Am Niederrhein. Kai Gottlob, Geschäftsführer im Filmforum in Duisburg, geht zum Jahresende. Ein fast cineastisches Gespräch über Kohle, Krings und Knutscherei.

Seit 1984 führt Kai Gottlob im Filmforum in Duisburg die Regie. Am Jahresende ist Schluss als Geschäftsführer. Im Rückblick fällt ein und auf: Das Haus am Dellplatz ist das älteste kommunale Kino in Deutschland, wohl auch das erfolgreichste. Ein Erfolg ist auch das alljährliche Sommerkino im Landschaftspark Nord, seit 1996. Statt einer ultimativen Lobhudelei ein fast cineastisches Gespräch.

Zum Auftakt die Standard-Frage: Erster Film in Kino?

„Winnetou 2“ im Metropol Theater in Duisburg-Hamborn. Ich musste lange quengeln, ein Freund der Familie überzeugte meine Eltern, dass Karl-May-Filme toll sind, und so durfte ich mitgehen.

Indiskrete Frage: Bei welchem Film nur geknutscht und nicht geguckt?

Ääääh. (überlegt) Schwere Frage. (überlegt) Ich glaube, ich war nie so ein Dauerknutscher im Kino.

Bei welchem Film zuletzt geweint?

Zumindest feuchte Augen gab es zuletzt bei dem Trailer des Aretha Franklin Films „Amazing Grace“. In diesem Zusammenhang fällt mir Bert Brecht ein, von ihm stammt der schöne Tagebuch-Eintrag: „Im Kino gewesen – geweint.“ Da ist man also in guter Gesellschaft.

Der neue Martin Scorsese-Film mit Robert De Niro und Al Pacino: Schon im Kino geguckt oder erst jetzt bei Netflix anschauen?

Im Kino, und zwar bei uns, das Filmforum gehört zu den wenigen Kinos in Deutschland, die „The Irishman“ vor dem Streaming-Angebot zeigen. Nebenbei bemerkt: Ich bin sowohl Netflix- als auch Amazon Prime-Kunde, gehe deshalb aber nicht weniger ins Kino.

Kai Gottlob in seinem Büro am Dellplatz.
Kai Gottlob in seinem Büro am Dellplatz. © Thomas Richter

Eine Erklärung, bitte. Warum überlebt das Kino alle Konkurrenz: erst das Fernsehen, dann die Videokassette, später die DVD, und nun auch Internet, Smartphones, YouTube, Netflix ...?

Kino hat eine eigene Magie. Man sitzt im Dunkeln und guckt zusammen. Man fürchtet sich gemeinsam, man freut sich gemeinsam. Dieses Erlebnis ist einzigartig, trifft uns in der Seele und ist mit nichts anderem zu vergleichen.

Echt wahr: Das Filmforum in Duisburg ist das älteste kommunale Kino in Deutschland?

Das ist richtig. Als damals in Duisburg über ein kommunales Kino beraten wurde, lief in Frankfurt am Main eine gleiche Debatte. Der Duisburger Stadtrat kam mit seinem Entschluss den Frankfurter Kollegen etwas zuvor.

Auch wahr: Jupp Krings, der vor wenigen Tagen im Alter von 93 Jahren verstarb, las das miese Kinoprogramm aus der Zeitung vor und danach beschloss der Stadtrat die Gründung des Filmforums?

(grinst) Jaja, er war damals noch nicht Oberbürgermeister, sondern Vorsitzender des Kulturausschusses. Aus der Tageszeitung entnahm er das aktuelle Kinoprogramm für Duisburg, das nur aus Pauker- oder Lümmelfilmen und Schulmädchenreports bestand. Darauf beschloss der Stadtrat mit großer Mehrheit die Einrichtung eines kommunalen Kinos.

Beichtfrage: Wann zuletzt gesündigt und einen Film in einem Multiplexkino geguckt?

Ganz ehrlich: Ich kann es nicht genau sagen. Natürlich gehe ich auch in andere Kinos, berufsbedingt sind darunter auch Vorführungen von Verleihern, und diese finden oft in Multiplex-Kinos statt.

Gewissensfrage: Wann wird im Filmforum endlich Popcorn verkauft?

Nie! Das war übrigens eine Entscheidung, die auf eine sehr resolute Putzfrau zurückging. Viele Jahre lang machte sie das ganze Haus sauber und drohte uns immer mit dem Besen in der Hand: Wenn wir eines Tages auf die Idee kämen, hier Popcorn zu verkaufen, würden wir sie kennenlernen. Eine klare Ansage und seitdem ist das so, und unser Publikum weiß die Ruhe beim Film zu schätzen.

Spätestens seit der Schließungsdebatte 2009/2010 ist klar: Duisburg ohne Filmforum...

… ist nicht denkbar.

Es ist am Niederrhein das einzige Programmkino, wieso?

Kinofilme abseits des Massenpublikums haben es in Deutschland traditionell schwer. In England oder Frankreich ist das etwas anders, allein schon deshalb, weil die Leute dort sehr viel häufiger ins Kino gehen. Das Filmforum kann auch dank der kommunalen Unterstützung ein anderes Programm anbieten, das von einem nicht kleinen Teil der Zuschauer gerne angenommen wird. Die Hälfte unseres Publikums kommt nicht aus Duisburg, viele kommen vom Niederrhein zu uns.

Seit 1984 führt er Regie im Filmforum in Duisburg.
Seit 1984 führt er Regie im Filmforum in Duisburg. © Lars Heidrich

Ganz kurz, welchen Bildungsauftrag hat das Filmforum?

Wir wollen den Menschen alternative Lebensentwürfe zeigen und sie zu einem demokratischen Bewusstsein leiten. Vor allem Kindern und Jugendlichen möchten wir den wunderbaren Zauber des Kinos erklären. Ihnen aber auch vermitteln, dass Bilder und Medien beeinflussbar sind, um so ihre Kritikfähigkeit zu fördern.

Journalisten nennen Sie übrigens „Mr. Kino“. Was sagen eigentlich die Mitarbeiter?

(Schmunzelt) Vor einigen Jahren haben sie mir zu meinem Dienstjubiläum eine Oscar-Kopie verliehen. Darauf steht tatsächlich wie beim Original: „Best Actor in a Leading Role“.

Zum Abschied: Welcher Filmtitel passt zum Arbeitsleben des Kai Gottlob?

Spontan fällt mir keiner ein. Auch, weil ich ja noch weiter arbeiten werde. Einerseits als Werbefilmer, wie bisher. Andererseits werde ich dem Filmforum verbunden bleiben. In welcher Form, überlegen wir gerade gemeinsam. Es ist kein Geheimnis, dass mir die filmhistorische Sammlung sehr am Herzen liegt. Als Geschäftsführer ist der 31. Dezember 2019 mein letzter Arbeitstag, definitiv. Im nächsten Jahr wird es „50 Jahre Filmforum Duisburg“ geben – ich freue mich schon auf die Party, als Gast.

Auch das ein Erfolg: die Sommerkinos in Meiderich, hier mit Ralf Richter als Stargast.
Auch das ein Erfolg: die Sommerkinos in Meiderich, hier mit Ralf Richter als Stargast. © Carsten Walden