An Rhein und Ruhr. Die Coronavirus-Epidemie sorgt für zahlreiche Absagen und Verschiebungen der Messen in NRW. Es drohen Umsatzverluste bis zu 70 Prozent.

Umsatzeinbrüche, Absagen, Verschiebungen: Die Coronavirus-Epidemie greift die Existenz der Messebauer in der Region empfindlich an. „Bis Ende Januar war das Coronavirus überhaupt kein Thema für uns“, erinnert sich Enrico Frerix. Er sitzt an einem Tisch in seinem Messebau-Unternehmen „Alpha Medien“ in Krefeld, redet mit ruhiger Stimme über die Ereignisse, die ab Mitte Februar auf ihn einprasselten. „Auf der Euroshop in Düsseldorf haben wir erste Anzeichen bemerkt“, erklärt er. Ungewöhnlich wenige Besucher seien auf der weltweit größten Messe für Handel vor Ort gewesen.

Messebauer aus Krefeld: 30 bis 50 Kunden pro Jahr

Was folgte, sei in so kurzer Zeit in dem Ausmaße nicht vorhersehbar gewesen. Zahlreiche Messeabsagen und -verschiebungen erreichten das Familienunternehmen. Alpha Medien erhält pro Jahr Messebau-Aufträge von 30 bis 50 Kunden – „zehn bis zwölf Kunden werden bereits jetzt definitiv wegfallen“, sagt Frerix. „Das ist eine wirtschaftliche Katastrophe.“


Ein Partner von Frerix sei kürzlich für die Frankfurter Licht- und Gebäudemesse „Light & Building“ mit 80 Tonnen Ladung vorgefahren – umsonst, wie er vor Ort feststellte. Die Messe wurde verschoben. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sich kürzlich dafür ausgesprochen, zunächst alle Veranstaltungen mit über 1000 Besuchern abzusagen. Davon wäre jede Messe betroffen.

„Wir hatten einige Aufträge für die ‘Pro Wein’ in Düsseldorf“, erklärt Frerix. Auch diese Messe kann in diesem Jahr nicht stattfinden. Und: „Wir reden bei mittelständischen Projekten von Umsätzen zwischen zehn- und fünfzigtausend Euro.“

Fachverband „Famab“: Es drohen Umsatzverluste

Frerix’ Schicksal ist kein Einzelfall. „Die Situation ist sehr ernst, die Mehrheit der Branche steht vor diesem Problem“, erklärt Jan Kalbfleisch, Geschäftsführer vom Fachverband für Messebauunternehmen „Famab“ im Gespräch mit der NRZ. „Das Ganze ist wie ein Tsunami über uns hereingebrochen.“ Prominente Beispiele für abgesagte Messen seien die Tourismusmesse „ITB“ in Berlin sowie die Leipziger Buchmesse.


170 Messebauer gehören dem Verband an, rund 30 Prozent von ihnen seien in Nordrhein-Westfalen angesiedelt. „Wir reden hier bei vielen Betrieben von 50 bis 70 Prozent Umsatzverlust“, betont Kalbfleisch. „Mir ist keine Versicherung bekannt, die in so einem außergewöhnlichen Fall greifen würde.“

Verschobene Messen: Schlechteste Lösung für alle Beteiligten

Ein Problem: Wenn eine Messe abgesagt wird, bleiben viele Messebauer auf ihren Kosten sitzen. „In der Theorie gelten die Verträge, sofern keine höhere Gewalt vorliegt“, erklärt der Geschäftsführer. Die läge vor, wenn zum Beispiel eine Behörde eine Messeveranstaltung untersagen würde. In der Praxis sehe die Situation oft anders aus. „Kein Messebauer klagt gerne gegen einen Kunden“, so Kalbfleisch. „Viele suchen gemeinsam nach kulanten Lösungen.“


Probleme bereite zudem die Tatsache, dass viele Messen verschoben, nicht aber abgesagt würden. „Das ist für alle Beteiligten die denkbar schlechteste Lösung“, sagt Kalbfleisch. Höhepunkte der Messesaison seien der Frühling und der Herbst. Sollten die Messen nun auf den Herbst verschoben werden, dürfte die doppelte Anzahl logistisch kaum zu bewältigen sein.

Coronavirus: Unternehmen müssen kreativ sein

Viel Spielraum bliebe den Messebauern in dieser ungewöhnlichen Situation nicht. „Wir haben einige Mitglieder, die sind sehr kreativ und bieten ihre handwerklichen Leistungen Unternehmen abseits vom Messebau an“, erklärt Kalbfleisch.


Das hält auch Enrico Frerix und sein Team über Wasser. Der Geschäftsführer erhebt sich vom Tisch, steuert auf eine Tür zu. Dahinter ein kleines Lager: Kartons stapeln sich an den Wänden, bunt bedruckte Teppiche und Fußmatten liegen überall verteilt. „Wir haben die bedruckten Bodenbeläge vor einiger Zeit als zweites Standbein etabliert“, erklärt er. Dass dieses zweite Standbein mal so wichtig für die Existenz seines Unternehmen werden würde, hätte er nicht geglaubt. „Wir setzen den Fokus nun weiter auf private Kunden“, so Frerix. „Da merkt man erst, wie unvorbereitet man auf so eine Situation ist.“