Selbstzweifel? Sowas schminken wir uns jetzt mal schön ab. Mit dem richtigen Make-up verschwinden nicht nur Fältchen, sondern ganze Charaktere.

Schauen Sie sich mal vorsichtig um: Die Gesichter in Ihrer Umgebung sind nicht echt. In der Kosmetik-Branche haben sich Revolutionen ereignet, unbemerkt von Normalverbrauchern. Die Menschen tragen jetzt Masken.

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Aus zwei Gründen ist mir dieser Trend bisher entgangen. Erstens bin ich eine Styling-Neandertalerin. In meiner Jugend war Schminke nur angesagt, wenn sie sich in schwarzen Blöcken durchs Gesicht zog, begleitet von Sicherheitsnadeln. Dezentes Make-up war für Tussis. Da ich weder Punk noch Püppchen sein wollte, malte ich mir einen Kompromiss. Umrandete die Augen mit Kajal, wischte die Hälfte weg, in der Hoffnung, eine Mischung aus Natur und Design zu erzielen. Die Methode funktioniert bis heute und wird gestützt durch den zweiten Grund: Altersweitsichtigkeit. Die ist nicht nur lästig, sondern gnädig, sie heilt Spiegelbilder.

„Leinen“ bis „Mocca“ - Make-up-Firmen bieten Dutzende Schattierungen

Umso erstaunter blätterte ich durch den Prospekt einer Drogeriekette. Las sich bizarr wie die Werkzeugkataloge aus dem Baumarkt. Es wurde auch ähnlich schweres Gerät angepriesen. Vorher kannte ich Make-up nur als beigefarbene Tunke, die im Gesicht verteilt wird, bis man glänzt wie ein Karamellpudding. Doch offenbar tupft? rollt? presst? man „Make-up Foundation“ heute mit faustgroßen Kissen auf die Haut. Warum? Damit die Botox-Lippen bei der Berührung mit echten Fingern nicht platzen?

Wer schreibt denn da?

Maike Maibaum schreibt seit Jahren die Kolumne „geschenkt“: Die NRZ-Redakteurin und Mutter von zwei Kindern ist Expertin für den alltäglichen Wahnsinn im Familienleben. Sie lästert jede Woche lustig über ihre Lieben und die wildgewordene Welt. Zwei Bücher mit den besten Geschichten („Geschenkt“, „Noch mehr geschenkt“) sind im Klartext-Verlag erschienen, illustriert vom preisgekrönten Karikaturisten Thomas Plaßmann.

Wer schreibt denn da?

Maike Maibaum schreibt seit Jahren die Kolumne „geschenkt“: Die NRZ-Redakteurin und Mutter von zwei Kindern ist Expertin für den alltäglichen Wahnsinn im Familienleben. Sie lästert jede Woche lustig über ihre Lieben und die wildgewordene Welt. Zwei Bücher mit den besten Geschichten („Geschenkt“, „Noch mehr geschenkt“) sind im Klartext-Verlag erschienen, illustriert vom preisgekrönten Karikaturisten Thomas Plaßmann.

„Beige“ ist auch vorbei. Make-up-Firmen bieten Dutzende Schattierungen an. Von „Leinen“ bis „Mocca“. Für den Zombie-Teint bis zum „Winter-auf-Mallorca“-Look. Man braucht viel Zeit, Flutlicht und Vergrößerungsspiegel, um unter 36 Braunabstufungen seinen Hautton zu finden. Lidschatten werden in 48er-Farbkästen verkauft. So viele Nuancen hatten Monet oder Picasso auf der Palette, um Werke für die Ewigkeit zu schaffen. Nun sollen wir ähnlich ehrgeizig pinseln, morgens um sieben, im beschlagenen Badezimmerspiegel.

Für schwierige Fälle: Niedliche Nasen und hohe Wangenknochen aus dem 3D-Drucker

Beuys sagte: Jeder ist ein Künstler. Die Beauty-Industrie erhöht: Jeder ist ein Kunstwerk, das er selbst gestalten kann. Die neue Schminke deckt so doll, da verschwinden nicht nur Fältchen, sondern ganze Charaktere. Es entsteht ein Zweit-Antlitz, makellos glatt, eine Leinwand für die kühnsten Selbstporträts. Aus einem Didi Hallervorden wird mit dem richtigen Make-up nahtlos eine Audrey Hepburn. Für schwierige Fälle gibt es bald niedliche Nasen und hohe Wangenknochen aus dem 3D-Drucker.

Die Punk-Gesichter meiner Jugend erschienen mir plötzlich charmant... und so natürlich. Aber man darf die neuen Technologien nicht nur verteufeln. Halloween-Horror geht künftig viel leichter: Wir zeigen einfach alle unser wahres Gesicht.

Stupsnase, 3D-Drucker, 0,20 Euro