Düsseldorf. Ein Bürgermeister wird von Rechtsextremisten bedroht. Er will sich mit einer Waffe schützen - was die Polizei verbietet. Dagegen klagt der Mann.
Der Bürgermeister einer Kommune im Rheinland hat zum Schutz vor Rechtsextremisten einen Waffenschein beantragt. Weil ihm die örtliche Polizeibehörde die Erlaubnis verweigert, klagt er nun vor dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht, wie eine Gerichtssprecherin an diesem Dienstag (7. Januar 2020) auf Nachfrage der Redaktion bestätigte. Die Verhandlung ist für den 21. Januar angesetzt.
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Er persönlich halte nichts davon, wenn sich Mandatsträger bewaffnen, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). „Wenn es Anhaltspunkte für Gefährdungen gibt, werden alle nötigen Maßnahmen ergriffen.“ Betroffene könnten sich jederzeit an die Polizei wenden.
Städte- und Gemeindebund zeigt sich besorgt
Die „Rheinische Post“ (Bezahlinhalt) hatte zuvor berichtet. „Im Gegensatz zum Innenminister sind die kommunalen Amtsträger nicht geschützt. Meiner Meinung nach wird man bald keine Bürgermeister mehr finden, wenn man sie mit dieser Bedrohung alleine lässt“, sagte dagegen Wolfgang Spiske, Rechtsanwalt aus Duisburg, der den Bürgermeister in dem Verfahren vertritt. Es helfe bedrohten Kommunalpolitikern nicht, wenn ein Streifenwagen etwas häufiger als üblich am Wohnhaus vorbeifahre.
Besorgt äußerte sich der Städte- und Gemeindebund NRW. „Aus dem regelmäßigen Austausch mit den Städten und Gemeinden wissen wir, dass viele Amts- und Mandatsträger immer wieder mit Bedrohungen konfrontiert sind.“, sagte Hauptgeschäftsführer Bernd Jürgen Schneider auf Nachfrage der Redaktion. Dass ein Bürgermeister nun einen Waffenschein haben will, weil er um Leib und Leben fürchtet, zeige wie ernst die Lage sei.
Gewerkschaft der Polizei: „Trügerische Sicherheit durch privaten Waffenbesitz“
Im konkreten Fall geht es um die Beantragung eines sogenannten großen Waffenscheines, der zum Führen von schussbereiten Waffen außerhalb der eigenen Wohnung und der Geschäftsräume berechtigt. Der Bürgermeister beruft sich auf eine besondere Gefährdung als Amtsträger und verweist auf Drohungen aus dem rechten Spektrum, sagte die Gerichtssprecherin.
Zum Schutz des Klägers wurden weder dessen Name noch die Kommune genannt. „Bei allem Verständnis für seine Sorge: Aufrüsten ist nicht zielführend“, sagte der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens auf Anfrage. „Sicherheit gehört in die Hände von Profis. Das ist hier die Polizei“. Die Polizei freilich müsse dafür entsprechend ausgestattet sein.
Die Sicherheit durch privaten Waffenbesitz sei trügerisch: „Eine Messerattacke wird er damit nicht verhindern können.“ Eine Schusswaffe sei eine Distanzwaffe, so Mertens. Ein Bürgermeister aber lebe bei seiner Arbeit von der Nähe – etwa, wenn er sich auf eine Versammlung begebe oder direkt mit Bürgern spreche..
Welle von Morddrohungen gegen Politiker
Im vergangenen Jahr soll der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) von einem Rechtsextremisten erschossen worden sein. 2017 wurde im sauerländischen Altena Bürgermeister Andreas Hollstein (CDU), Vertreter einer liberalen Flüchtlingspolitik, attackiert. Henriette Reker (parteilos), inzwischen Oberbürgermeisterin von Köln, wurde 2015 - einen Tag vor ihrer Wahl - niedergestochen und lebensgefährlich verletzt.
19 Morddrohungen seit Anfang 2017 gegen Politiker in NRWDer zu 14 Jahren Haft verurteilte Attentäter hatte eingeräumt, der rechten Szene angehört zu haben. Laut Verfassungsschutz hatte er sich lange vor der Tat im Umfeld der 1995 verbotenen rechtsextremen Neonazi-Partei FAP („Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“) bewegt.
Im vergangenen Jahr hatte eine Welle von Morddrohungen gegen Politiker für Aufsehen gesorgt - besonders vor der Landtagswahl in Thüringen.
Immer mehr Drohbriefe und Pöbeleien im Internet
„Die zunehmende Verrohung macht uns große Sorgen“, klagte Bernd Jürgen Schneider vom Städte- und Gemeindebund NRW. Die Zahl der Drohbriefe, sowie der Beleidigungen und hemmungslosen Pöbeleien im Internet hat nach seinem Eindruck in den vergangenen Jahren zugenommen. Schneider fürchtet Auswirkungen auf das kommunalpolitische Engagement.
„Gerade diejenigen, die abends nach der Arbeit noch ehrenamtlich im Rat oder Ausschuss sitzen, haben es nicht verdient, dass sie beschimpft und angepöbelt werden“, meinte Schneider. Es sei nachvollziehbar, wenn diese Menschen sich fragen, wie lange sie sich das noch antun wollen. Die Gesellschaft insgesamt müsse sich deshalb der Verrohung von Sprache und Handeln entgegenstellen: „Das politische Ehrenamt ist das Fundament unseres demokratischen Zusammenlebens.“ (mit dpa)