Kreis Recklinghausen. Klimaschützer protestierten vor Datteln IV. Sie wollen dass das umstrittene Steinkohlekraftwerk nicht doch noch ans Netz geht.

Angesichts des verabredeten Kohleausstieges darf kein neues Kohlekraftwerk mehr ans Netz gehen, haben Demonstranten an diesem Freitag (29. November 2019) vor dem umstrittenen Meiler Datteln IV gefordert. Sie protestierten gegen die sich abzeichnende Inbetriebnahme der 1052-Megawatt-Anlage im kommenden Jahr. Umweltschützer befürchten, dass Datteln IV wesentlich klimafreundlichere, aber in der Stromerzeugung teurere Gaskraftwerke vom Markt drängen könnte.

Zum Protest aufgerufen hatten die Organisation Fridays for Future und der Umweltverband BUND. Aus Castrop-Rauxel und aus Datteln kamen Demonstranten zur Kundgebung vor das Steinkohlekraftwerk am Dortmund-Ems-Kanal. Die Veranstalter sprachen von 350 Teilnehmern, die Polizei von 200 bis 250.

„Datteln IV könnte zum neuen Hambi werden“

Erinnert wurde auf der Demo daran, dass die Kohlekommission eine „Verhandlungslösung“ für Datteln IV gefordert hat – sprich: Betreiber Uniper soll dafür entschädigt werden, dass er den Meiler nicht ans Netz nimmt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wie auch die schwarz-gelbe Landesregierung sind davon abgerückt. Laut Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sei in diesem Fall mit einer 1,5-Milliarden-Euro-Entschädigung zu rechnen – soviel Geld hat Uniper nach eigenen Angaben in Datteln IV investiert.

Der Umweltverband BUND hält die 1,5 Milliarden für überzogen. NRW-Geschäftsleiter Dirk Jansen ist überzeugt, dass eine Entschädigung viel niedriger aus: „Uniper hat schon 500 Millionen auf das Kraftwerk abgeschrieben und weitere Abschreibungen angekündigt.“ Jansen glaubt, dass Datteln IV für die Klimabewegung „zum neuen Hambi werden könnte“, falls nicht noch eine Verhandlungslösung gefunden wird – eine Anspielung auf den symbolträchtigen Hambacher Forst im Rheinischen Braunkohlenrevier.

Öko-Institut: Unterm Strich bleibt ein CO2-Mehrausstoß

Unterstützt wird die Forderung nach Nichtinbetriebnahme von Datteln IV durch eine aktuelle Einschätzung des Öko-Institutes, die der Redaktion vorliegt. Energiewissenschaftler Felix Matthes, der auch Mitglied der Kohlekommission war, geht davon aus, dass eine Inbetriebnahme von Datteln IV zu Mehremissionen von jährlich vier Mio Tonnen des Klimagases CO2 führt, die durch die zusätzliche Abschaltung von einem Gigawatt älterer Kraftwerkskapazitäten auch nur zur Hälfte kompensiert würden.

Diese älteren Meiler hätten zwar im Direktvergleich höhere Emissionen als Datteln IV. Bedingt durch ihre geringere Effizienz und ungünstige Betriebskosten seien sie im Jahresverlauf jedoch weniger in Betrieb. Unterm Strich ergäben sich so deutlich geringere Netto-Emissionsminderungseffekte, die von Befürwortern einer Inbetriebnahme offenbar nicht berücksichtigt werden. In Matthes’ Rechnung bleiben bei einer Inbetriebnahme von Datteln IV auch bei zusätzlicher Abschaltung älterer Kohlekraftwerke immer noch zwei Millionen Tonnen CO2 zusätzlich.

Mehrere Klagen zu Datteln IV sind noch nicht entschieden

Sollte Datteln IV tatsächlich nächstes Jahr in Betrieb gehen und bis 2035 laufen, summieren sich diese zusätzlichen CO2-Emissionen auf 30 Mio Tonnen. Mit Blick auf den aktuellen Zertifikatspreis im EU-Emissionshandel (25 Euro/Tonne) hält Matthes eine Entschädigungsprämie von 750 Mio Euro für volkswirtschaftlich angemessen, sollte Eigentümer Uniper Datteln IV doch nicht ans Netz nehmen.

Unabhängig davon sind noch mehrere, juristische Klagen gegen Datteln IV nicht entschieden. Einer der Kläger ist Anwohner Rainer Köster. Am Rande der Demo zeigte er sich im Gespräch mit der Redaktion zuversichtlich: „Wir werden vor Gericht gewinnen!“ Wenn Uniper das Kraftwerk in Betrieb nehme und es bei einem für die Kläger positiven Gerichtsentscheid später wieder stilllegen müsse, gehe der Konzern in puncto Entschädigung eben leer aus.