An Rhein und Ruhr. Laut Arbeitsagentur sind Stellen in NRW im Schnitt 123,1 Tage offen, ehe sie besetzt werden können. In 14 Berufsgruppen gibt es Engpässe.

Für Unternehmen in Nordrhein-Westfalen wird es immer schwieriger, Fachkräfte zu finden. Eine aktuelle Analyse der Arbeitsagentur fürs Frühjahr 2020 zeigt: Quer durch alle Berufe sind Stellen im Schnitt 123,1 Tage ausgeschrieben, ehe sie wiederbesetzt werden können – und damit 13,1 Tage länger als noch vor einem Jahr. Bei speziellen Berufen - etwa auf dem Bau, in der Pflege oder im IT-Bereich - dauert die Personalsuche teilweise ein halbes Jahr oder mehr.

„Fachkräftemangel wird von den Firmen mittlerweile als das größte Risiko für die weitere Geschäftsentwicklung angesehen“, sagte Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer (IHK), an diesem Mittwoch (19. Februar 2020), auf Nachfrage der Redaktion. Dietzfelbinger begrüßte das Fachkräfteeinwanderungsgesetz der Bundesregierung, das jetzt zum März in Kraft tritt. Das sei „der richtige Weg“: „Wir brauchen dann aber auch eine Willkommenskultur“, mahnte der IHK-Hauptgeschäftsführer.

„Für den akuten Auftragsanprall sind zu wenig Fachkräfte am Markt“, klagte Andreas Ehlert, Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf. Betriebe könnten nicht dem Bedarf entsprechend wachsen. Bei der jüngsten Kammerumfrage im vergangenen Herbst hatten 35 Prozent der Betriebe offene Stellen gemeldet. Gerade beim Handwerk ist man sehr um Nachwuchs bemüht. Ehlert würdigte ausdrücklich, dass sich die Landespolitik für die duale Ausbildung einsetze.

Große regionale Unterschiede

Der aktuellen Betrachtung der Arbeitsagentur zufolge liegt die Dauer der Personalsuche in NRW nur nach knapp unter dem Bundesschnitt von 124,2 Tage. Besonders lange dauert die Suche in Thüringen (140 Tage) und in Baden-Württemberg (136 Tage). Die Experten haben für NRW insgesamt 14 Berufsgruppen identifiziert, in denen mitunter sehr starke Fachkräfteengpässe bestehen. Zum Teil gibt es sehr große regionale Unterschiede. Am längsten sind Stellen in Südwestfalen offen (142 Tage). Das Rheinland (124 Tage) und das Ruhrgebiet (123 Tage) liegen ziemlich genau im NRW-Schnitt.

Kein allgemeiner Fachkräfte-Engpass

Examinierte Altenpflegerinnen, Physiotherapeutinnen und Logopädinnen, Fachkrankenschwestern und Hebammen, examinierte Kräfte der Gesundheits- und Krankenpflege, Lokführer, Softwareentwickler, IT-Anwendungsberater, Fachkleute der Sanitär- und Heizungstechnik sowie Kältetechnik, Bodenverleger, Tiefbauer, Elektrotechnik, Energietechniker und Gärtnermeister - in diesen Berufen sieht die Arbeitsagentur in NRW aktuell Fachkräfteengpässe.

Von einem allgemeinen Fachkräfte-Engpass will man aber ausdrücklich nicht sprechen, weil es große regionale Unterschiede gibt und zuletzt landesweit rund 277.400 arbeitslose Fachkräfte registriert waren.

Besonders angespannt ist zum Beispiel die Lage bei den Lokführern im Rheinland. Auf 100 offene Stellen kommen rein rechnerisch nur 26 Bewerber, Tendenz sinkend. Softwareentwickler werden in Ostwestfalen-Lippe stark gesucht, sind aber auch im Ruhrgebiet und Rheinland rar. Energietechnik-Fachleute werden landesweit gesucht, ebenso Sanitär- und Heizungstechniker. Examinierte Altenpflegerinnen gelten als die Berufsgruppe, bei denen die Fachkräftenot am deutlichsten zu Tage tritt: Stellen waren im NRW-Schnitt 193 Tage offen, 21 mehr als noch vor Jahresfrist.

Zahl der Kurzarbeiter steigt

„Für Unternehmen in allen Branchen können Fachkräfteengpässe Auswirkungen haben, die an die Substanz gehen – wenn Aufträge nur verspätet oder gar nicht angenommen werden können“, sagte Christoph Löhr von der Arbeitsagentur NRW. Er wies auf Fördermöglichkeiten von Mitarbeitern im Betrieb hin, die über bisher noch keine ausreichende Ausbildung für Fachaufgaben verfügen: „Wir sind überzeugt, dass das für viele Engpässe in Unternehmen ein optimales Angebot ist.“

fachkräftemangel wird zu einem ernsten risikoFachkräftesorgen gibt es auch in der exportorientierten Wirtschaft, wobei einige Firmen derzeit die Auswirkungen der weltweit etwas schwächeren Konjunktur spüren. Hier sei Kurzarbeit ein wichtiges Instrument: „Unternehmen können Fachkräfte halten, und sofort wieder loslegen, wenn die Konjunktur wieder anspringt“, so Agentursprecher Löhr. In NRW war man laut jüngsten Zahlen für Oktober von 24.500 Kurzarbeitern ausgegangen. Ihre Zahl steigt, ist aber noch sehr weit entfernt von den Höchstmarken aus der Krisenzeit um 2009.

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