Essen. Matthias Maruhn gerät beim Spaziergang durch die Mülheimer Nachbarschaft in eine Theatervorstellung. Darin spielen Schwäne die Hauptrolle.

Mittwochs hat meine Tochter häufiger beruflich zu tun, der erste Job nach den beiden Schwangerschaften, dann bringt sie den großen Kleinen in den Kindergarten und den kleinen Kleinen zu Oma und Opa. Oma packt das Baby in den Buggy und schickt Opa auf Wanderschaft: Die frische Luft tue dem Jungen gut. Und er selbst müsse ja eh mit dem Hund raus. Also…

So ziehen wir dann frank zu dritt hinaus in die Welt. Bei jedem Wetter, auch gestern, als der Regen seinen Namen mit dicken Tropfen in die Pfützen schrieb. Weit müssen wir nicht, um ins Schöne zu gelangen. Die Straße runter über die Stadtgrenze nach Mülheim, dann links am Hochhaus vorbei, da beginnt schon die Fußgängerbrücke, die in einen Panoramasteig übergeht. Auf Stelzen wandelt die Brücke hier, biegt scharf nach rechts und vor uns öffnet sich der Blick ins weite Tal, auf den Fischteich, auf ein wundersames Schauspiel der natürlichen Art.

Zwei schwarze Schwäne

Ich bleibe hier immer kurz stehen, um zu staunen, zunächst schaue ich aber durch den Plastik-Regenschutz in den Buggy, Alexander der Kleine hat die Döppen schon zu und schläft sanft wie der Frieden, der Hund setzt sich leicht genervt ins Nasse, er kennt das Ritual und ich applaudiere, weil sich der Vorhang langsam öffnet. Ein Tusch, willkommen im Theater am Schwanensee. Aber wo sind die Hauptdarsteller? Aha, direkt unter uns und noch an Land. Auftritt verschlafen, was?

Da gleiten sie auch schon ins Wasser und verwandeln sich von watschelnden Tollpatschen in elegante Einmaster. Romeo und Julia, zwei schwarze Schwäne, fast immer zum Pas de deux vereint, heute schwimmen sie in entgegengesetzte Richtungen, da ist wohl Strom unter der Tapete, vielleicht hat er mit der dummen Gans geflirtet oder sie hat sich mit dem feschen Erpel zum Gründeln verabredet. Auch Schwäne heben Geheimnisse. Wobei ansonsten sowohl alle Enten als auch die Teichhühner keine wirkliche Rolle in unserem Stück spielen. Gefiederte Statisten, die von Zeit zu Zeit als Pausenclowns quer über den großen Teich geschickt werden.

Newcomer auf dem Schwanensee

Auch ich bin ans andere Ufer. Da steht meine Bank, die Loge in diesem Theater, ich setze mich bei dem Dauerregen aber nur kurz fürs Foto. Den Reiher vorne stört der Regen nicht. Ohne Rührung starrt er aufs Wasser, der alte Schlaks. Wegen seiner spirreligen Erscheinung und der Kopfhaltung habe ich ihn Günther Jauch getauft, auch weil er schlau wirkt, was er häufiger beweist, wenn er etwa neben einem Plastikreiher am Ufer Jagdposition bezieht, um die Fische in falscher Sicherheit zu wiegen und an den Haken zu bekommen, das Schlitzohr.

Meine neuen Lieblinge aber sind „The Kormorans“. Newcomer. Erst seit einigen Wochen am Teich engagiert. Die Angler sind ihre schärfsten Kritiker, weil der Kormoran ein gewitzter Jäger ist, der zudem einige Minuten die Luft anhalten kann und auf lange Tauchfahrten geht. Jetzt sitzen die Strolche oben im Baum. Frech gucken sie mich an. Eigentlich müssten sie eine Pulle Bier im Flügel halten und ihre Kippen in meine Richtung schnippen. „Was glotzt du so blöd, Opa?“

Fischstäbchen wären passend

Das bringt mich in die Realität zurück, der kleine Kleine hat die Augen auf. Wir sollten mal zurück. Ob Oma schon was gekocht hat? Fischstäbchen wären passend.