An Rhein und Ruhr. Mit dem Versprechen, erstmalig alle NRW-Tickets in einer App anzubieten, ist die App „Mobil.NRW“ vorgestellt worden. Ein Etikettenschwindel.
Das Versprechen ist ein großes: Erstmalig alle Fahrscheine für NRW aus einer Hand in einer App. In der Realität jedoch entpuppt sich die App „Mobil.NRW“ als neu designte DB-Mobilitätsapp, allerdings in abgespeckter Fassung. Also: Eher Rückschritt als Fortschritt.
Die erste Überraschung beginnt schon kurz nach der Installation der App, die sehr schick in Orange und Blau daherkommt. Sie möchte nicht nur auf meinen Standort zugreifen – das tun viele Mobilitäts-Apps. Und das macht ja auch Sinn: Wenn die App weiß, wo ich bin, kann sie mir nahe gelegene Haltestellen anzeigen – und die Fahrzeiten der nächsten Busse oder Bahnen dort. Nein, die neue App möchte auch Zugriff auf meine Kontakte. Warum nur?
Der Trost: Die App funktioniert auch ohne Zugriff auf meine Kontakte. Immerhin. Also gut, schauen wir mal, ob Rheinland und Westfalen endlich vereint sind. Zugfahrt von Essen nach Münster, Verbindungsauswahl, das alles fluppt wie gewohnt. Man könnte auch sagen: genauso wie beim DB Navigator.
Was jetzt kein Riesenwunder ist, denn die Bahn hat die App entwickelt und da dem Vernehmen nach eine Million investiert. Weswegen auch das Verkehrsministerium sagt: Die Bahn-App kann heute so viel, weil die Bahn „Mobil.NRW“ entwickelt hat. Muss man drauf kommen.
Einziger Unterschied: In der Mobilitätsapp sind die ICs und ICEs erst einmal ausgebremst, werden nicht angezeigt, obwohl das auf der Strecke durchaus sinnvoll wäre. Ist aber so gewollt, sagt das Ministerium, man wollte eine reine Nahverkehrs-App.
Mobil.NRW hat Nachteile gegenüber dem DB-Navigator
Schließlich kostet die Fahrt mit dem NRW-Singleticket kaum weniger als mit dem IC, in Einzelfällen ist die Fahrt sogar günstiger. (Das Fernverkehrsticket hat allerdings den Nachteil, dass die Fahrt per Bus oder Bahn in den Start- und Zielstädten nicht im Preis inbegriffen ist. Erst nachdem ich die ICs und ICEs mit ein paar zusätzlichen Häkchen angewählt habe, werden sie angezeigt. Aber: Eine Buchung der Fernzüge ist nicht möglich. Klarer Nachteil gegenüber dem DB-Navigator. Der angebliche neue „Generalschlüssel“ passt auf weniger Türen.
Und es wird noch schlimmer: Zumindest am gestrigen Dienstag-Nachmittag, am zweiten Tag der neuen App, versagt diese fast völlig: Selbst Tickets von Essen nach Duisburg werden nicht mehr angeboten. Mysteriöserweise streikt die Preisauskunft für alle Linien auf denen nicht nur DB-Regio fährt… Angeblich liegt das am großen Erfolg der neuen App. Sie sei leider überlastet, so das Ministerium gegenüber dieser Zeitung.
Auch interessant
Nun gut, es soll ja eine Nahverkehrs-App sein. Probieren wir mal eine Vierfahrtenkarte für die Strecke Dülmen-Münster zu bekommen. Gibt es im Westfalentarif, gibt es aber nicht in dieser App. Mehrfahrtenkarten für Westfalen sind schlicht nicht erhältlich, nur für die jeweils konkrete Fahrt lässt sich dort ein Ticket buchen. Genauso wie bisher im DB-Navigator. Ein zukunftsweisendes Ticket wie das „Einfach-Weiter-Ticket“, das zumindest im Rheinland die Fahrten über Verbundgrenzen leichter und günstiger gemacht hat, sucht man hier vergeblich. NRW bleibt in Nahverkehrsfragen ein geteiltes Land.
Was wirklich nützlich wäre, geht schon mal gar nicht: Besitzer einer Monatskarte im VRR wären mit der Möglichkeit, den Fahrpreis zu splitten (Zusatzticket für die Fahrt bis Haltern am See, danach Westfalenticket bis Münster) am günstigsten bedient. Dazu müsste man über seine VRR-App ein Zusatzticket buchen und dann über Mobil-NRW ein Einzelticket für die Strecke Haltern-Münster.
Immerhin, die Bahn verspricht: Weitere Tarifangebote würden integriert und immerhin - tatsächlich ist bei der „Mobil.NRW“-App das „Einfach-Weiter-Ticket“ buchbar, das eine Fahrt aus dem VRR in den Aachener und Köln-Bonner-Raum ermöglicht. Das ist im DB Navigator so nicht zu finden. Und die Kontaktabfrage, so versichert die Bahn, mache es nur leichter, direkt den Weg zu Freunden zu finden, ohne erst nachsehen zu müssen, welche Haltestelle da am nächsten liegt.
Echtzeitdaten gibt es meist nur über die Apps der Verkehrsverbünde
Doch die Kritik im Netz geht weiter: Nutzer berichten bereits jetzt, dass die hinterlegten Echtzeitdaten in einigen Verkehrsverbünden nicht so aktuell sind, wie in den jeweiligen Apps der Verbünde. Wer also wissen will, ob der Bus später kommt, muss zusätzlich die Apps von VRR oder VRS installieren - aber auch das soll immer besser werden, verspricht die Bahn.
(Am Rande: Es gibt immer noch Verkehrsunternehmen wie den Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr, die überhaupt keine Echtzeitdaten bereitstellen… Wie wäre es, das mal in die Richtlinien für den VRR-Teilnahme festzuschreiben?)
Fazit: Des Kaisers neue Kleider: „Mobil.NRW“ ist nicht mehr als der DB-Navigator in Orange-Blau, vielleicht mag der NRW-Verkehrsminister diese Farben lieber als das (farblich) SPD-nahe Rot der Bahn. Kleiner Tipp: Das Handy-Ticket-Deutschland, von privaten Anbietern in Hamburg schon vor vielen Jahren entwickelt, ermöglicht den Kauf fast aller Nahverkehrstickets, auch des „Einfach Weiter Tickets“, in vielen deutschen Regionen, u.a. in Berlin und Hamburg. Alles über einen Account.
Lieber eine eigene App, als ein deutschlandweites Modell
Dort gibt es immerhin gibt es sogar Mehrfahrtentickets für Münster, wenn auch nicht für Westfalen. Noch: Denn diese App leidet zunehmend unter Auszehrung. Immer mehr Unternehmen ziehen sich zurück. Leider. Statt diese bislang gut funktionierende App zu stützen, entwickelt man lieber neue schicke, eigene Apps. Hilft zwar dem Nutzer nicht, aber man kann sagen: Auch als Stadtwerke Hutzelhausen haben wir jetzt eine eigene Nahverkehrsapp. Schade, dass das Land NRW genau darauf reingefallen ist.