Essen. Die Corona-Krise lässt die Nachfrage nach Kleingärten weiter ansteigen. Besonders in den Städten. Wer einen Platz haben will, muss lange warten.

Was für ein Pink! Verschwenderisch leuchten und duften die prall gefüllten Pfingstrosenblüten im wohlgeordneten Schrebergarten von Ursula Veldhüsen in Essen-Holsterhausen. Ein riesiger Kopfsalat scheint nur darauf zu warten, endlich in einer großen Salatschüssel zu landen. Und auch die Garten-Tierwelt legt sich an diesem sonnigen Tag ins Zeug: Unermüdlich füttert ein Kohlmeisenpaar seinen hungrigen Nachwuchs in einem Nistkasten mit Raupen.

Kleingarten-Idylle in Essen und anderswo: In Corona-Zeiten noch heißer begehrt als sonst. Die Beschränkungen haben die Nachfrage nach Kleingärten in Deutschland sprunghaft ansteigen lassen. „Es gibt mindestens eine Verdopplung der Nachfrage im Vergleich zum Vorjahr“, berichtet der Bundesverband Deutscher Gartenfreunde als Dachverband von rund 893 000 Kleingarten-Pächtern. Vor allem in Großstädten seien die Gärten begehrt.

Kleingärten in Corona-Zeiten: Das Telefon steht nicht still

„Schon vor Corona war die Nachfrage sehr hoch. Mit Corona ist sie nochmal gestiegen, die Wartezeiten werden immer länger“, sagt Verbandssprecherin Sandra von Rekowski. In Berlin gebe es Gärten mit einer Wartezeit von sieben Jahren.

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Auch in Essen-Holsterhausen möchten derzeit deutlich mehr Bürger als sonst ein Stück Grün pachten. „Seit Ende März steht das Telefon nicht mehr still“, sagt Veldhüsen. Sie ist die Vorsitzende der Gartenfreunde Essen-Holsterhausen e.V., der 114 Kleingärten verwaltet. „Die Leute fragen: Ist ein Garten frei? Kann ich einen Garten haben?“ Die 52-Jährige muss die Interessenten dann vertrösten: „Schätzungsweise zwischen drei und fünf Jahren Wartezeit muss man rechnen.“

Wer einen Kleingarten möchte, muss viele Jahre warten

Veldhüsen schätzt, dass sich die Zahl der Bewerber auf der Warteliste seit Beginn der Corona-Krise verdoppelt hat. „Mittlerweile stehen jetzt mehr als 60 Leute darauf.“ Mehr als 9000 Kleingärten gibt es insgesamt in Essen. Auch beim Stadtverband verzeichnet man derzeit eine „Riesen-Nachfrage“. Doch warum sind Kleingärten so attraktiv? „Schön ist, dass ich hier täglich hingehen kann, dass ich die Ruhe genießen kann. Das ist unsere kleine Oase zur Entspannung, wo man sich wunderbar erholen kann vom Alltag.“

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Veldhüsen ist Hausfrau und Mutter. In ihrem Alltag verbringt sie viel Zeit mit ihrer 20 Jahre alten, schwerst-mehrfachbehinderten Tochter. Im Garten ist eine kleine Hollywood-Schaukel aufgebaut. Ein Planschbecken sorgt im Sommer für Abkühlung. Die Familie hat sich ihren Kleingarten so hergerichtet, dass sie sogar einen Teil ihres Jahresurlaubs dort verbringt.

Etwa 250 Quadratmeter groß ist die Parzelle mit kleiner Laube und zwei Terrassen. Rund 190 Euro Pacht zahlt die Familie im Jahr, Strom und Wasser kommen hinzu. Ihre Wohnung liegt nur wenige Kilometer entfernt in einem Mehrfamilienhaus in einem anderen Stadtteil. Über eine Fahrradweg-Bahntrasse kommt Ursula Veldhüsen auch mit dem Rad schnell zu ihrem Garten.

Kleingärten: Die Menschen wollen zurück zur Natur

Dass der auch ein bisschen Arbeit macht, verschweigt sie nicht: „Ein bisschen was tun muss man schon.“ Etwa im Frühjahr den Rasen vertikutieren oder im Herbst alles zurückschneiden. Und zwischendurch im Mini-Gewächshaus Tomaten, Paprika und Schlangengurken pflegen, im Hochbeet die Kohlrabiköpfe gießen und den Apfelbaum schneiden.

Und die vielen Anrufe in den vergangenen Wochen? „Es ist die Sehnsucht rauszugehen. Ich glaube, dass die Leute wegen der Verbote einen Ort haben wollen, wo sie hingehen können, wo sie das Gefühl haben, frei zu sein, rausgehen zu können, wann man will.“ Seit einigen Jahren beobachtet auch Werner Heidemann einen generationenübergreifenden „Run auf die kleinen Gärten“.

Ursula Veldhüsen in ihrem Kleingarten in Essen.
Ursula Veldhüsen in ihrem Kleingarten in Essen. © dpa | Roland Weihrauch

Beim Kleingärtner-Landesverband Westfalen und Lippe in Lünen (Kreis Unna) ist er Geschäftsführer. Es gebe eine „Sehnsucht, mit den Händen in der Erde zu buddeln, den Boden zu spüren, die Frösche im Gartenteich zu beobachten. Das ist ein ganz starkes Urbedürfnis. Die Menschen möchten Eigenes im Garten anbauen: frischen Salat, Spinat, Zuckererbsen.“

Das gestiegene Interesse hat Heidemann täglich vor Augen: Der Verband betreibt in Lünen ein Bildungszentrum, zu dem ein öffentlich zugänglicher Lehr- und Lerngarten gehört. „Ich habe noch nie so viele Besucher in diesem Garten gesehen wie jetzt in der Corona-Zeit.“ Neulich seien Jugendliche mit Fahrrädern aus Dortmund gekommen. Einer habe gesagt: „Ist das schön hier.“ (dpa)