An Rhein und Ruhr. Eine nrw-weite Erfassung der Streuobstwiesen zieht sich dahin. Umweltministerium stellt Abschluss bis “spätestens Ende 2022“ in Aussicht.
Streuobstwiesen sind wichtige Lebensräume für viele Tier- und Pflanzenarten, gerade auch am Niederrhein. Steinkauz, Gartenschläfer und Zilpzalp haben dort ein Zuhause, Streuobstwiesen sind zudem regelrechte Insekten-Paradiese. In Nordrhein-Westfalen sollen diese Biotope laut dem Ende 2016 geänderten Landesnaturschutzgesetz unter Schutz gestellt werden, falls ihr Bestand nrw-weit um 5% abnimmt. Eine landesweite Erfassung der Flächen zieht sich aber seither dahin.
Umweltschützer vom BUND werfen der Landesregierung "Untätigkeit" vor. Eine gesetzliche Unterschutzstellung der Streuobstwiesen sei unabdingbar, meint BUND-Landeschef Holger Sticht. Das NRW-Umweltministerium erklärt auf Nachfrage der Redaktion (30. April 2020), dass die Erfassung der Bestände "gerade in einigen Mittelgebirgsregionen deutlich zeitlich zeitaufwendiger ist als ursprünglich geplant".
Landesweite Entwicklung bisher nicht einzuschätzen
Klar ist: Auch im laufenden Jahr wird es noch keinen Überblick über den tatsächlichen Bestand an Streuobstwiesen in NRW geben. Das Ministerium schließt aus, dass die Erfassung in nächster Zeit abgeschlossen wird und stellt ein Ende der Bestandsaufnahme "bis spätestens Ende 2022" in Aussicht. Solange wird es freilich auch keine Unterschutzstellung geben.
Dabei stellt das Ministerium laut den bereits vorliegenden Daten in einigen Landkreisen "weiterhin negative Tendenzen" fest, sprich: Streuobstwiesen werden abgeholzt oder verkümmern mangels Pflege. Anderswo seien die Bestände indes "durchaus stabil". Die Entwicklung landesweit einzuschätzen, sei derzeit nicht möglich, hieß es es im Hause von Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU).
Bisher fast 3000 Hektar Streuobstwiesen identifiziert
Stand Frühjahr 2020 sind den Angaben zufolge "mehr als die Hälfte der über 15.000 im Jahr 2018 vermuteten Streuobst-Verdachtsflächen inzwischen kartiert". In fast 90% der Fälle, alles in allem fast 3.000 Hektar Fläche, habe man Streuobstbestände im Sinne des Landesnaturschutzgesetzes identifizieren können, so der Ministeriumssprecher.
Das zähe Voranschreiten der Bestandsaufnahme erklärt man im Ministerium damit, dass man es zum Teil mit ziemlich versteckten Miniflächen zu tun habe. Es fehle zudem an ehrenamtlichen Helfern für die Kartierung, vor Ort könnten das auch die Biologischen Stationen nicht auffangen. Für 2020 seien durch das Land NRW zusätzliche Mittel bereitgestellt worden, so der Ministeriumssprecher. Was an Streuobstwiesen bis Ende des laufenden Jahres noch nicht kartiert ist, soll ab 2021 direkt durchs Landesumweltamt (Lanuv) erfasst werden.
Auch Nabu fordert Klarheit über Bestände
Die schleppende Erfassung wird auch vom Naturschutzbund (Nabu) kritisiert: "Wir brauchen endlich Klarheit über die Bestände", mahnt Nabu-Expertin Eva Lisges. Der Passus zu den Streuobstwiesen war noch unter der Vorgänger-Landesregierung ins Gesetz eingebracht worden. Weil solche Biotope unbedingt der Pflege bedürfen, hatte der damalige Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) zunächst auf freiwilligen Naturschutz gesetzt. Unter seine Regie war eine landesweite Kooperation von Landwirten und Naturschützern zum Schutz der Streuobstwiesen geschmiedet worden, unterstützt durch Fördermittel.
Der BUND war der Vereinbarung damals ausdrücklich nicht beigetreten. Eine Regelung, die eine weitere Zerstörung von Lebensräumen als Voraussetzung für ihren späteren Schutz nehme, hält man beim BUND für "naturschutzwidrig" und sieht sich durch die Situation jetzt, nach dreieinhalb Jahren, bestätigt. Für den Nabu hingegen stellt Eva Lisges fest: "Streuobstwiesenschutz geht nur zusammen mit der Landwirtschaft." Vor Ort laufe die Kooperation mit den Bauern durchaus gut, wenngleich man sich noch mehr Aktivitäten wünsche.
Bauernpräsident warnt vor "übereilten" Entscheidungen
Der rheinische Bauernpräsident Bernhard Conzen erklärte auf Nachfrage der Redaktion: "Wir als Landwirtschaft setzen auf den kooperativen Weg beim Schutz der Streuobstwiesen." Man halte sich an die 2016 mit allen Beteiligten getroffenen Regelungen. Dass die Erfassung viel Zeit in Anspruch nehme, sei klar gewesen. Ohne sie abgeschlossen zu haben, solle aber nicht über eine Unterschutzstellung entschieden werden: "Ohne eine korrekte Datengrundlage über weitere gesetzliche Reglungen zu entscheiden, wäre übereilt und kopflos", meinte Conzen.