An Rhein und Ruhr. Proteste gegen die Corona-Regeln werden lauter. Unter den Demonstranten: Leugner und Verschwörungstheoretiker - wie die Partei “Widerstand 2020“.

Am Anfang trafen sich die Corona-Gegner hauptsächlich im Netz – in den Sozialen Netzwerken und in Nachrichtendiensten wie Whatsapp und Telegram – diskutierten, tauschten sich aus und teilten Nachrichten und Blogbeiträge. Mittlerweile zieht es sie zunehmend zu Demonstrationen auf die Straßen und Plätze der Städte, auch an Rhein und Ruhr – an diesem Wochenende etwa in Köln oder Dortmund: Corona-Leugner, Verschwörungstheoretiker, Impfgegner und vermeintliche Freiheitskämpfer.

Einige von ihnen halten dabei Schilder mit der Aufschrift "Widerstand2020" hoch: der Name einer erst Ende April gegründeten Bewegung, die sich selbst als "Mitmach-Partei" präsentiert. Laut Internetseite habe man in der kurzen Zeit schon mehr als 100.000 aktive Mitglieder für sich gewinnen können. Eine Zahl, die objektiv betrachtet, mehr als fragwürdig ist.

Widerstand 2020: Gefährliche Gemengelange

Die Dortmunder SPD-Politikerin Nadja Lüders, die als Abgeordnete im Düsseldorfer Landtag sitzt, beobachtet die Gruppierung. Laut Lüders baue die Bewegung auf Falschmeldungen und Desinformationen auf, die seit rund zwei Monaten in den Sozialen Netzwerken kursieren. "Man bedient bei manchen Menschen ein Gefühl der Verunsicherung und betreibt zusätzliche Panikmache", so Lüders auf Anfrage dieser Redaktion.

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In der Bewegung würden Impfgegner auf Corona-Leugner treffen, aber auch auf rechtsextreme Esoterikanhänger und solche, die an eine geheime und allmächtige Weltelite glauben. Eine gefährliche Gemengelage: so würde etwa einer der Gründer der Gruppe die Abschaffung der Parlamente vorschlagen, erzählt Lüders, und dies mit einem derzeitigen "Notstand“ begründen.

Die Partei selbst gibt sich eher bedeckt, setzt sich laut eigenen Angaben für Freiheits-Themen ein. Es gebe, so schreibt es Gründerin Victoria Hamm auf der Partei-Webseite, derzeit keine Partei, die "tatsächlich ein Ziel der Menschlichkeit verfolgt" und eine "wahrhaftige Demokratie anstrebt". Diese Lücke wolle man nun ausfüllen. Der Name entspringe aus dem Widerstand, den man gegen den aktuellen politischen Umgang setzen möchte. Man protestiere gegen das "Außerkraftsetzen unserer Grundgesetze und gegen die Machtausnutzung unserer Regierung", heißt es. In ihrer Satzung spricht sich die neue Partei gegen totalitäre und faschistische Bestrebungen und für eine freiheitliche Gesellschaft aus.

Corona-Pandemie befeuerte Verschwörungstheorien

Doch inwieweit sich solche Bekenntnisse auch bei den neuen Anhängern von "Widerstand 2020" herumgesprochen haben, darf bezweifelt werden. Denn hier gebe es menschenfeindliche Tendenzen. "Wo sich Verschwörungstheoretiker versammeln, ist der Antisemitismus meist nicht weit", sagt Nadja Lüders. Meistens werden dabei bestimmte antisemitische Codes und Klischees benutzt, etwa wenn von einer "globalen Elite" gesprochen wird. Und auch über gewisse Sprachbilder werde eine Nähe zum Rechtsextremismus deutlich.

Ein mutmaßlicher Anhänger der Gruppe
Ein mutmaßlicher Anhänger der Gruppe "Widerstand 2020" wird am Rande einer Demonstration am 1. Mai in Berlin von Polizisten abgeführt. (Symbolbild) © dpa | Christoph Soeder

So kursiere laut Lüders seit einiger Zeit eine Verschwörungstheorie, die behauptet, dass unter dem Deckmantel der Corona-Pandemie ein lange geplanter "Bevölkerungsaustausch" vollzogen werde. Wenig verwunderlich also, dass auch Neonazis Anknüpfungspunkte bei der Bewegung sehen: bei den Demonstrationen der Bewegung in den vergangenen Wochen seien "harte und szenebekannte Neonazis anzutreffen" gewesen, so die SPD-Politikerin.

NRW-Verfassunsschutz beobachtet die Entwicklungen

Auch der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz beobachtet die Entwicklungen in der Szene intensiv, wie das Innenministerium auf Anfrage mitteilt. Die Gruppierung werfe der Regierung Machtmissbrauch vor, insgesamt sei die Demokratie in Deutschland nicht wirklich realisiert, das Grundgesetz bedürfe einer dringenden Reform und in dieser Notstandssituation sollten anstelle der Abgeordneten lieber mündige Bürgerinnen und Bürger im Parlament sitzen. "Nach unserer Einschätzung versucht die Gruppierung auf diese Weise, rechtstaatliches und demokratisch legitimiertes politisches Handeln in populistischer Manier zu diskreditieren", so eine Sprecherin des Innenministeriums.

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Aus Sicht der Sicherheitsbehörden bestehe die Gefahr, dass Rechtsextreme die Bewegung für sich nutzen wollen: "Aufgrund inhaltlicher Überschneidungen, vergleichbarer Argumentationsweisen und des viralen Erfolges besteht die Gefahr, dass derartige Gruppierungen für den Versuch der Unterwanderung bzw. Instrumentalisierung durch Rechtsextremisten attraktiv werden."

Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange warnt vor der Bewegung. "Eine kleine Szene von Rechtsextremisten und Demokratiefeinden versucht derzeit, öffentlichkeitswirksam mit inszenierten Eskalationen das Vertrauen in den Rechtsstaat zu erschüttern", heißt es in einer Mitteilung der Dortmunder Polizei.

Fake News sind eine schleichende Gefahr

Auf die leichte Schulter nehmen sollte man die Verschwörungstheorien also nicht. "Verschwörungsmythen finden wir auf den ersten Blick zwar erst einmal zum Kopfschütteln oder teilweise zum Lachen, aber daraus kann Gefährliches entstehen. Denn egal ob Hanau oder Christchurch: die Rechtsterroristen haben alle eine Schnittmenge mit online verbreiteten Verschwörungsmythen gehabt", warnt SPD-Politikerin Lüders.

Deswegen sei eine kurzfristige Sensibilisierung dringend erforderlich. Langfristig sei es wichtig wirksame Strategien für den Umgang mit Fake News und Verschwörungsmythen zu finden, so Lüders, denn diese "vergiften schleichend unsere Demokratie und unsere Gesellschaft."