Arnheim. Seit mehr als 20 Jahren ist er Chef der Gorilla-Großfamilie – nun zieht der Silberrücken um in eine Männer-WG. Neues aus Burgers’ Zoo in Arnheim.
Der Königliche Burgers´ Zoo im niederländischen Arnheim beteiligt sich mit rund 60 Arten an internationalen Zuchtprogrammen für bedrohte Tierarten. Zoos probieren so, zukunftssichere Reservepopulationen aufzubauen und diese auch langfristig genetisch so gesund wie möglich zu halten.
Jeweils ein Experte in Europa trifft im Rahmen so eines Zuchtprogramms für eine bestimmte Tierart wichtige Entscheidungen. Dieser „Zuchtprogrammkoordinator“ schlüpft in allerlei Rollen: Ratgeber bei Problemen, Coach bei der Integration von Neuankömmlingen, Heiratsvermittler, um gute Zuchtkombinationen zusammenzustellen, und ab und zu auch Spielverderber.
Männchen im Überschuss
Letzteres würde zumindest wohl unser Gorilla-Silberrücken finden. Denn im Laufe des Jahres werden fünf unserer Gorillamännchen umsiedeln, um in einer Junggesellen-WG weiterzuleben. Für den Silberrücken, bisher Pascha eines vierköpfigen Harems, wohl nicht gerade sein persönlicher Wunschtraum. Und dennoch ist dieser Umzug notwendig und eine gute Lösung.
So manchem männlichem Homo sapiens erscheint die natürliche Lebensweise eines Gorilla-Silberrücken durchaus erstrebenswert: Umgeben von mehreren ihn bewundernden Damen, dreht sich alles in seiner Großfamilie um ihn.
Leider entgeht den Herren der Schöpfung jedoch, dass auch bei Gorillas gleich viele Mädchen wie Jungs geboren werden. Wer also auch nur ein wenig rechnet, kommt drauf: Wenn ein Männchen mit fünf Weibern durch den Urwald streift, dann haben vier Männchen Pech gehabt.
In der Natur schließen sich die Männchen, die (noch) kein Weibchen erobern konnten, vorübergehend zu Junggesellengruppen zusammen. Auch im Zoo gibt es bei Gorillas überzählige Männchen. Einfach die aufwachsenden Söhne in der Geburtsgruppe zu lassen, funktioniert nicht. Sobald in der Pubertät die Hormone rasen, gibt’s Zoff mit Papa um die Weibchen.
Zoo Arnheim – der Silberrücken zieht um
Bauwi, der Silberrücken in Burgers’ Zoo, wurde 1989 in den Niederlanden geboren. Er stammt bereits aus einer sehr erfolgreichen Gorillazuchtlinie: Nicht weniger als drei volle Geschwister und zwölf Halbgeschwister hat er aufzuweisen.
Elffacher Vater ist Bauwi – wobei er fünf verschiedene Weibchen geschwängert hat. Damit ist nun erstmal Schluss. Bauwi und seine vier Söhne im Alter zwischen sechs und zehn Jahren werden zusammen die Gruppe verlassen.
Burgers’ Zoo bei Arnheim hat nach der Corona-Zwangspause wieder geöffnet – unter den üblichen Auflagen. Die Besucherzahlen sind begrenzt – alle müssen vor ihrem Besuch online ein Zeitfenster für den Einlass reservieren. www.burgerszoo.de
In der Natur bleibt ein Silberrücken oft viele Jahre, häufig sogar bis an sein Lebensende, an der Spitze seines Harems. Gorillagruppen schätzen an und für sich Routine und Ruhe. Ständig ein neuer Chef muss bei ihnen echt nicht sein. Unsere Gorillas selbst finden es also prima, dass derselbe Silberrücken schon seit mehr als 20 Jahren in der Arnheimer Gruppe am Ruder ist.
Aber… wenn ein Silberrücken sich allzu erfolgreich fortpflanzt, schreitet der Koordinator des Zuchtprogramms ein. Ihm liegt nicht nur das Wohlergehen des Einzeltieres am Herzen, sondern auch der Genpool der Population.
Anti-Baby-Pille für Gorillas?
Sobald ein Männchen mit einer Handvoll Weibchen jahrzehntelang Junge zeugt, nehmen seine Gene in diesem gesamten Genpool überhand. Mit dem Resultat dass ein, zwei, drei Generationen später sehr viele Tiere aus der Blutlinie dieses Silberrückens stammen. Damit wird das Zusammenstellen unverwandter Gruppen schwieriger und Inzucht droht.
Kurz- und mittelfristig ist es bei Gorillas durchaus möglich, die Fortpflanzung zu verhindern. Menschenaffen ähneln von Zyklus und Hormonhaushalt dem Menschen sehr. Daher kann man auch bei Gorillas mit der Anti-Baby-Pille oder einem Implantat verhüten.
Junggesellen-Leben kann lustig sein, auch bei den Gorillas
Aber langfristig wird eine Gorillagruppe ganz ohne Nachwuchs unzufrieden, das Sozialverhalten sackt ein, der Gruppenaufbau stimmt nicht mehr. Zu guter Letzt wird der Silberrücken auch recht muffig, wenn jahrelang keines seiner Weibchen brünstig wird. Also muss eine andere Lösung gefunden werden: ab in eine Männer-WG, zusammen mit den Söhnen! In einem anderen Zoo werden sie die nächsten Jahre gemeinsam verbringen.
Dann wird Bauwi erstmal mit seinen pubertierenden Söhnen alle Hände voll zu tun haben. Die Rotznasen können sich von ihrem alten Herrn noch viel abschauen zum Thema guter Führerschaft, Konfliktlösung und im richtigen Moment auch mal kräftig bluffen. Zuschlagen tut ein erfahrener Silberrücken praktisch nie – sehr wohl aber ein unerfahrener, aufgebrachter Teenie.
Junggesellengruppen bestehend aus Vater und Söhnen sind bewiesenermaßen die stabilsten und am besten funktionierenden, wohl durch den mäßigenden Einfluss des verständigen Vaters. In der Natur wird ein Silberrücken meist nicht vor seinem sechzehnten, siebzehnten Lebensjahr Haremshalter. Bis dann gibt es für Bauwis Söhne noch viel zu lernen.
Vielleicht siedelt der eine oder andere als Erwachsener wieder in einen anderen Zoo weg, um dann seinen eigenen Harem zu kriegen.
Je nach den Genen der jeweiligen Mütter haben Bauwis Söhne verschieden große Chancen, als Zuchtmännchen eingesetzt zu werden. Weibchen beglücken gehört für Bauwi wohl zur Vergangenheit – dem Zuchtprogrammkoordinator „sei Dank“.