An Rhein und Ruhr. Betroffen sind u.a. die RE-Linie Wesel-Oberhausen-Essen-Wuppertal und die S3 Oberhausen-Essen-Hattingen. Auch beim RE1 drohen ab Juni Probleme.
Bahnreisende im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) müssen auf unbestimmte Zeit mit massiven Zugausfällen rechnen. Grund sind Personalprobleme bei dem Bahnunternehmen Abellio. Betroffen sind derzeit unter anderem die Linie RE 49 (Wesel-Oberhausen-Essen-Wuppertal) und die S3 (Oberhausen-Mülheim-Essen-Hattingen) sowie die S2-Zusatzzüge im Raum Dortmund. Gar nicht erst gestartet wurde die geplante Verlängerung der S9 ab 1. Mai zwischen Bottrop, Gladbeck und Recklinghausen.
Abellio begründet die massiven Probleme mit Personalmangel. Eigentlich habe man damit gerechnet, zum jetzigen Zeitpunkt über frisch ausgebildete neue Lokführer zu verfügen, so das Unternehmen. Doch auch die Triebfahrzeugschule musste wegen Corona schließen, auch Ausbildungsfahrten fielen flach.
Ergebnis: zum 30. April stellte Abellio die Linie S3 komplett ein – die sie erst vor zwei Monaten von DB Regio übernommen hatte. Und dies bereits mit vier Monaten Verspätung – eigentlich war eine Übernahme im Dezember geplant. Weil Abellio aber auch damals schon Lokführer fehlten, war DB Regio eingesprungen. Doch Abellio-Geschäftsführer Rainer Blüm hatte Ende Februar 2020 in der NRZ mit Blick auf den Start im März versichert: "Seien Sie sicher: Die S3 läuft."
Fachkreise vermuten: Lokführer werden auf anderer Strecke gebraucht
Warum nun plötzlich genau hier die Lokführer fehlen, konnte eine Unternehmenssprecherin nicht genau erklären – ebenso wenig, warum es jetzt so plötzlich zu Betriebseinschränkungen kommt, wo doch schon seit Ende März klar war, dass die Schulen vorerst dicht sind.
In Fachkreisen wird die (ebenfalls eigentlich schon ab Dezember vorgesehene) Verlängerung der S-Bahnlinie 9 über Wuppertal hinaus nach Hagen vermutet. Dort war seit Dezember ein Ersatzkonzept mit Bussen gefahren worden. Nun rollen dort endlich Züge, aber die Menschen im Ruhrgebiet müssen auf den Bus ausweichen – mit deutlich weniger Plätzen. Und das in Zeiten des Distanzgebotes.
Eine Umverteilung von Lokführern aus dem Niederrhein-Netz sei wegen fehlender Strecken- und Fahrzeugkunde nicht möglich, so Abellio. Ärgerlich, da zwischen Oberhausen und Arnheim derzeit viele Züge der Abellio-Linie RE19 ausfallen. Und unklar, warum man nicht zumindest die Züge auf die andere Route verlegen kann.
VRR: "Ärgerlich": Man sei erst kurzfristig über die Probleme informiert worden
Beim VRR ist man auf Abellio folglich derzeit nicht gut zu sprechen: "Der VRR ist von der Personalsituation von Abellio erst kurzfristig informiert worden, sodass dies umso ärgerlicher ist. Ansonsten hätte man frühzeitiger auf die Situation reagieren können", heißt es dort. Abellio sei erneut "mit Nachdruck aufgefordert" worden, wieder "vollumfänglich einsatzfähig" zu sein. Für ausgefallene Züge müsse Abellio Strafen zahlen. An einem Ersatzkonzept werde gearbeitet
Schwacher Trost: Am Wochenende gelang es immerhin, einen Ersatzzug zu organisieren, der mit 60 Jahre alten, nicht barrierefreien Wagen ohne Klimaanlage und W-Lan und mit etwas weniger Plätzen im Stundentakt auf der Linie S3 rollt: Seit Montag fällt "nur" noch jede zweite Bahn aus.
In der Vergangenheit gab es Bestnoten für Abellio - jetzt wackelt die Übernahme des RE1
Das Eisenbahnunternehmen Abellio stand bislang für ein gelungenes Beispiel der Privatisierung. Die NRW-Tochter mit Sitz in Hagen bekam Bestnoten für Personal und Pünktlichkeit – und den Zuschlag, ab Juni 2020 die fahrgaststärkste Regionalexpresslinie NRWs zu übernehmen: den RE1 von Hamm nach Aachen über Dortmund, Essen, Düsseldorf und Köln.
Doch auch diese Übernahme von DB Regio wackelt. Auf der Strecke sollten die neuen RRX-Züge fahren, bislang blieben Schulungsfahrten aus, so Abellio. In welchem Umfang Abellio dazu in der Lage ist, mochte eine Abellio-Unternehmenssprecherin nicht mitteilen. Beim VRR heißt es vielsagend: "Der VRR freut sich, dass DB Regio derzeit prüft, wie Abellio bei der Betriebsaufnahme unterstützt werden kann." Gut möglich, dass der RRX auf dieser Linie schon vor dem Start Verspätung haben wird.