Am Niederrhein. Seit mehr als 50 Jahren hilft das Friedensdorf International (Dinslaken/Oberhausen) kranken und verletzten Kindern aus Krisengebieten.
Seit über 50 Jahren hilft FRIEDENSDORF INTERNATIONAL verletzten und kranken Kindern aus Kriegs- und Krisengebieten durch medizinische Behandlungen hier bei uns in Europa. Und wie so viele sozial aktive Einrichtungen finanziert das Friedensdorf (mit seinen Häusern in Dinslaken und in Oberhausen) die Einzelfallhilfe ausschließlich über Spenden. Wir sprachen mit Claudia Peppmüller vom Friedensdorf – über das, was war und das, was immer noch ist.
NRZ-Leserinnen und -Leser helfen – Spende aus dem Verkaufserlös des „Bauernhofcaféführers Hereinspaziert 2018“
Frau Peppmüller, wie viele Kinder sind gerade bei Ihnen?
Aktuell betreuen wir 169 Kinder aus sieben Nationen, davon sind 149 in unserer Oberhausener Heimeinrichtung.
In Corona-Zeiten bedeutet das: Niemand darf hinein, niemand hinaus…
Selbstverständlich können unsere MitarbeiterInnen noch in die Einrichtung, um die Kinder zu versorgen. Um das Risiko einer Ansteckung für alle zu reduzieren, haben wir unsere ehrenamtlichen Freunde und sogar unsere Dinslakener MitarbeiterInnen gebeten, zunächst bis zum 30. April nicht in die Einrichtung zu kommen.
Als sich vor fünf Jahrzehnten das Friedensdorf gründete – hat man da gedacht, dass es 50 Jahre alt werden muss?
Am 6. Juli wird das Friedensdorf 53 Jahre alt. Wir haben immer gesagt, dass das kein Grund zum Feiern ist und in all den vielen Jahrzehnten gehofft, dass unsere Hilfe für Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten überflüssig wird.
2019 gab es 23 Kriege auf der Welt
Schaut man sich die Statistik der Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung an, so müssen wir immer wieder feststellen, dass letzteres ein unerfüllter Wunsch bleiben wird, denn weltweit fanden in 2019 23 Kriege und vier sogenannte bewaffnete Konflikte statt. So viele gab es übrigens zur Gründerzeit des Friedensdorfes 1967 nicht!
Allein am Beispiel von Afghanistan, wo wir seit über 30 Jahren Kinder zur medizinischen Versorgung nach Deutschland holen, ist zu sehen, dass bis heute an Frieden nicht zu denken ist. In all den Ländern in denen wir mit der Einzelfallhilfe oder Projektarbeit Kindern medizinisch helfen, sehen wir – selbst viele Jahre nach einem Krieg – dass oftmals eine Basisversorgung nicht gegeben oder mangelhaft ist.
Es wird immer schwieriger Freibehandlungen in den Kliniken zu bekommen
Es gibt eine Warteliste?
In Ländern wie z.B. Tadschikistan, Kirgistan und Usbekistan werden uns kaum Kinder vorgestellt, die an einer akuten Erkrankung bzw. Verletzung, z.B. einer Knochenentzündung, leiden, die möglichst rasch behandelt werden muss. In diesen Ländern sehen wir viele Kinder, die z.B. ausgeprägte Klumpfüße, schwere urologische Befunde oder einen Zustand nach einer Brandverletzung haben.
Kaffee trinken für eine gute Sache
Dank Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, können wie vier soziale Einrichtungen, darunter nun auch das Friedensdorf International in Dinslaken/Oberhausen, mit je 2256 Euro unterstützen. Die Summe stammt aus dem Erlös des Bauernhofcaféführers „Hereinspaziert“ (2018). 1,50 Euro pro verkauftem Büchlein wurden vom Essener Klartext Verlag für die gute Sache gespendet.
Etwa 1500 verletzten oder kranken Mädchen und Jungen kann Friedensdorf International Jahr für Jahr im Rahmen der Projektarbeit helfen. Dabei ist die Einrichtung auf Spenden angewiesen.
Infos: www.friedensdorf.de
In den letzten Jahren wird es für uns immer schwieriger eine Freibehandlung für Friedensdorf Kinder in Kliniken zu erhalten. Da die „Freibetten“ im Bereich der Urologie, Orthopädie und plastischen Chirurgie aufgrund der ausgeprägten Befunde noch schwieriger zu bekommen sind, führen wir hier tatsächlich eine Warteliste.
Was macht Corona mit Ihnen?
Das Friedensdorf ist von der Corona-Krise stark betroffen. Das betrifft die inhaltliche Arbeit mit den Kindern, die Projektarbeit und die friedenspädagogische Arbeit. Das Friedensdorf Bildungswerk erzielt keinerlei Einnahmen mehr, weil alle Angebote der Familien- und Erwachsenenbildung sowie die Seminare in der Begegnungsstätte im Friedensdorf aufgrund der Pandemie bis auf weiteres nicht stattfinden können. Auch die zwei Friedensdorf-Interläden sowie Friedas Welt mussten vorerst geschlossen werden.
„Die Solidarität rührt uns sehr“
Wir befürchten, dass finanzielle Einbußen möglicherweise im Verlauf des Jahres noch stärker werden. Niemand weiß, wie lange diese Krise anhalten wird. Was uns sehr freut ist, dass viele Menschen uns auf allen Arbeitsfeldern mit Mut machenden Worten und Spenden bedenken. Diese Solidarität rührt uns sehr.
Für Mai waren Einsätze geplant…
Nicht nur im Mai. Eigentlich sollten bereits im März in Usbekistan und Kirgistan unserem Team kranke und verletzte Kinder vorgestellt werden. Mit dem Ausrufen der Pandemie reagierten diese Länder schnell mit erschwerten Einreisebedingungen und einem Versammlungsverbot.
Hier geht's zum Friedensdorf International
Besonders bitter ist es, dass wir nicht nach Angola fliegen können, denn dort warten viele schwer verletzte Kinder auf eine dringend notwendige Behandlung. Außerdem können die genesenen angolanischen Kinder mit diesem Hilfseinsatz nicht zurück zu ihren Familien. Wir sind froh, dass die Kinder diese Ausnahmezeit in unserer Einrichtung gelassen nehmen. Von Anfang an sind wir mit den Kindern offen und ehrlich mit dieser Problematik umgegangen.
Sie können kranke Kinder im Moment nicht holen?
Selbst wenn es im Mai möglich wäre in Angola einzureisen, würden wir verständlicherweise so kurzfristig keine Freibehandlungen für die Kinder in den deutschen Kliniken erhalten. Alle Kliniken sind aktuell angehalten, nur Notoperationen durchzuführen, das bedeutet, dass viele geplante Operationen für die Menschen hier schon in die zweite Jahreshälfte verschoben werden müssen.
Seife und Nahrungsmittel für die Müllkinder in Kambodscha
Zudem müssen wir abwarten wie sich der Virus in den Heimatländern der Kinder ausbreiten wird. In Europa stehen wir bereits vor einem Kollaps im Gesundheitssystem. Was glauben Sie, wird z.B. in Afghanistan - wo es schon kaum in der Hauptstadt Kabul eine Intensivversorgung gibt - passieren? Wir haben sehr viel Glück in Deutschland zu leben. Hier wird nicht nur medizinisch, sondern auch wirtschaftlich versucht die Menschen aufzufangen. In den Heimatländern der Kinder bedeutet eine Ausgangssperre, dass die Familien kein Einkommen erzielen können und somit es noch schwieriger bzw. unmöglich wird die Familie zu ernähren.
In Kambodscha beispielsweise haben wir gemeinsam mit unserem Partner Chau Kim Heng schon jetzt über unser Sozialprojekt „Comped Home“ die Müllsammlerfamilien in Phnom Penh mit Nahrungsmitteln und Seife versorgt.
Sie bauen gerade ein neues Rehabilitationszentrum – können Sie alles so umsetzen, wie geplant?
Seit Sommer 2018 bauen wir ein Rehabilitationszentrum mit Eingriffsraum. Dieser Bau ist für uns sehr wichtig, um die Einzelfallhilfe zu erhalten.
Ende 2020 sollen dort ambulante Eingriffe, insbesondere handchirurgische und kleinere orthopädische Operationen, durchgeführt werden. Dazu gehört beispielsweise die Entfernung von Fixateuren, Metallplatten oder -schrauben.
Zunächst hatten wir die Befürchtung, dass die Corona-Krise einen Baustopp erzwingen könnte. Bisher laufen die Bauarbeiten planmäßig. Mitte Februar begannen die auch technisch sehr aufwendigen Innenarbeiten. Nachdem die Fenster eingesetzt worden sind, wird der Bau austrocknen können. Parallel suchen wir nach qualifiziertem und flexiblem Personal für den ambulanten OP-Bereich.Trotz der Coronakrise macht der Neubau gute Fortschritte.
Wir danken allen ausführenden Unternehmen, dass sie an dem für uns so wichtigen Bauprojekt weiterarbeiten - natürlich mit den entsprechenden Schutzmaßnahmen.