An Rhein und Ruhr. Die Unternehmen am Niederrhein hoffen auf den Brexit-Deal Ende Januar. Laut IHK sinken die Geschäftserwartungen. Viele Firmen seien verunsichert.
Jetzt ist es also der 31. Januar 2020. Bis dahin haben die Briten nun also Zeit, den Brexit zu regeln. Die Unternehmen in der Region atmen fürs Erste auf. „Einen No-Deal Brexit kann keiner wollen“, sagt Dr. Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen IHK. Eine weitere Fristverlängerung über den Januar hinaus aber auch nicht: „Die Hängepartie ist für die Wirtschaft belastend. Allein die Unsicherheit reicht schon aus, dass die Exporterwartungen der Unternehmen in den Keller sinken“, so Dietzfelbinger. Insgesamt kühlt die Wirtschaft am Niederrhein ab. Das geht aus dem aktuellen Konjunkturbericht für den Niederrhein hervor. Die Lage sei noch gut, aber Trend zeige nach unten – vor allem bei Exportfirmen, Dienstleistern und Industrieunternehmen. Denn die würde ein harter Brexit besonders treffen.
Nur noch 18 Prozent der befragten Unternehmen prognostizieren, dass sich ihre Ausfuhren in den kommenden zwölf Monaten erhöhen werden, im Sommer waren es noch 24 Prozent. Deutlich mehr Betriebe, 30 Prozent, gehen von einerrückläufigen Entwicklung der Exporte aus, im Sommer waren es noch 21 Prozent. „Die Gründe liegen nicht nur, aber auch im Brexit“, sagt Stefan Dietzfelbinger. Geschäfte mit Großbritannien seien nicht mehr planbar.
Spezialist für Lüftung, Heizung, Klimatechnik mit Niederlassung in Kleve
Eine Situation, die „eigentlich beide Seiten nicht wollen“, sagt Lukas Verlage. Der Geschäftsführer der Colt International GmbH mit Sitz in Kleve, ist seit 25 Jahren in der Deutsch-Britischen Gesellschaft und unterhält intensive Kontakte nach England. Es sei typisch für die Briten, dass sie sich ein Hintertürchen offen halten. Colt International ist ein britischer Spezialist für Lüftung, Heizung, Klimatechnik. Die Zentrale befindet sich in Waterlooville, Großbritannien, in Deutschland gibt es fünf Niederlassungen, eine davon in Kleve. 1000 Mitarbeiter arbeiten am Standort.
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„Wir haben das Glück, dass wir hier in Kleve produzieren und keine Güter aus England beziehen“, sagt Lukas Verlage. Durch seine Kontakte auf die Insel weiß er aber, dass die britischen Firmen die Brexit-Diskussion „sehr kritisch“ sehen. Viele Firmen ließen sich bereits in Europa nieder, große Namen sind darunter, wie Sony. „Das Problem ist für die Briten, dass sie kein Land der Rohstoffe sind. Sie produzieren keine eigenen Dinge“, sagt Lukas Verlage, der aber fest daran glaubt, dass es einen geregelten Brexit geben wird, „sonst ist der Schaden zu groß.“
Künftige Zollabfertigung: Mit dem Brexit kommt viel Arbeit
Viele Unternehmen sind mittlerweile von der langen Diskussion genervt. Thomas Krause, Leiter der Zollabteilung bei dem international agierenden Logistiker STI (Deutschland) GmbH bereitet die Geschäftspartner seit über einem Jahr auch auf einen harten Brexit vor. Rund 2500 Transporte gehen jährlich vom Standort Duisburg aus nach Großbritannien und zurück. „Wir transportieren Lebensmittel, Spielzeuge, beliefern Kreuzfahrtschiffe“, erklärt Krause. Mit dem Brexit komme auf die gesamte Wirtschaft eine Menge Arbeit zu – vor allem wegen der künftigen Zollabfertigung. STI hat bereits einige hundert Kunden darüber informiert, was sie nach einem Brexitbrauchen, „damit der Schockmoment“ nicht so groß wird.
Für die Waren würden „die Zollstammdaten, Zolltarifnummern, Ursprungsländer und Gewichte benötigt“, listet Thomas Krause nur einige Punkte auf. Dadurch werde die Lieferkette teurer, da es Abfertigungen nicht zum Nulltarif gibt. Dies lasse sich aber alles vorbereiten. Was aber ein unkalkulierbarer Faktor aber bleibe, sei die Abfertigung an der Grenze. „Wir müssen auch die Kapazitäten haben, das Geschäft zolltechnisch einzutüten“, sagt Thomas Krause. Mit Wartezeiten müssten die Kunden rechnen und dementsprechend ihre Waren planen. „Es ist ja ein Unterschied ob ich Lebensmittel transportiere, die vielleicht vier Tage haltbar sind oder Tiefkühlsachen habe, die sich ein halbes Jahr halten.“ Thomas Krause rät den Kunden im Falle des Brexits „genug Waren zu haben, um eine gewisse Zeit überbrücken zu können, bis sich das an der Grenze eingespielt hat.“
Kunden haben nicht mit Brexit Ende Oktober gerechnet
Das scheinen einige bereits getan zu haben. Susanne Convent-Schramm, Geschäftsführerin der Convent Spedition mit Sitz in Emmerich, berichtet, „dass diesmal bei weitem nicht so viele Waren auf Vorrat gekauft“ haben, wie noch im März vor der ersten Brexit-Frist. „Da hatten wir sechs Wochen zuvor deutlich mehr Termine, die Panik war größer“, sagt Susanne Convent-Schramm. Dies zeige, dass die Kunden nicht ernsthaft mit einem Brexit Ende Oktober gerechnet haben.
Der Emmericher Logistiker transportiert täglich Waren nach Großbritannien, Gefahrstoffe genauso wie Lebensmittel und hat eine eigene Zollabteilung. „Wir liefern auch in Drittländer wie die Schweiz, so dass wir wissen, was für Dokumente im Falle der Zollabfertigung benötigt werden“, erklärt Susanne Convent-Schramm, die ebenfalls damit rechnet, dass sich bei einem Brexit die Abfertigung an den Grenzen verzögert, da die Zollstellen seitens England nicht drauf vorbereitet seien und die Kapazitäten nicht ausreichen werden. Aus ihren Besuchen in England weiß Convent-Schramm, „dass das Land tief gespalten ist“ und viele Firmen hinterfragen, ob Großbritannien, das als Tor zur EU galt, noch der richtige Standort ist.