Duisburg. Einfühlsam mit der Natur umgehen und sie verstehen lernen - das möchte die Naturwerkstatt Duisburg vor allem Kindern und Jugendlichen vermitteln.

Ob Mauersegler auch in der Luft schlafen? Gibt es ihn wirklich, den Tanz der Fledermäuse? – Seit dem Frühjahr 2002 geht Martin Scholz, Leiter der Naturwerkstatt in Duisburg (am Wambachsee), auf Spurensuche durch die Natur – für große und kleine Kinder, für neugierige Erwachsene, für alle, die Spaß an der Natur haben.

Hallo Herr Scholz, Sie haben sicher einen der natürlichsten Arbeitsplätze am Niederrhein...

Das könnte man so meinen. Er ist zumindest luftig. In Ballungsgebieten muss man Kompromisse machen. Und: Nach einem Studium der Agrarwirtschaft und Ökologie,, einigen Jahren in der Verwaltung und 20 Jahren amtlich und ehrenamtlicher Tätigkeit und Erfahrungen in der Umweltbildung habe ich den Eindruck, dass Menschen ihre Wurzel verloren haben. Wenn sie rausgehen neigen sie dazu die „Natur“ miss zu verstehen.

Wie das?

Zwei Beispiele. Zur Zeit strecken die Gänseblümchen, das Lungenkraut, die Märzveilchen, das Scharbockskraut schüchtern ihre Blüten aus der Wiese. Und was passiert? Die Rasenmäher sind im Anmarsch! Dabei geben die Blüten viel Pollen bzw. Nektar für unsere Hummeln und Bienen her. Außerdem sind alle Pflanzen auch Heilpflanzen, nicht immer nur für uns Menschen! Es herrscht ein seltsamer Ordnungssinn. Wir klopfen ja auch nicht mit dem Hammer Vogelkot vom Auto!

Es gibt so viel zu entdecken – und wer versteht, geht auch nachhaltig mit der Natur um.
Es gibt so viel zu entdecken – und wer versteht, geht auch nachhaltig mit der Natur um. © Naturwerkstatt Duisburg

Beispiel 2: Langsam beginnt die Brutzeit. Enten, Gänse, Schwäne, Kiebitze, Lerchen brüten im Frühjahr auf dem Boden, am Waldrand und auf Wiesen. Auch befinden wir uns in der Setzzeit: Rehe, Füchse, Igel bekommen ihre Jungen zwischen März und Juni. In dieser Zeit findet man oft Jungtiere, die noch unerfahren und sehr neugierig am Waldrand und auf Wiesen herumlaufen.

Wildtiere, Menschen und Hunde friedlich miteinander in der Natur – das sollte doch funktionieren

Hier drängt sich folgende Frage auf: Wie könnte sich ein Hundebesitzer verhalten, damit Hunde und Wildtiere und Menschen einen sicheren Lebensraum haben? Aber auch: Wie könnten sich die Städtischen Wirtschaftsbetriebe mit ihren Pflegemaßnahmen verhalten, um gut Vorbilder zu sein? Die Naturwerkstatt hätte da einige Antworten parat!

Sie haben 2002 die Naturwerkstatt e.V. Duisburg gegründet. Warum?

Inspirierend war die Tätigkeit als Honorarkraft im „Grünen Klassenzimmer“ 1999 während der Oberhausener Landes Gartenschau und die Tätigkeit als Naturkundeführer im Rahmen der Abschlusspräsentation der Internationalen Bauausstellung Emscherpark ebenfalls 1999. Wir haben den Besuchern aus der „ganzen Welt“ damals die besondere Flora und Fauna auf den Industriebrachen z.B. im Landschaftspark Duisburg Nord oder auf den Bergehalden im Ruhrgebiet erklärt.

Ein Jahr später haben eine Kollegin, Gaby Borg (Biologin), und ich uns mit der Naturwerkstatt e.V. selbstständig gemacht. Im Gründungsjahr hat einmal eine Erzieherin geschrieben: „Da haben sich zwei Leute mal richtig Gedanken gemacht!“. Stimmt! für Duisburg damals offensichtlich essenziell.

Abenteuer Natur. Expeditionen, Führungen, Workhops – seit fast 20 Jahren ist das am Wambachsee in Duisburg möglich - dank der Naturwerkstatt e.V.
Abenteuer Natur. Expeditionen, Führungen, Workhops – seit fast 20 Jahren ist das am Wambachsee in Duisburg möglich - dank der Naturwerkstatt e.V. © Naturwerkstatt Duisburg

Lassen sich Kinder heute schwerer für die Natur begeistern als vor ein paar Jahren noch?

Nein, gar nicht, im Gegenteil. Die Kinder blühen bei den Veranstaltungen auf. Vorausgesetzt man lässt ihnen Bewegungsraum und hält ihre Neugier wach. Zu entdecken gibt es ja sehr viel, man muss nur wissen, was und wo was ist.

Ganz wichtig ist es aber auch, den Teilnehmern die Grenzen zu zeigen, in denen ein Miteinander in der Natur möglich ist. Verursacht durch mehrjährige Trockenperioden und eine Übernutzung bestimmter Waldgebiete durch Forstwirtschaft und Freizeit entdecken wir Folgeschäden bei den Bäumen, die zu erkennen und zu beachten sind.

Übrigens nutzen immer mehr Familien unser Angebot, denn was für Kinder spannend ist, ist für die Erwachsenen auch oft ganz interessant.

Ein Krabbelkäfer auf dem Waldboden kommt immer noch gut an?

Ja. Auch weil einige besondere Exemplare seltener werden, weil wir der Natur (uns eingeschlossen) und Umwelt immer weniger Raum geben. Alles ist so „sauber“! Und nicht zu vergessen, der Einsatz schlagkräftiger Maschinen raubt vielen Lebewesen erbarmungslos das Zuhause/die Lebensgrundlage. Obdachlosigkeit und Elend (in der Fora und Fauna) ist die Folge. Es wird nicht gesehen und deshalb nicht verstanden.

https://www.naturwerkstatt-on-tour.de

Exkursionen klappen auch ohne Handy und WhatsApp-Gruppe?

Sowas wie eine WhatsApp-Gruppe brauchen wir nicht! Bei Schulführungen wird der Einsatz von Handys teilweise sogar von LehrerInnen verboten, weil man gemerkt hat, dass sich die Teilnehmer nicht mehr richtig konzentrieren können, nicht richtig bei der Sache sind. Es gibt Leute, die während einer Führung die genannten Pflanzennamen, bzw. das Gesagte direkt nachgooglen – ist aber selten.

In der Naturwerkstatt in Duisburg kann man sogar den Tanz der Fledermäuse beobachten...

Wie oft haben Sie eigentlich schon den Tanz der Fledermäuse an der Sechs-Seen-Platte erlebt?

Ganz, ganz viele Tänze habe ich beobachtet, nicht nur der Fledermäuse, auch der Nachtfalter, der Eulen, der Mäuse, der Marder, Füchse, Krebse Dachse, und, und, und.

Wie vermitteln Sie, was Nachhaltigkeit ist?

Siehe oben. Und in Veranstaltungen in denen man zeigt, wie die Forstwirtschaft arbeitet und funktioniert z.B. im Rahmen der Führung „Ökosystem Wald“. Oder wie Landwirtschaft funktioniert, z.B. mit den Themen Ökologische Landwirtschaft, nachhaltiger Konsum. Um Nachhaltigkeit und zu begreifen, benötigt man aber Zeit und man muss sich öfter mit dem Thema beschäftigen.

Naturexkursionen sind kein Besuch im Spaßbad, es geht auch um Nachhaltigkeit

Deshalb kommen auch viele Gruppen heute mehrmals im Jahr zur Naturwerkstatt e.V.

Erzieherinnen, Eltern und Lehrer haben die Erfahrung gemacht, dass es hier um Entwicklungsprozesse geht und nicht um einzelne Highlights, wie der Besuch im Spaßbad. Und trotzdem ist es offensichtlich immer wieder aufregend und es macht viel Spaß, sich bei der Naturwerkstatt e.V. zu treffen und sich mit den Themen zu beschäftigen. Die Natur bietet uns ja ein ungeheures Potenzial an Geheimnissen, Sinneseindrücken, Anregungen und Ideen und Vielfältigkeit. Sie berührt und beruhigt uns. Man muss nur hinsehen und erkennen können. Das fehlt.

Was würden Sie Greta Thunberg sagen, wenn Sie die Chance dazu hätten?

Ganz toll und bitte weiter so arbeiten, liebe Greta! Die Jugendlichen äußern ihre berechtigten Bedenken und Ängste, sie formulieren ihre Forderungen und bringen sie friedlich zum Ausdruck. Man kann mit ihnen reden! Was wollen wir mehr? Es ist nicht nachvollziehbar, dass ihre Anliegen nicht selten verhöhnt werden oder von Politikern und Lobbyisten nicht ernst genommen werden. Ein riesiges Potenzial wird hier verschwendet! Grund: wenig Verständnis und Wissen über die ökologischen Zusammenhänge bei einigen Entscheidungsträgern.

Können Aktionen wie fridays for future da etwas bewegen?

Unbedingt. Etwas frecher und nachdrücklicher werden und die Mechanismen unserer Gesellschaft anwenden, könnte der Bewegung gut tun. Etwa einen einflussreichen Interessensverband gründen (Lobby), der die Politiker bei den Gesetzesentwürfen/ -abstimmungen berät oder gar in den Parlamenten, Rathäusern, Schulen, sonstigen Gremien sitzt. Da in unserer Gesellschaft vieles über das Geld geregelt wird, sollten entsprechende Partner gewonnen werden.

Das ist er, der neue Bauwagen für die Naturwerkstatt. Viele haben geholfen, die NRZ, Redaktion „Wir am Niederrhein“ und der Essener Klartext Verlag, haben 2256 Euro dazu getan – das Geld stammt aus dem Erlös aus dem Verkauf des NRZ-Bauernhofcafé-Führers „Hereinspaziert 2018“. Auf dem Foto: Anno Okon, Verena Rehkopf, Martin Scholz, alle drei vom Verein Naturwerkstatt e.V.
Das ist er, der neue Bauwagen für die Naturwerkstatt. Viele haben geholfen, die NRZ, Redaktion „Wir am Niederrhein“ und der Essener Klartext Verlag, haben 2256 Euro dazu getan – das Geld stammt aus dem Erlös aus dem Verkauf des NRZ-Bauernhofcafé-Führers „Hereinspaziert 2018“. Auf dem Foto: Anno Okon, Verena Rehkopf, Martin Scholz, alle drei vom Verein Naturwerkstatt e.V. © Naturwerkstatt Duisburg

Und nun haben Sie hier einen nagelneuen Bauwagen hier stehen...

Genau! Darüber freuen wir uns sehr. Zwölf Jahre stand der alte Bauwagen an der Naturwerkstatt e.V. am Wambachsee.

Da eine Renovierung kaum mehr in Frage kam, war eine Neuanschaffung notwendig. Und nun geschah etwas Wunderbares: Der Klartextverlag/NRZ, die Sparda-Bank West, der Bürgerverein Duisburg- Großenbaum und die Grundschule/Bürgerverein Duisburg -Buchholz, sowie einige engagierte BürgerInnen und Mitglieder der Naturwerkstatt e.V. haben innerhalb eines Monats das Geld für eine Neuanschaffung gespendet.

Der Deutsche Alpenverein – Sektion Duisburg- hat auf die Spende der Sparda- Bank zugunsten der Naturwerkstatt e.V. im Jahr 2019 verzichtet. Dafür herzlichen Dank! Auch im Namen der vielen Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen, die sich über die Neuanschaffung freuen können. Die spontane Spendenbereitschaft ist ein Zeichen dafür, dass viele Bürger mit der nachhaltigen Arbeit und dem Engagement der Naturwerkstatt e.V. sehr zufrieden sind.

Danke!