau anfängt beziehungsweise aufhört, hält er sich nicht groß auf. Zwischen Rheinland und Münsterland, den Niederlanden und dem Ruhrgebiet, grenzt er das fast grenzenlose Gebiet quadratisch, praktisch und gut ab.
Und hat überhaupt keine Berührungsängste, das hauptstädtische Dorf an der Düssel zur Region zu zählen. Ach ja, zwei lichte Momente aus der Landeshauptstadt weniger wären sicher auch in Ordnung gewesen, um lokalpatriotische Herzen nicht zu sehr zu strapazieren.
Zum Schluss bleibt die Frage nach seinem Lieblingsort am Niederrhein? Markus Schmidt antwortet zunächst diplomatisch, hörbar angetan von der Landschaft, schwärmt dann doch besonders von Schloss Dyck bei Jüchen, das er auch in seinem Buch verewigt hat. Ein Hingucker.
INFO: Bildbände über den Niederrhein
Markus Schmidt, Verborgene Schönheit Niederrhein. Bilder zum Schwelgen und Träumen, 96 Seiten, Sutton Verlag, 19,99 Euro. Vom selbem Fotografen erschien auch: Verlassene Orte Niederrhein - Der Charme des Verfalls, 168 Seiten, Sutton Verlag, 29,99 Euro.