Kreis Kleve. Der niederländischer Ministerpräsident hat über eine Gruppenimmunität gegen das Corona-Virus gesprochen. Droht jetzt die Grenzschließung?

Acht Landräte aus Nordrhein-Westfalen richten einen eindringlichen Appell an Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesinnenminister Seehofer und NRW-Ministerpräsident Laschet, dass diese sich besser mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Rutte auf eine gemeinsame Strategie gegen das Coronavirus verständigen sollen.

Die Landräte sind ob der Ansprache des Ministerpräsidenten am Montag im niederländischen Fernsehen irritiert.

Rutte: Bevölkerung müsse Herdenimmunität aufbauen

Darin sagte Rutte, dass man eine Herdenimmunität aufbauen müsse. Das Virus werde einen Großteil der Bevölkerung treffen. „Die Realität ist, dass das Corona-Virus unter uns ist und vorläufig auch unter uns bleiben wird.“ Die Regierung wolle das Virus „maximal kontrollieren“. Ziel müsse es sein, mit den getroffenen Maßnahmen die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen.

Nach Ruttes Auffassung werden nahezu alle Niederländer mit dem Virus konfrontiert. „Zur Realität gehört auch, dass ein Großteil der niederländischen Bevölkerung sich mit diesem Virus infizieren wird.“ Dies müsse auch geschehen, damit die Bevölkerung eine Gruppenimmunität aufbauen könne. Solange es kein Impfmittel gebe, müsse man das Virus abmildern, indem man eine „kontrollierte Gruppen-Immunität aufbaue“.

Rutte: „Wer das Virus einmal hatte, der ist meistens immun dagegen“

Ausdrücklich widersprach Rutte der Befürchtung, dass man das Virus ungebremst gewähren lasse. Dies würde das Gesundheitssystem völlig überlasten und das Land stilllegen. Rutte sagte: „Wer das Virus einmal hatte, der ist meisten immun dagegen. Wie früher bei den Masern. Je größer die Gruppe, die immun ist, desto kleiner die Chance, dass das Virus auf gefährdete Bevölkerungsgruppe überspringt.“

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Auf Initiative von Dr. Kai Zwicker, Landrat des Kreises Borken, machen die Repräsentanten der Kreise Borken, Coesfeld, Heinsberg, Kleve, Recklinghausen, Steinfurt, Viersen und Warendorf sowie der Stadt Münster für eine gemeinsame deutsch-niederländische Strategie gegen das Coronavirus stark. Zurzeit könne davon – noch – keine Rede sein und das unterschiedliche Vorgehen beiderseits der Grenze konterkariere die eingeleiteten Eindämmungsmaßnahmen.

Landräte bitten Merkel um eine schnelle Klärung

Die Landräte bitten im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung darum, schnellstmöglich eine entsprechende Regelung mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Rutte zu treffen.

In dem Schreiben heißt es, dass Frau Merkel in ihrer beeindruckenden Rede uns allen deutlich vor Augen geführt habe, dass Deutschland vor seiner größten Herausforderung seit dem 2. Weltkrieg steht.

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Die Kanzlerin habe deutlich gemacht, dass es auf alle, dass es auf jeden einzelnen und sein Verhalten ankomme. „Wir müssen aber erkennen, dass die Bedrohungslage nach wie vor unterschiedlich bewertet wird. Die Menschen sind sehr mobil und treffen sich.

Um das zu unterbinden, wurden drastische Einschränkungen beschlossen, die wir als kommunale Familie auch unverzüglich umgesetzt haben. Wir müssen nun aber feststellen, dass die Strategie, soziale Kontakte zu unterbinden, nicht überall gleich verfolgt wird“, so die Landräte.

Die Sorge im Grenzgebiet ist groß

Gerade im Grenzgebiet zu den Niederlanden nehme man mit großer Sorge wahr, dass die Einkaufsmöglichkeiten im Einzelhandelsbereich, zum Teil auch sonntags, nach wie vor gegeben sind. Die offizielle Homepage der niederländischen Grenzstadt Enschede verweist darauf. Die Niederlande verfolgen bei der Bekämpfung des Coronavirus offenbar die Strategie der „Gruppen- bzw. Herdenimmunität“.

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Das Robert-Koch-Institut empfehle allen die in Deutschland verfolgte Strategie. Dies funktioniere in einem Gebiet mit offenen Grenzen aber nur, wenn sie 1 : 1 in beiden Ländern – quasi als europäische Strategie – verfolgt werde. Ansonsten bleibe ein Einfallstor für Infektionsketten. Regelmäßig fahren tausende Menschen aus Deutschland zum Shoppen und gemütlichen Beisammensein in die Niederlande, viele Niederländer kommen zu uns. Wir befürchten, dass angesichts der offenen Geschäfte in den Niederlanden derzeit dieser ansonsten sehr gern gesehene nachbarschaftliche Austausch noch verstärkt wird.“

Als ultima ratio gilt die Grenzschließung

Die Landräte appellieren: „Verständigen Sie sich mit Ministerpräsident Rutte, damit in unseren beiden Ländern dieselbe Strategie gegen das Coronavirus verfolgt wird. Die Regelungen müssen beiderseits der Grenze die gleichen sein. Ansonsten bliebe als ultima ratio nur eine Grenzschließung für den nicht berufsbedingten Personenverkehr, die wir alle nicht wünschen und zutiefst bedauern würden.“

Der niederländische Gesundheitsminister Bruno Bruins trat gestern überraschend zurück.